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La vie d'Adèle - Blau ist eine warme Farbe

La vie d'Adèle - Blau ist eine warme Farbe

OT: La vie d'Adèle
DRAMA: F, 2013
Regie: Abdellatif Kechiche
Darsteller: Léa Seydoux, Adèle Exarchopoulos, Salim Kechiouche

STORY:

La vie d'Adèle erzählt die Geschichte einer Schülerin Adèle, die sich in die blauhaarige Kunststudentin Emma verliebt und mit ihr eine leidenschaftliche Beziehung eingeht.

KRITIK:

Puh, über drei Stunden Laufzeit. Für ungeduldige und notorisch freizeitklamme Zeitgenossen wie mich klingt das erst mal nach Herausforderung. Weshalb ich den Film auf meiner To-See-Liste immer wieder nach hinten geschoben habe. Aber aufschieben hilft nix; da muss man einfach durch.

Diesen Samstag war es dann soweit. Und die erste Überraschung bot sich noch vor Filmbeginn: Eine bemerkenswert lange Schlange hatte sich da vor der Kasse des altehrwürdigen Gartenbaukinos gebildet, die bis hinaus auf den Gehsteig reichte. Wie schon kürzlich bei Jim Jarmuschs ONLY LOVERS LEFT ALIVE also erneut die erfreuliche Erkenntnis, dass gar nicht mal so wenige Menschen auch unterm Jahr ins (Programm-)Kino gehen, und nicht nur, wenn gerade Viennale oder /slash-Festival ist.

La Vie d'Adèle hat ja auch alles, was einen "Arthaus-Blockbuster" (ein Herz für bizarre Wortkreationen) ausmacht: Goldene Palme in Cannes - just zu dem Zeitpunkt, als draußen auf den Straßen Frankreichs Hunderttausende gegen die Homo-Ehe demonstrieren. Echten - oder zumindest sehr echt aussehenden Sex und die entsprechenden Kontroversen. Und schließlich der unschöne öffentlich ausgetragene Streit zwischen dem Regisseur und den Hauptdarstellerinnen.

La Vie d'Adèle ist - wie kaum anders zu erwarten - ein großartiger Film. Eine Laufzeit von drei Stunden ist zwar grundsätzlich problematisch, aber zu keiner Sekunde hatte ich das Gefühl, dass hier Redundantes oder Langweiliges gezeigt werden würde.

Die Kamera ist immer ganz dicht dran an den jungen Hauptdarstellerinnen; ich glaube, ich habe noch nie einen Film gesehen, der derart exzessiv von Close-Ups Gebrauch macht; als wollte die Kamera bildlich gesprochen in jede Hautpore der Darstellerinnen eindringen. Gemeinsames Essen, Unterhaltungen, Streitereien, Kunstausstellungen, Sex - alles hat im Film die selbe Wertigkeit.

Ja, die Sexszenen. Die Theorie (oder ist es eine Tatsache?? - was weiß ich schon darüber), dass nur lesbischer Sex für Frauen wirklich befriedigend ist, wird hier äußert anschaulich untermauert. Aber lassen wir die Darstellerinnen selbst zu Wort kommen:

Adèle Exarchopoulos: Es ist realistischer als der Sex, den man sonst in Filmen zu sehen bekommt. Sie wissen schon, dieses Dreimal-Auf-und-Ab, und das war's. Aber ich denke nicht, dass das Pornografie ist. Es ist explizit - explizit und lang.
Lèa Seydoux: Es gab Abgüsse unserer echten Vaginen. Und die wurden uns dann mit Klebstoff zusammen mit Haaren angeklebt. (...) Es war wie beim Gynäkologen. Zuerst war es unangenehm, aber irgendwann haben wir mit den Maskenbildnerinnen geplaudert.
Adèle Exarchopoulos: Wir haben geplaudert und SMS geschrieben. Natürlich war das die ersten Male nicht toll. Aber danach fühlt man sich wirklich frei, man kann jede Bewegung machen. Wir wussten, dass das so echt aussehen würde, dass sich die Zuschauer fragen würden: Haben die beiden nun miteinander geschlafen oder nicht? (Quelle: Interview Magazin/fm4)

Ach ja, eure Voyeurismus-Vorwürfe könnt ihr euch bitte einrexen, liebe Kritiker-KollegInnen. Nicht, dass sie grundsätzlich falsch wären. Aber Kino ist nun mal eine voyeuristische Kunstform, die das hemmungslose Hinstarren erlaubt, nein - erfordert, und zwar dort, wo es im wirklichen Leben ein Affront sondergleichen wäre.

Berechtigter als die doofen Voyeurismus-Vorwürfe ist die Frage, ob ein männlicher Regisseur befähigt ist, das Liebesleben zweier junger lesbischer Frauen glaubwürdig einzufangen. Abdellatif Kechiche betont in Interviews stets die Universalität seiner Geschichte. Nichts läge ihm ferner, als einen Gender-Diskurs lostreten zu wollen. Wörtlich: "Es war mir sehr wichtig, das Thema Homosexualität im Film vergessen zu machen. Die Zuschauer sollen sich mit den Figuren identifizieren, unabhängig von ihrer sexuellen Präferenz. Ich hatte Angst, mich zu frontal diesem Thema zu stellen. Militanz hätte den Film auf die Community der Interessierten beschränkt."
(Quelle: Der Standard)

La vie d'Adèle - Blau ist eine warme Farbe Bild 1
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FAZIT:

Intensiv und im Wortsinne hautnah erzählt La Vie d'Adèle eine universelle Liebesgeschichte zwischen zwei Frauen: Sinnliches, explizites Körperkino, drei Stunden lang und keine Sekunde langweilig. OmU im Gartenbaukino.

WERTUNG: 8 von 10 Teller Spaghetti
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Marcel | 22.01.2014 12:46
Der seltene Fall, dass Harald mal zu tief greift. Gefühlsachterbahn. 9 von 10 ausgeschlürften Austern.
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Fedi | 14.01.2014 12:16
Meine einzige Frage zu dem Film: wann springt Uwe
Boll auf den Arthouse-Blockbuster Zug auf? Ansonsten
hör ich überall nur Gutes über diesen Film, wobei
aber immer nur die "Direktheit" angesprochen wird -
die wiederum dann mit der "authentischen" Sexszene
untermauert wird. Naja. Meine Erwartungen sind nicht
hoch, aber "mal schaun".
Harald | 14.01.2014 13:35
Den Herrn kenn ich zu wenig ...
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