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Lebanon

Lebanon

ANTIKRIEGSFILM: ISR, 2009
Regie: Samuel Maoz
Darsteller: Yoav Donat, Itay Tiran, Oshri Cohen, Michael Moshonov, Zohar Shtrauss, Dudu Tassa

STORY:

Der erste Tag des Libanon-Kriegs 1982. Der Soldat Shmulik und seine drei Kameraden rücken in einem Panzer zur Unterstützung einer Infanterie-Divison auf libanesisches Staatsgebiet vor. Eine Odyssee voller Unmenschlichkeit und Chaos beginnt.

KRITIK:

An diesen Film bin ich mit gemischten Gefühlen herangegangen. >Der Antikriegsfilm ist meiner Meinung nach ein Genre dem es vor allem in den letzten zehn Jahren sehr schwer fällt auf Dinge wie Patriotismus, Moral, Politik, erhobene Zeigefinger oder eine starke Schwarz/Weiss Zeichnung zu verzichten. Gerade der Nahost-Konflikt ist mittlerweile von politischen, ethischen und territorialen Diskussionen völlig überladen und so fällt es sicher auch Filmemachern schwer auf diesem Gebiet die nötige Objektivität zu wahren.

Im Vorfeld wurde der Film stark gelobt und hat zahlreiche Preise abgeräumt, unter anderem den Goldenen Löwen. Mit Recht!

Der Film beginnt ohne eine große Vorstellung der Charaktere und ohne Einführung in die Umstände des Krieges. Die Kamera befindet sich schon von Beginn an im Panzer, die Soldaten stellen sich einander vor und schon beginnt die Odyssee der vier israelischen Soldaten Shmulik, Jamil, Hertzel und Yigal. Schon in der ersten Szene wird einem die Kragenweite und die große Stärke des Films klar: Die Kameraführung und die erstklassige Vertonung.

Man verfolgt nicht die Soldaten bei ihrer Fahrt in dem Panzer, der Zuschauer nimmt nicht die Position des Publikums ein, nein, man sitzt mit ihnen zusammen in diesem Panzer. Die Höllenmaschine wird gestartet und schon dröhnen laute Motorengeräusche in dem nur wenige Quadratmeter großen Metallkäfig, Rauch und Dampf machen sich im Gefährt breit, alles wackelt und Dreck und Schmutz verteilen sich um die unerfahrenen Soldaten herum.

Den gesamten Film über verfolgt man das Geschehen außerhalb des Panzers durch den Sucher des Zielfernrohrs. Es gibt weder Kamerafahrten, Außenaufnahmen oder alternative Blickwinkel, die es zulassen würden, den Kriegshorror anders zu erleben als die Panzerbesatzung.

Auf diese Weise entsteht sehr schnell eine unglaublich klaustrophobische und paranoide Atmosphäre der man sich nicht entziehen kann. Ein Kammerspiel als Antikriegsfilm, das "Das Boot des Panzerfilms" wie auch auf dem DVD-Cover passend zu lesen ist.

Durch dieses einfache aber geniale Stilmittel erreicht der Film eine selten zuvor erlebte Tiefe, politische und ethnische Grundlagen des Konflikts werden ausgeblendet, denn es geht hier um die menschliche Komponente des Krieges. Menschliche Gesten, moralische Entscheidungen und ein Gewissen, so wird schnell klar, sind ein Luxus, den sich die Besatzung nicht erlauben kann.

Ein Krieg in dem Opfer und Täter schwer voneinander zu unterscheiden sind, wenn erst einmal die Gründe für den Konflikt ausgeblendet wurden. Einige Zeit vergeht bis zum ersten Gefecht. Umso größer ist dann die Wucht die einen beim ersten Schuss entgegenschlägt. Die Folgen dessen lassen einen dann ahnen was der Film zu sagen hat.

Die Charakterzeichnung findet auschließlich durch das Verhalten der einzelnen Personen statt, was aber auch sehr gut funktioniert und die Charaktere greifbarer macht. Trotz der kurzen Handlungsspanne von wenigen Tagen vollziehen diese aufgrund der Geschehnisse eine glaubwürdige Wandlung.

Der Regisseur Samuel Maoz hat diesen Film nicht umsonst gedreht. Selbst als 20-Jähriger im Libanon als Soldat eingesetzt, hat er bis heute mit den Erinnerungen zu kämpfen. Um diese zu verarbeiten hat Maoz bewußt diesen Blickwinkel für seinen Film gewählt.

"Es dauerte bei mir 20 Jahre, ehe ich die Stärke hatte, das Drehbuch zu schreiben, ich tötete Menschen während ich dort war. Der Film schaut auf sehr komplizierte Probleme."

Film als Therapie. Diese Tatsache stellt den Film thematisch und auch historisch in eine Reihe mit Waltz with Bashir von Ari Folman, der auch dessen Vergangenheitsbewältigung des Libanonkriegs in den 80er Jahren zum Thema hat. Waltz with Bashir legt den Blickwinkeljedoch eher auf das Massaker von Sabra und Schatila, bei dem vom 16. bis zum 18. September 1982 hunderte Menschen von libanesischen Phalangisten abgeschlachtet wurden. Eine genaue Opferzahl konnte bis heute nicht ermittelt werden.

Ein kompliziertes Thema, das nicht jedermanns Sache sein mag, aber auch ohne jegliche Vorkenntnisse kann Lebanon als erstklassiger Antikriegsfilm angeschaut werden. Nichts für schwache Nerven, zarte Gemüter sollten dann doch lieber die Finger von diesem Werk lassen. Einziges Manko sind einige kaum zu erwähnende Filmfehler, die wahrscheinlich erst nach mehrmaligen Ansehen auffallen.

Lebanon Bild 1
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FAZIT:

Film als Therapie: Regisseur Samuel Maoz arbeitet seine traumatisierenden Erlebnisse während des israelischen Libanon-Feldzugs 1982 auf. Das Ergebnis ist ein packender, klaustrophobischer Antikriegsfilm. Ein Muss für jeden Fan der anspruchsvollen Unterhaltung, starke Nerven vorausgesetzt.

WERTUNG: 9 von 10 Phosphorbomben, oh, ich meine natürlich Rauchbomben
TEXT © Djan Hajo
Dein Kommentar >>
Federico | 05.08.2011 14:57
Jetzt hast' die Kritik letzten Endes selbst geschrieben :) Hello & welcome auch von mir. Des Übrigen teile ich deine Meinung zu dem Film.
Djan | 14.08.2011 15:09
danke dir!!
>> antworten
toxic | 01.08.2011 01:07
Du meinst natürlich flammenden Rauch.
9 von 10 Sonnenblumen
Djan | 01.08.2011 01:45
die phosphorbomben? hab den film auf hebräisch mit englischen untertiteln gesehen, da hiess es immer smokebombs... :-)
toxic | 01.08.2011 13:02
OK. Ich hatte die deutsche Synchro. Die aber auch gut ist.
>> antworten