DRAMA/KOMÖDIE: GB, 2009
Regie: Ken Loach
Darsteller: Steve Evets, Eric Cantona, Stephanie Bishop, Gerard Kearns
Der dürre Postbote Eric Bishop (Steve Evets) hat einige Probleme und da er nicht weiß wie damit umzugehen, befördert er sich direkt aus dem englischen Kreisverkehr, über die kontinentale Fahrtrichtung, in das nächste Krankenhaus. Spätestens jetzt wird seinen Kollegen und Fankameraden von Manchester United bewusst, dass es nicht gut um ihren Kumpel steht. Seine Stiefsöhne Ryan (Gerard Kearns) und Jess (Stefan Gumbs) scheinen seine Abwesenheit indes gar nicht wahr genommen zu haben; Playstation und Joint sei dank. Eine Frau gibt es nicht, denn seine große Liebe Lily (Stephanie Bishop, mit ihrem Filmdebut) hat Eric dummerweise vor 30Jahren mit seiner frisch geborenen Tochter Sam sitzen lassen.
Hier sind wir auch schon bei Erics Kernproblem angelangt, denn er liebt Lily noch immer über alles, kann ihr aber wegen seines miserablen Gewissens und degeneriertem Selbstbewusstsein nicht mehr unter die Augen treten. Die Versuche seiner Freunde, ihn zurück in die Bahn zu bringen scheitern vorerst. Eric sucht sein Seelenheil zunächst lieber beim Kiffen und dabei trifft er auf Eric Cantona (Eric Cantona), die Fußballlegende von Manchester United und sein persönlicher Lebensmensch. Cantona spricht mit Eric, gibt ihm Weisheiten mit auf den Weg und stupst ihn hie und da in die entscheidende Richtung. Auch wenn der Ärger für Eric, nach Cantonas Auftauchen, eher zu- als abnimmt, es steckt mehr in ihm und seinem Umfeld, als er sich zugestehen will und vielleicht sogar die Lösung seiner Probleme.
"When the seagulls follow the trawler, it's because they think sardines will be thrown into the sea."
Diese Worte schrieb nicht etwa Konfuzius oder Nietzsche, noch sind sie einem Call-In-Quiz entnommen, sondern sie stammen aus dem Mund des ehemaligen französischen Ausnahmestürmer und Helden von Manchester United: Eric Cantona.
Cantona bekleidet in Ken Loachs neuem Werk eine Rolle, die ihm von seinen Fans schon länger zugeschrieben wurde, die einer göttlichen Erscheinung, eines Geschenk Gottes.
Eric Bishop hingegen, der einfache Postbote aus Manchester, ist eher der englische, durchschnittliche Arbeiter mit einem riesigen Haufen hausgemachter Probleme. Eric ist der Protagonist dieser erstklassigen Millieu-Komödie und er ist Cantonas größter Verehrer. Mannsgroß hängt ein Poster der berühmten Nummer 7 neben seinem Bett.
Bei LOOKING FOR ERIC geht es nicht um die reine Ikonisierung Cantonas, sondern, wie so oft bei Ken Loach, um die erdigen Probleme des kleinen Mannes.
Es ist einfach nicht abzustreiten, dass Ken Loach prädestiniert ist für die authentische filmische Umsetzung von ehrlichen Geschichten aus dem Leben einfacher Leute, mit denen es der Rest der Gesellschaft nicht immer gut meint.
Das sozialistisch, humanistische Weltbild von Loach wird in diesem Fall mit einer kräftigen Prise Fußball gewürzt. Ursprung des Drehbuchs war nämlich ein Exposée von Eric Cantona über das Verhältnis eines Fußballstars zu seinen Fans. Zusammen mit seinem Drehbuchautoren Paul Laverty schrieb Loach dann innerhalb von nur zwei Monaten das Drehbuch.
Dass der kameraphine Cantona (verheiratet mit der französischen Schauspielerin Rachida Brakni) die Rolle des Fußballstars gleich selbst übernimmt ist ebenso naheliegend wie genial. Cantona legt eine derartige Präsenz an den Tag und spielt sich selbst auf solch eine selbstironische und uneitle Art und Weise, dass man sich ihm unmöglich entziehen kann und man auf ein baldiges Wiedersehen auf der Leinwand hofft.
Dabei darf man nicht vergessen, dass die Geschichte gar nicht von ihm handelt und er eigentlich durch einen beliebigen anderen "Star" oder Mentor ausgetauscht werden könnte. Aber Eric Bishop ist nun mal ManU-Fan und da kann es nur einen geben und jede andere Fußballer-Besetzung wäre sicher nicht so spannend und amüsant wie dieser Urknall von einem Kerl. Auch die fiktiven Figuren sind einmal mehr mit hervorragenden Schauspielern ohne große Namen besetzt.
Ken Loach konzentriert sich nicht auf die Ikonisierung eines gereiften Fußballers, sondern erzählt gefühlvoll und mit britischem erdigen Humor, zwar keine von Grund auf neue Geschichte, aber eine individuelle und mitreißende.
Als Fußballjünger mit gesundem Fachwissen hat man vielleicht drei Lacher mehr als der ungläubige Rest des Publikums, aber auch die Freundin kann man guten Gewissens mit in diese englische Filmperle nehmen. Man(n) könnte dabei jedoch Gefahr laufen von seiner Geliebten gefragt zu werden, ob solch einfache Gründe, wie sie hier von Eric Bishop angeführt werden, auch bei einem selbst dazu ausreichen würden die Angetraute mit Kind sitzen zu lassen?
Doch Single oder Couple, es lohnt sich wahrlich diesen Film zu sehen.
Falls danach eigene Probleme an den Tag treten sollten: einfach einen kiffen.
Auch in 2D kann Kino noch packend und bewegend sein, und statt großen BummBumm reicht auch mal eine Horde echter Hooligans. Ansonsten überzeugt Ken Loach mit glaubwürdigen Schauspielern, gutem englischen Humor, einem fantastischen Eric Cantona und einer hervorragenden Verbindung von Fußball und Film.
PS: Am besten natürlich OmdU schauen und beim Abspann erstmal sitzen bleiben!