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Lange Nacht

Lange Nacht

HORROR: DEUTSCHLAND, 2009
Regie: Till Kleinert
Darsteller: Sarah Baumann, Isabelle Höpfner, Sebastian Stielke, Volkram Zschiesche

STORY:

Die Clique von Robert und Friederike. Scheinen ja alles ganz nette Jungs und Mädels zu sein. Auch wenn sie so aussehen, als hätten sie früher in einer Waldorfschule zusammen ihren Namen getanzt. Nun im besten Studentenalter ist man gemeinsam auf dem Fahrrad unterwegs. Leider führt die Tour direkt zum EDEN LAKE. Besser gesagt, zur ostdeutschen Entsprechung desselben. Hier erwarten sie zwar keine pubertierende Hooligans, sondern ein rechtsradikaler Schlägertrupp. Aber auch der ist noch halbwegs harmlos im Gegensatz zu dem, was aus dem dunklen Waldboden kriecht und das Ende der Welt einläutet…-

KRITIK:

Man könnte also auch sagen, dass Till Kleinert in seinem ersten abendfüllenden Spielfilm aus dem Grundgerüst der EDEN LAKE-Handlung einen ALONE IN THE DARK-Flick macht. Weil er zu den kahl geschorenen auch noch andere Geschöpfe der Finsternis addiert; und zwar solche, die wie ihre Artgenossen aus den alten Videospielen jeden Lichtschein meiden müssen…

Anfangs wirkt LANGE NACHT aber auch so, als hätte die Theater AG der Oberstufe versucht, einen Horrorfilm zu inszenieren. Und so etwas schreiben zu müssen, tut mir in der Seele weh. Weil LANGE NACHT aus dem Independent-Bereich des (deutschen) Horrorfilms kommt. Was wiederum bedeutet, dass hier junge Leute dahinter stehen, die mit viel Herzblut und Einsatz ihren ersten Film gemacht haben. Dass die Beteiligten Spaß an der Sache hatten, zeigt das sympathische Making Of. Dort erweist man sich auch als kinobegeistert (oder Filmstudent?) genug, um in einem amüsanten Kontext aus der SEHNSUCHT DER VERONIKA VOSS zu zitieren.

Technisch schlägt sich die LANGE NACHT für ein Erstlingswerk aus dem filmischen Untergrund, welches zudem noch die meiste Zeit bei Dunkelheit spielt, ganz gut. Die schwierigen Nachtaufnahmen sind gelungen. Ebenso sind alle Dialoge klar verständlich und auch der Musikeinsatz passt. Allerdings dreht sich die Erwartungsschraube schon kurz nach dem Vorspann nach unten, als einer der Protagonisten im Bahnhof von "Dodge City", Brandenburg ankommt und von zwei ca. 11-jährigen arischen Springmesserbuben in Empfang genommen wird. Anstatt die beiden Rotzlöffel mit den blonden Haaren voran in die nächste Mülltonne zu stopfen, muss er sich von der toughen Friederike retten lassen. Dabei stehen die Darsteller der beiden Jungs äußerlich betrachtet braven Kommunionskindern viel näher als der osteuropäischen Straßenkinderfront of HOSTEL or THEM-Fame.

Auch auf schauspielerischer Ebene scheint anfangs noch Luft nach oben zu sein, wobei man fairerweise betonen muss, dass eine Isabelle Höpfner, eine Sarah Baumann oder ein Volkram Zschiesche deutlich über dem Durchschnittsniveau spielen, dass einem früher im deutschen Nachwuchshorrorfilm angeboten wurde.

Das Hauptmanko ist ohnehin, dass die LANGE NACHT weit von der Klasse und Effizienz vergleichbarer Produktionen wie TEARS OF KALI, BUKAREST FLEISCH oder den österreichischen AUF BÖSEM BODEN entfernt ist. Mit den dunklen Kreaturen hat man zwar ein originelleres Moment in den Plot gebracht, aber dieser Trumpf wird viel zu selten ausgespielt. Kleinert gönnt ihnen nur zwei, drei gute Szenen. Als gelungen würde ich ihren Einstand und das Auftauchen in der Schlusssequenz werten; als delikat die Minute, in der wir Zeugen werden, wie ein Rudel dieser hünenhaften Schattenwesen einen Strommasten umreißt.

Doch wirklich erschreckend wird die LANGE NACHT nie. Auch in Sachen Spannung legt der Film erst im Schlussdrittel merklich zu, bevor er uns aus diesem mit vielen offenen Handlungssträngen und Fragen entlässt. Leider wirkt die Geschichte dabei nicht geschickt nebulös, sondern nur wenig durchdacht.

Kutteln und Kunstblut sucht man in diesen brandenburgischen Wäldern ebenfalls vergebens. Ich kann das dem Film verzeihen, bezweifle aber, ob der gore-fixierte Teil des Fandoms dazu in der Lage sein wird. Insbesondere beim deutschen Indie-Horrorfilm misst der ja den Filmwert gerne in Hektolitern. Und da hat Kleinerts Debüt denkbar schlechte Karten.

Dem entgegen steht allerdings eine Auszeichnung zum besten Erstlingswerk auf dem Raindance Festival 2009 und die Tatsache, dass mit Koch Media ein namhaftes Label dem Film zu DVD-Ehren verhilft.

Lange Nacht Bild 1
Lange Nacht Bild 2
Lange Nacht Bild 3
Lange Nacht Bild 4
Lange Nacht Bild 5
FAZIT:

Nichts Gutes erwartet eine Clique harmloser, junger Leute in den dunklen Wäldern Brandenburgs. Okay, mit saufenden Wehrsportlern in Tarnfleck muss man dort immer rechnen, aber dass auch Hulk-ulöse Schattenwesen durchs Unterholz schleichen, ist dann doch eine böse Überraschung…- Bevor wir zur Punktevergabe schreiten, gleich der Hinweis an die Lieben Freunde von INCEPTION: Da LANGE NACHT eine Produktion aus dem deutschen Independentbereich ist, gilt hier ausdrücklich nicht die INCEPTION-Richterskala!

Aber auch auf den Parametern für deutschen Indie-Horror kommt die LANGE NACHT trotz erkennbaren Herzblut kaum über knappe fünf Punkte hinaus. Zwar ist der Film handwerklich ordentlich und insbesondere im letzten Drittel nicht unspannend, aber alles in allem dürfte dieser etwas unausgegorene und vor allem völlig unblutige Horrorfilm beim Genrefandom einen schweren Stand haben. Ob die Empfehlung eines gewonnenen Preises beim Raindance Festival daran etwas ändern kann, wird sich zeigen müssen…

WERTUNG: 5 von 10 erlischende Lagerfeuer
TEXT © Christian Ade
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