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GOOD MOVIES FOR BAD PEOPLE
Knight Moves

Knight Moves

GIALLO & FRIENDS: DEUTSCHLAND/USA, 1992
Regie: Carl Schenkel
Darsteller: Daniel Baldwin, Christopher Lambert, Diane Lane, Tom Skerritt

STORY:

Vorgeschichte: Zwei kleine Jungen sind Gegner in einem Schachturnier. Als der eine den anderen Schachmatt setzt, erweist jener sich als ein schlechter Verlierer und rammt dem Gewinner seinen Füller in die Hand. Später sieht man das Verlierer-Kind am Bett seiner Mutter, die sich soeben die Pulsadern aufgeschnitten hat. Doch der Sohnemann lässt sich durch diesen kleinen Zwischenfall anscheinend nicht aus der Ruhe bringen. Stattdessen holt er sich sein Schachspiel aus der Kommode der in ihrem Blut auf dem Bett liegenden Mutter, geht in die Küche, schnappt sich Kekse und ein großes Glas Milch und fängt mit voller Konzentration an zu spielen ...

Gegenwart: Der Schachgroßmeister Peter Sanderson (Christopher Lambert) nimmt an einem Turnier auf einer abgelegenen Insel an der Westküste der USA teil. Zur Entspannung geht er abends mit der schönen Debi Rutlege (Kehli O'Byrne) ins Bett. Als diese am nächsten Tag seltsam drapiert und völlig ausgeblutet in ihrem Bett aufgefunden wird, ist Peter natürlich sofort der Hauptverdächtige. Da Sanderson jedoch viel zu arrogant und gleichzeitig auch zu souverän ist, um zu ihm durchdringen zu können, wird die Psychologin Kathy Sheppard (Diane Lane) auf ihn angesetzt. Kathy ist jedoch sofort Sandersons Charme erlegen und die beiden beginnen ein Verhältnis. Schon bald geschehen weitere, ähnliche Morde und der Killer sendet verschlüsselte Botschaften an die Polizei ...

KRITIK:

KNIGHT MOVES ist eine deutsch-amerikanische Koproduktion aus dem Jahre 1992, bei welcher der Schweizer Carl Schenkel (ABWÄRTS, 1984) Regie geführt hat. Bis vor kurzen war mir dieser Film vollkommen unbekannt und ich bin nur durch die "Käufer, die diesen Film gekauft haben, kauften auch jene Filme"-Funktion von Amazon auf diesen Psychothriller gestoßen. Dabei war dieser Serienmörder-Film zu seiner Zeit ein großer Erfolg in den Kinos - zumindest in Deutschland, wo er fast zwei Millionen Zuschauer hatte. Somit wurde KNIGHT MOVES Carl Schenkels bisher größten Erfolg. - Nur mit dem angepeilten Durchbruch in den USA hat es nicht so recht geklappt. Auf der anderen Seite des Teichs wurde der Film ausgiebig von der Kritik zerrissen. Und als er dann auch noch gekürzt in die dortigen Kinos kam - die zahlreichen Rückblenden hielt das Studio zu komplex für das amerikanische Publikum - wollte den Film dort kaum einer anschauen ...

Wenn man sieht, dass KNIGHT MOVES in den Staaten und hierzulande so unterschiedlich aufgenommen wurde, fragt man sich sehr wahrscheinlich zweierlei Dinge: Erstens möchte man die Ursachen für diese grundlegend unterschiedliche Rezeption verstehen und zweitens möchte man wahrscheinlich auch wissen, wessen Meinung man nun eher vertrauen sollte. - In den USA wurde KNIGHT MOVES als eine billige Imitation von DAS SCHWEIGEN DER LÄMMER (1990) betrachtet. Doch hiermit wurde dieser Psychothriller ziemlich missverstanden. - Und obwohl der Titel phonetisch identisch mit Arthur Penns NIGHT MOVES (1975) ist, hat er auch mit diesem Neo-noir aus der New Hollywood-Ära nichts gemeinsam.

Natürlich hat der zwei Jahre zuvor erschienene DAS SCHWEIGEN DER LÄMMER in diesem Film seine Spuren hinterlassen. Aber die hauptsächliche Inspirationsquelle für KNIGHT MOVES liegt nicht in Amerika, sondern kommt aus Europa. Wie der Kritiker-Kollege Bastian Glodd von MannBeisstFilm.de richtig bemerkt hat, orientiert sich KNIGHT MOVES insbesondere an den frühen Filmen Dario Argentos und ist somit mehr ein moderner Giallo, als ein typischer Serienmörderfilm amerikanischen Formats geworden.

Tatsächlich sind hier fast alle prägenden Elemente des gelben Genres auf derart schöne Art versammelt, dass KNIGHT MOVES auf jeden Fall als ein Giallo gelten würde, würde es sich hierbei zumindest um eine italienische Koproduktion handeln:

Wie z.B. Argentos DEEP RED beginnt auch KNIGHT MOVES mit einem recht plakativ dargereichtem Kindheitstrauma. Und kaum sind wir in der Gegenwart angekommen geht auch schon ein psychopathischer Rasiermessermörder mit schwarzen Handschuhen umher, der seinen durchgehend schönen weiblichen Opfern kaum Zeit lässt sich auszuziehen, bevor er ihnen die Pulsadern durchtrennt. Dabei werden die Opfer bis zu ihrer Ermordung gar nicht erst groß als Charaktere eingeführt. Stattdessen reicht es, dass sie uns noch schnell ihre Unterwäsche zeigen, bevor ihr Gesicht sich zu einer Maske des Schreckens verzieht und sie ein letztes Mal in ihrem Leben schreien.

Deshalb ist es in KNIGHT MOVES die meiste Zeit über auch ziemlich egal, wer das nächste Opfer sein wird. Viel wichtiger ist die Frage nach dem Mörder und die Frage nach dem Warum der genauen Ausführung seiner Taten. - Dabei ist es schon erstaunlich, wie sehr der Film bis zu seinem Ende zu fesseln versteht. Denn das "warum" bekommen wir ja bereits in der Exposition in hinreichender Deutlichkeit präsentiert. Und wenn man ein wenig aufmerksam ist bzw. schon ein paar ähnlich gelagerte Filme (sprich: Gialli) gesehen hat, dann dürfte auch recht schnell recht klar sein, wer der Täter ist. - Aber so hundertprozentig sicher kann man sich da trotzdem nie sein und die Handlung schlägt im weiteren Verlauf immer wildere Haken, um die letztendliche Auflösung bis zum großen Finale zu verschleiern.

Dass sich bei der sich immer weiter steigernden Rasanz und Spannung auch das eine oder andere gähnend große Logikloch auftut, verzeiht man KNIGHT MOVES aufgrund seiner gelungenen Inszenierung ebenso, wie man dies auch jedem klassischem Giallo aus Italien verzeiht. Und obwohl der Film wie gesagt wenigstens das Motiv des Täters von Anfang an in aller Deutlichkeit offenlegt, gibt es trotzdem genügend die Taten begleitende rätselhafte Begleitumstände, welche ein Rätsel ganz eigener Art entwerfen, welches es zu entschlüsseln gilt. - Dies ist sicherlich ein Element, welches von DAS SCHWEIGEN DER LÄMMER inspiriert - und später in David Finchers SE7EN (1995) weiter ausgearbeitet wurde. - So spielt der Täter mit der Polizei und mit den Zuschauern, so wie Christopher Lambert als der geniale Schachspieler Peter Sanderson seine Schachpartien spielt.

Ich muss allerdings hinzufügen, dass KNIGHT MOVES auch alle typischen Schwächen eines klassischen Giallos hat: Das beginnt schon bei dem nicht wirklich ernst zu nehmenden Trauma und der hierdurch entstandenen Grundmotivation des Täters und geht weiter über die bereits erwähnten Plotlöcher. - Aber weder der geneigte Giallofan, noch der Schweizer Regisseur dürften Probleme damit (gehabt) haben, dass die Handlung am Ende so viele Löcher, wie ein echter Schweizer Käse aufweist. So richtig grenzwertig wird es dann allerdings im Finale, das in seiner - ebenfalls genretypischen - Trashigkeit doch den einen oder anderen Zuschauer vergrätzen könnte.

Auch über Christopher Lamberts Schauspielleistung kann man durchaus geteilter Meinung sein. Die einen werden diese als schlicht nicht vorhanden abtun. Die anderen, zu denen auch ich gehöre, werden jedoch finden, dass man ihm nicht nur den genialen arroganten Schachgroßmeister zu jeder Minute vollkommen abnimmt, sondern zusätzlich auch noch genügend Sympathie für ihn aufbringt, um bis zum Ende mit seiner Figur mitzufiebern.

Zwei deutliche Unterschiede zum klassischen Giallo hat KNIGHT MOVES dann aber doch: Zum einen ist der Film von seiner Inszenierung her zwar durchaus gelungen und weist auch ein gewisses Maß an gewollter Stilisierung auf, die deutlich über einen 08/15-Blockbuster hinausgeht. Aber auf der anderen Seite ist dies eben doch ein amerikanischer Thriller der beginnenden 90er-Jahre und somit ist der Film dann auch ein gutes Stück steriler als die klassischen Gialli aus Italien.

Der zweite Punkt, in welchem sich KNIGHT MOVES von einem "echten" Giallo unterscheidet liegt darin, dass die Morde an sich gar nicht gezeigt werden. Man sieht immer nur die überraschten und entsetzten Opfer und anschließend, was der Killer mit ihnen angestellt hat, aber niemals die für einen typischen Giallo so wichtigen Mordsequenzen an sich. - Aber ich muss sagen, dass mich dies in Zeiten, in denen selbst der ehemalige Giallo-Großmeister Dario Argento seine ihn offensichtlich immer mehr verlassende Kreativität damit auszugleichen versucht, seine Filme immer mehr wie Torture-Porns aussehen zu lassen(GIALLO), gar nicht mal besonders gestört hat ...

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FAZIT:

Der deutsch-amerikanische Psychothriller KNIGHT MOVES (1992) ist nur auf den ersten Blick ein trashiger Abklatsch des Serienmörder-Über-Films DAS SCHWEIGEN DER LÄMMER (1990). Wer den Film jedoch ein weniger genauer anschaut, der wird bemerken, dass der erhöhte Trashfaktor sowohl gewollt ist, als auch in Einklang mit dem wahren Hauptvorbild dieses Filmes steht - und das ist der klassische Giallo. Tatsächlich beinhaltet KNIGHT MOVES nicht nur fast alle typischen Trademarks des gelben Genres. Der Film setzt diese auch so gut um, dass er sicherlich als einer der wenigen geglückten Vertreter des Genres aus den 90er-Jahren gelten würde, währen an seiner Entstehung auch italienische Gelder beteiligt gewesen.

WERTUNG: 7 von 10 perfid psychotische Schachzüge
TEXT © Gregor Torinus
Dein Kommentar >>
Marcel | 13.07.2011 10:33
Hehe, den hatte ich demnächst auf meiner Liste. Zur Vorgeschichte: Knight Moves habe ich seinerzeit zweimal im Kino gesehen und fand ihn selbstredend großartig. Für mich war damals Schenkel der deutschsprachige Regisseur schlechthin, ich mochte seinen Stil, und wenn ich damals selbst die Chance auf einen Regiestuhl gehabt hätte, hätten meine Filme seinen Stil geähnelt. Vor einem Jahr habe ich mich an den Film erinnert und wollte die Erinnerungen auffrischen. Was mich damals so beeindruckt hat - eben der Stil - kam mir nun (ohne von dem Hinweis von Mannbeisstfilm zu ahnen) wie eine mittelprächtige Hommage an den Giallo vor, die nicht mehr funktioniert. Alles ist irgendwie viel zu gewollt. Die Musik fürchterlich aufdringlich, ohne einen Akzent zu setzen. Der Film ist zu lang. Christohper Lambert mochte ich damals schon nicht, aber jetzt war er unerträglich. Eigentlich wollte ich beide Sichtweisen zusammenfassen, auch als Beispielt, dass es eine endgültige Sichtweise nicht gibt (wie es manche ja gerne postulieren), sondern sich im Laufe der Zeit einfach viel relativiert. Und ich wollte die Bezüge zum Giallo analysieren. Naja, zu spät. Aber im Augenblick habe ich eh eine gewisse Schreibhemmung. Von daher - egal. Ich wundere mich nur, dass der Film seinerzeit komplett an dir vorbeigegangen ist. So jung bist du doch auch nicht mehr? Und in Deutschland war der Film tatsächlich Gesprächsthema.
Gregor | 13.07.2011 13:43
Damals wusste ich noch gar nicht, wie man Giallo schreibt und war auch noch überhaupt nicht so speziell auf Film fixiert, wie heute. Natürlich geht dem Film der Charme alter Tage ab. Aber gerade für seinen Entstehungszeitpunkt finde ich ihn doch recht beachtlich.
Marcel | 13.07.2011 15:57
Ich wusste auch nicht, wie man Giallo schreibt. Das erklärt vermutlich meine Begeisterung, als auch die spätere Relativierung.
Gregor | 13.07.2011 18:07
;-)
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