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Lost River

Lost River

DRAMA: USA, 2014
Regie: Ryan Gosling
Darsteller: Christina Hendricks, Saoirse Ronan, Eva Mendes, Ben Mendelsohn

STORY:

Wir befinden uns in einer menschenleeren, halbverfallenen Stadt namens Lost River. Der Fluß wurde aufgestaut und hat die Gegend überflutet. Wer kann, verlässt die Stadt. Billy, eine alleinerziehende Mutter, kann nicht weg. Zu hoch sind die Schulden auf ihr Haus. Der zwielichtige Bankbeamte macht ihr ein unmoralisches Angebot. Ihr Sohn wird von einem psychopatischen Gang-Leader verfolgt. Und immer wieder gehen Häuser und Autos in Flammen auf. Liegt wirklich ein Fluch über dieser Stadt, wie Rat, das Nachbarsmädchen behauptet?

KRITIK:

Nun kommt es ja doch noch ins Kino, das heiß ersehnte Regie-Debut von Ryan Gosling. Nach den Buh-Rufen in Cannes 2014 und der Hacker-Attacke auf Sony fiel ja die Entscheidung, LOST RIVER in den USA direkt auf DVD zu vermarkten. Ein Straßenfeger scheint LOST RIVER ohnedies nicht zu sein. Diesen Freitag um 18.00 hatte ich den Kinosaal tatsächlich ganz für mich alleine.

Ryan Gosling, allseits geschätzter Posterboy der männlichen Entfremdung und Zerrissenheit, mag vielleicht kein großer Erzähler sein. Aber ein Gefühl für Rhythmus, Licht und Farben kann man ihm schwer absprechen. Der radikale Ästhetik-Diktator Nicolas Winding Refn, der mit Gosling einen umjubelten und einen eher umstrittenen Film gedreht hat, wird im Abspann dankend erwähnt. Sein künstlerischer Einfluss ist ohnedies unübersehbar.

Die Kamera von Benoît Debie (SPRING BREAKERS, ENTER THE VOID) zelebriert förmlich ihre Fahrten durch eine visuelle Albtraumwelt aus (blut)rot ausgeleuchteten Innenräumen, schaurig-schönen Naturaufnahmen und brennenden Häusern. Frage: Gibt es eigentlich einen Pyrotechnik-Oscar? Falls ja, hätten wir hier einen würdigen Kandidaten.

Angetrieben wird der Film von einem elektronisch pulsierenden Soundtrack von Chromatics-Mastermind Johnny Jewel. Bild und Ton vermengen sich zu einem audiovisuellen Kunstwerk, auf das man sich einfach einlassen muss.

Eruptive Gewaltausbrüche wie etwa in DRIVE sind dünn gesät; der Film setzt weniger auf explizite Schockmomente als auf eine unwirkliche, geisterhafte Stimmung, wo sich die Bedrohung langsam, aber intensiv aufbaut.

Wer Spaß daran hat, kann die Referenzen zählen: Ein Gutteil des Films spielt in einem morbiden Nachtclub irgendwo zwischen BLUE VELVET und DEEP RED, wo der Tod schwarzes Leder trägt und in allen Farben der Dunkelheit leuchtet. Ja, Ryan Gosling kennt sich aus in der Filmgeschichte und nennt eine Vorliebe für farbenprächtige Giallo-eske Bilderwelten sein Eigen. Guter Mann!

Lost River Bild 1
Lost River Bild 2
Lost River Bild 3
Lost River Bild 4
Lost River Bild 5
Lost River Bild 6
Lost River Bild 7
FAZIT:

Ryan Goslings Regie-Debut: Ein surrealer Fiebertraum von einem Mystery-Drama, das letztlich von sehr realen Abstiegs- und Existenzängsten handelt. Wer versucht, LOST RIVER auf Handlung, Logik und Plausibilität abzuklopfen, hat schon verloren. Viel besser, man lässt sich vom überwältigenden Bilderstrom dieses Films einfach treiben und mitreißen.

In diesem Sinne: "I wanna break the spell!"

WERTUNG: 8 von 10 brennenden Straßenlaternen im See
Dein Kommentar >>
Mindripper | 30.05.2015 19:07
Einer der bestem Filme, die ich dieses Jahr gesehen habe. Die
Szenen im Grand Guignol Theater hatten mich an Dario
Argentos Filme erinnert (in die Szene, in der sich die Mutter das
Gesicht 'abschneidet', war eine Einstellung drin, der aus Suspiria
hätte kommen können. Der Film ist manchmal ziemlich
deprimierend, aber auch spannend. Die kurzen Gewaltszenen
waren effektiv. Nur der Typ, dem das Grand Guignol Theater
gehört, war sehr lächerlich (sein Tanz war wirklich überflüssig).
Dennoch ist es ein gutes Coming-Of-Age Drama mit
Horroranleihen und Giallolook. 09/10
Harald | 30.05.2015 21:09
Lächerlich, ja, aber auf eine unheimliche,
bedrohliche Art. Der Tanz und vor allem die
Gesangseinlage haben mir sogar sehr gut gefallen.
Das war doch der beste Nick Cave-Song, der nicht
von Nick Cave ist.
Mindripper | 30.05.2015 21:21
Die Gesangseinlage selbst hat mich nicht gestört (sie hat mich
an Only God Forgives* erinnert). Eher die Tanzeinlage bei der
Szene zum Schluss. Den ganzen Film lang wollte ich erfahren,
was es mit dem Raum auf sich hat (das machte den Film sogar
ein bisschen unheimlich, da man nicht richtig weiß, was es mit
diesem Raum auf sich hat, die Fantastie malt einem die
verstörensten Bilder) und dann, beim Höhepunkt des Films für
beide Charaktere, beginnt dieser Typ, schlecht zu tanzen. Das
nahm dem Charakter die Bedrohung und machte ihn eher zu
einer Parodie seiner selbst. Man hätte das auch anders
darstellen können.

*Apropos Only God Forgives, bin ich der einzige, dem es so
vorkam, als ob der Film eine Mischung aus asiatischem Thriller
und Giallo ist? Die langen Kamerafahrten durch die bunten
Gänge erinneren mich an Suspiria, die Handabhackszene
erinnert mich an Tenebre und die Folterszene mit der
Rasierklinge (vor allem wenn das Auge dran glauben musste)
kommt mir wie eine direkte Anspielung auf New York Ripper vor.
Monika | 11.06.2015 13:51
Also mir könnte Ben Mendelsohn ja das Telefonbuch vorlesen und ich würd Gänsehaut kriegen und ihn dafür anbeten. Für mich kann der grad garnix falsch machen.
Und grad die Tanzszene fand ich in ihrer lynchesken Inszenierung und gegengeschnitten mit den beiden anderen Schauplätzen schon sehr effektiv.
Überhaupt: In der ersten Filmhälfte war ich irgendwie schon fasziniert aber mir nicht ganz sicher, wie gut ichs find. Aber ab der Hälfte hat mich der Sog voll erfasst gehabt. Sehr viel Respekt, wenn so ein Megastar so ein Scheißmirnix-Regiedebüt abliefert.
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