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Lost After Dark

Lost After Dark

HORROR: Kanada, 2013
Regie: Ian Kessner
Darsteller: Alexander Calvert, Elise Gatien, Eve Harlow, Robert Patrick

STORY:

Wenn wir bei FILMTIPPS.at eine 80er Jahre-Party feiern, dann tanzen wir nicht mit frisch gesträhnten Vokuhilas zu seltsamer, Neue Deutsche Welle genannten Musik in den Redaktionsräumen umher, sondern werfen all unsere vorsintflutlichen Slasherfilme in einen (an Jasons Maske aus FRIDAY THE 13TH 2 gemahnenden) Kartoffelsack und ziehen uns jeden Abend einen raus und rein. Und gerade feiern wir wieder eine unserer berüchtigten 80er-Partys. Feiert mit und lauscht den...

Geschichten aus dem Slasher-Kartoffelsack, Teil 5; Heute: LOST AFTER DARK aus dem Jahr 198...Was zum...- 2013?!? Cut! Verdammt noch mal. Cut!!! Harald, wir haben ein Problem...

KRITIK:

Nochmal checken, ob wir das Ritual korrekt durchgeführt haben. Schwarze Redaktionsmesse Schlag Mitternacht anberaumen. Jep. Die nachtblauen Kutten und die weißen Hockeymasken anlegen. Jep. Auf den Boden ein Pentagramm aus Kanonenfutterblut und Final Girl-Blut und Tränen zeichnen. Jep. Nun den Slasher-Kartoffelsack mittig in den unheiligen Fünfstern legen. Jep. Alle Redaktionsmitglieder sprechen fünfmal "Jason" in den Spiegel, während Kollege Limbrunner auf der Orgel das ikonische Halloween-Thema intoniert. Ok. Haben wir gemacht. Und dann folgte auch der erwartete Moment, wo plötzlich glühender, nach Brackwasser des Crystal Lake stinkender Nebel aufsteigt und der Kartoffelsack einen Slasher aus der vorvorvorletzten Dekade ausspeit.

Nur dass er diesmal nicht BLUTWEIHE oder HOUSE ON SORORITY ROW oder ein anderes Relikt aus der guten, alten Slasherfilmzeit offenbart hat, sondern einen brandaktuellen Film, der erst dieser Tage von Mad Dimension in die Läden gebracht worden ist. Was ist passiert? Slasherkartoffelsack kaputt? Hat sich Jo beim Orgelspiel im Ton vergriffen oder hat der Praktikant wieder "Candyman" statt "Jason" in den Spiegel geflüstert?

Nehmen wir das merkwürdige Geschenk des Slashersacks einmal genauer in Augenschein. LOST AFTER DARK heißt der Film. Auf dem Cover der DVD umschließen blutverschmierte Finger den Stiel einer mächtigen, blutverschmierten Hacke. Im Hintergrund sehen wir eine Gruppe junger Leute arglos trottelig auf ein finsteres Haus in einem nächtlichen Wald zumarschieren. Dramatischer ausgedrückt: schnurstracks ins Verderben laufen. Denn laut Klappentext handelt es sich bei dem abgebildeten Kanonenfutter um Teenager in Partylaune, die nach einer Autopanne ausgerechnet auf dem halbverfallenen Gut eines alteingesessenen Mörder- und Kannibalenclans nach Benzin suchen. Ok, wir befinden uns im richtigen Genre. Nun zum Frisuren- und Klamottencheck: Collegejacken, eine toupierte Discoschnecke, eine Depeche Mode-Gedächtnisfrisur. Ergo: Unsere jugendlichen Delinquenten haben den 80er Style. Nur das auf der DVD angegebene Produktionsjahr passt nicht so recht ins Bild. Laut diesem stammt LOST AFTER DARK nämlich aus dem Jahr 2013.

Knapp 84 Minuten und einem gepflegten Body Count später sind wir schlauer. Der Slasherkartoffelsack hat diesmal keinen Schlitzerfilm aus den 80ern kredenzt, sondern einen Schlitzerfilm von heute, der einen Schlitzerfilm aus den 80ern hommagiert.

Der junge Kanadier Ian Kessner hat nicht nur die Handlung in die Achtziger verlegt; er hat seinen ganzen Debütfilm so inszeniert, als hätte er ihn tatsächlich anno 1984 gedreht. In jeder Sekunde ist LOST AFTER DARK eine Zeitreise in die Vergangenheit. Dorthin, wo der Slasherfilm in seiner Blüte stand. Kessner hat quasi "Copy & Paste" gedrückt.

Eindeutig, wem mit LOST AFTER DARK gehuldigt werden soll. Sean, Cunningham, Wes, Craven, Tobe, Hooper, Marilyn, Adrienne, Jamie, Johnny, Carpenter... Die Rollennamen sprächen Bände. Kessner hat nicht nur seine hehren Vorbilder, sondern auch alle gängigen Klischees des Genres genaustens studiert. Sean, Jamie, Heather, Wes und Konsorten verkörpern konsequent Slasherfilm-Stereotypen. Da ist der smarte Boyfriend; das Dummchen, der Dicke, die Ruchlose, der Sportler und natürlich die brave, jungfräuliche Unschuld vom Lande. Eine Filmhalbzeit dauert es bis diese illustre Gruppe ihrer Nemesis in der hünenhaften Gestalt eines verwahrlosten, kannibalistischen Rednecks begegnet, um dann in der zweiten Hälfte der Reihe nach abgeschlachtet zu werden.

Die Mordszenen sind definitiv kein Gore galore, aber auch nicht unblutig. Soll heißen, dass die Kamera nicht ausblendet, wenn eine Messerspitze in einen Augapfel dringt oder eine FORKE DES TODES graphisch zum Einsatz kommt. Dabei sind die Schlachtlämmchen von der High School naiv wie eh und je. Anstatt in den Wald zu fliehen, verbirgt man sich bisweilen lieber dämlich in Verstecken, wo jedes Kindergartenkind als erstes nachsehen würde. Und natürlich stirbt man dann mit einem verwunderten Gesichtsausdruck, der dem Zuschauer verzweifelt sagen möchte: Gott, wie konnte mich der Kannibale mit der Mistgabel nur aufstöbern? Ich hatte mich doch so gut versteckt in seiner Scheune. Und da war doch eine Plane über dem kaputten Auto. Und ich saß doch auf dem Rücksitz und... Na ja. Was solls. Schließlich wäre der Body Count in Slasherfilmen nur halb so groß, wenn die potentiellen Opfer tatsächlich mal so etwas wie Fluchtinstinkt entwickeln würden...

Der Killer ist übrigens ein degenerierter Hinterwäldler namens Junior Joad. Ein Name, der jedoch schon bald wieder Schall und Rauch sein dürfte. Junior geht seinem Handwerk zwar ähnlich erbarmungslos und wortkarg wie Jason nach, aber es mangelt ihm völlig an dessen Wiedererkennungswert. Vergleicht man sein Äußeres mit den Idolen, die in den 80ern Teenager, Studenten, Camper mit oder ohne Vokuhila gemeuchelt haben, wirkt Klischee-Hinterwäldler Junior erschreckend langweilig.

Mehr in Erinnerung bleiben da fast schon die beiden bekannten Gesichter aus den tatsächlichen Achtzigern, die Regie-Neuling Kessner für sein Debüt gewinnen konnte. Zum einen hat Rick Rosenthal, der Regisseur von HALLOWEEN 2 und HALLOWEEN: RESURRECTION, ein kleines Cameo als Sheriff und T-1000 Robert Patrick aus dem zwoten TERMINATOR tritt nicht nur als großmäuliger Konrektor, sondern auch als möchtegern-tougher Kriegsveteran (O-Ton: "Ich habe die Vietcongs selbst in der Regenzeit aufgespürt.") in Erscheinung. Sein Showdown mit dem Killer sorgt für das größte Schmunzeln.

Mit seinen vielen eingestreuten insbesondere an die FREITAG, DER 13.-Reihe addressierten Reminiszenzen ist LOST AFTER DARK keine unsympathische Hommage, aber eben auch nicht die cleverste. Kessner hat es versäumt, das Spiel mit den Klischees mit mehr Augenzwinkern und Ironie zu würzen. Stattdessen verlässt er sich aufs bloße Rezitieren aus dem simplen, althergebrachten Regelwerk des Slasherfilms. Damit bleibt LOST AFTER DARK von Anfang bis Ende vorhersehbar. Einzig und allein die Reihenfolge der Ableben sorgt für wirkliche Überraschungsmomente. Hier springt nämlich das designierte Final Girl lustig als erstes über die Klinge und auch danach nimmt der Body Count einen unerwarteten Verlauf, so dass am Ende Nebenpersonen am längsten durchhalten...

Lost After Dark Bild 1
Lost After Dark Bild 2
Lost After Dark Bild 3
Lost After Dark Bild 4
Lost After Dark Bild 5
Lost After Dark Bild 6
FAZIT:

Mit LOST AFTER DARK drückt der kanadische Regie-Neuling Ian Kessner die "Copy&Paste"-Taste und huldigt mit Retrostyle, moderat blutigem Body Count und dem genüßlichen Ausspielen gängiger Genreklischees dem Schlitzerfilm der 80er Jahre. Insbesondere vor der FREITAG, DER 13.-Reihe wird sich des Öfteren verbeugt. Ein anderer Killer als den äußerlich langweiligen Zausel von der Redneck-Stange und eine Schippe mehr Ironie; dann hätte der im Grunde stilsicher in Szene gesetzte Film richtig Spaß gemacht. Dennoch ist LOST AFTER DARK keine unsympathische Hommage. Eher ein kleiner netter One Night Stand für Slasherfans. Man erzählt ihn nicht stolz herum, bereut ihn aber auch nicht. Punktetechnisch liegend zwischen 5 und

WERTUNG: 6 von 10 todsicheren Verstecken
TEXT © Christian Ade
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Dein Kommentar >>
lady snowblood | 17.03.2016 06:59
.....ein kleiner one night stand..... süüüüüüß!!!
lady snowblood | 17.03.2016 07:00
p.s gibt es auch ein grossen one night stand???

xoxo
lady s.
>> antworten
Erich H. | 10.03.2016 11:55
Sehr amüsant. Und falls der Limbrunner bei der nächsten Orgel-Session wieder die falschen Tasten, Pfeifen - oder wie sagt man da - erwischt, bringe ich ein paar Austro-Nicht-ganz-NDW Schallplatten mit (Yes, denn wir sind in den 80ern) "Der Fritze mit der Spritze" oder "Werwolf-Attacke" bzw. den Klassiker "Es lebe der Zentralfriedhof" würden mir da spontan einfallen.
Chris | 11.03.2016 06:46
"Es lebe der Zentralfriedhof", haha. Rein vom Titel würde das Lied aber besser ins Rahmenprogramm unserer 80er Jahre Zombie-Party passen...^^
>> antworten
Johannes | 07.03.2016 12:11
Der Slasher-Zausel sieht aus wie Rob Zombie.^^

Sehr unterhaltsame Kritik übrigens. Und beim nächsten Mal geb ich mir mehr Mühe an der Orgel. :D
Chris | 07.03.2016 19:31
Danke. : ) Aber wahrscheinlich lag es nicht an deinem virtuosen Orgelspiel, sondern der Praktikant war mal wieder schuld. PS: Stimmt. Rob Zombie. ^^
>> antworten