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Made in U.S.A.

Made in U.S.A.

ROADMOVIE: USA, 1987
Regie: Ken Friedman
Darsteller: Adrian Pasdar, Chris Penn, Lori Singer, Jacqueline Murphy

STORY:

Tuck (Christopher Penn) und Dar (Adrian Pasdar) lassen die Tristesse ihrer Heimatstadt in Pennsylvania hinter sich. Das Ziel ist Kalifornien, das Fortbewegungsmittel der Wahl ist alles, was vier Reifen hat und sich problemlos klauen lässt. Unterwegs lesen sie Annie (Lori Singer) auf, die eine Waffe dabei hat und das Kommando übernimmt.

KRITIK:

Klarer Fall von Youtube-Filmkonsum im Zeichen der Nostalgie: Zum ersten Mal hatte ich MADE IN U.S.A. in grauen VHS-Vorzeiten gesehen und ihn gleich ins Herz geschlossen. Es waren nicht nur die ziemlich offenherzigen Sexszenen, die mich damals schwer beeindruckt hatten. Es war auch die ausgesprochen beunruhigende Grundstimmung dieses Films, die mir in Erinnerung geblieben ist.

Man schrieb die späten Achtziger: Während martialische Action-Helden von John Rambo bis Colonel Braddock quasi die außenpolitische Linie der Reagan-Ära repräsentierten, bemühte sich das Independent-Kino um einen realistischen Blick nach innen. Was da zum Vorschein kam, passte so gar nicht zum edlen Amerikanischen Traum. MADE IN U.S.A. zeigt ein Land im wirtschaftlichen und ökologischen Niedergang. Auf ihrer Reise gen Westen lassen unsere juvenilen Outlaws keinen Katastrophenschauplatz der USA aus. Gedreht wurde an Originalschauplätzen: Die Reise beginnt in der Geisterstadt Centralia, Pennsylvania, wo seit Jahrzehnten ein unterirdischer Kohlebrand schwelt. Kommt uns das bekannt vor? Richtig, SILENT HILL wurde von davon inspiriert. Nächste Station ist Harrisburg, Pennsylvania, bekannt durch den Unfall im Kernkraftwerk Three Mile Island. Es folgt ein Stopover in der wegen Dioxin evakuierten Stadt Times Beach, Missouri. Schließlich ein Abstecher ins Indianer-Reservat Shiprock, New Mexico, das unter den Folgen des Uran-Abbaus leidet.

Soll noch einer sagen, filmtipps.at würde seinen Bildungsauftrag nicht erfüllen.

Die New Yorker Noiserock-Band Sonic Youth wurde für den Score verpflichtet. Allerdings schafften es nur zwei Songs in den Film. Laut IMDB gab es einen handfesten Streit zwischen Regisseur Ken Friedman und Produzent John Daly. Friedman schwebte offensichtlich ein radikales Crime-Drama mit Öko-Message vor, während Daly einen leichter zu vermarktenden Teen-Flick wollte. Daly setzte sich durch, während Friedmans Director's Cut nach einer Vorführung in Cannes 1987 in den Archiven verschwand.

Dalys Herumgeschnipsel dürfte auch der Grund dafür sein, warum der Film leider einen unausgegorenen Gesamteindruck hinterlässt: Es gibt Logiklöcher und Anschlussfehler sonder Zahl, ganze Handlungsstränge wirken wie aus dem Kontext gerissen, und die im Slang genuschelten Dialoge haben sich mir Nicht-Nativespeaker auch nicht immer vollinhaltlich erschlossen. Ich hatte aber auch nicht das Gefühl, weltbewegende Weisheiten versäumt zu haben.

Andererseits punktet der Film mit seiner bedrückenden Atmosphäre, dem Soundtrack und der für Roadmovies üblichen breitwandigen Bilder. Mit dem Unterschied, dass hier nicht nur landschaftliche Schönheiten, sondern Abbruchhäuser, kontaminierte No-Go-Areas, Bergwerke und Industrieruinen, die gewiss nie wieder "great again" werden, die Kulisse bilden.

Die Darsteller sind ziemlich gut: Adrian Pasdar (NEAR DARK) und Sean Penns viel zu früh verstorbener jüngerer Bruder Chris (RESERVOIR DOGS) stellen seinerzeit gängige Dresscodes juveniler Unangepasstheit zur Schau: Lange Haare, Lederjacke, Cowboystiefel, eh schon wissen. Lori Singer (FOOTLOOSE) gibt das crazysexycoole Girl mit der Knarre, das den Boys zeigt, wo's lang geht.

Großes Glück war dem Film nicht beschieden. In den USA wurde er direkt auf Video veröffentlicht. In Deutschland gab es immerhin einen Kinostart. Aus der peinlichen Tagline "Sie suchten etwas Fun ... Feelings ... einen Sinn fürs Leben" sprach die Ratlosigkeit, was man mit diesem zwar interessanten, aber mutwillig ruinierten Film anfangen sollte. Die Cinema immerhin schrieb von einem "fesselnden Aussteigerdrama". Möglicherweise hat man dort den Director's Cut gesehen.

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FAZIT:

MADE IN U.S.A ist ein obskures und weitgehend in Vergessenheit geratenes Indie-Roadmovie aus den späten Achtzigern. Interessant ist der Film aufgrund seiner Darsteller, der Musik von Sonic Youth und seiner Produktionsgeschichte: Offensichtlich als Crime-Drama mit starker Öko-Message intendiert, wurde der Film im Schneideraum verstümmelt und ruiniert. Die an Originalschauplätzen gedrehten Bilder von amerikanischen Umweltverbrechen sorgen aber immer noch für Beklemmung - und dürften mittlerweile als zeitgeschichtliches Dokument durchgehen. Trotz vieler Schwächen und Fehler würde sich eine Neu-Entdeckung lohnen. Traut sich ein mutiges Label da drüber?


 

WERTUNG: 6 von 10 geklauter 16-Tonnen-Trucks
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