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My Blueberry Nights

My Blueberry Nights

LOVESTORY: USA, 2007
Regie: Wong Kar-Wai
Darsteller: Norah Jones, Jude Law, Rachel Weisz, David Strathairn, Natalie Portman

STORY:

Elizabeth leidet unter Trennungsschmerz. Sie lernt den sympathischen Cafe-Besitzer Jeremy kennen, bei dem sie sich nächtens bei Blueberry-Pie mit Eis ausspricht. Es kommt zu einem Kuss. Doch will Liz nicht die gleichen Fehler machen und reist an die Westküste um sich ihrer Gefühle klar zu werden...

KRITIK:

Wong Kar-Wai Filme handeln von großen Gefühlen in kleinen Räumen, von Menschen, die eine Trennung überwinden müssen; Trennung schafft Schmerz, fordert Linderung. Und in My Blueberry Nights lindern Menschen ihre Trennungsschmerzen durch Ablenkung. Suchen Bars auf, betrinken sich, essen Kuchen, hauen ab oder stürzen sich jeden Morgen in den trivialen Alltag, auch wenn damit Träume zerstört werden.

Wong Kar Wai schafft es seinem Stil treu zu bleiben. Auch ohne Stamm-Kameramann Christopher Doyle ist er wie gewohnt nah bei seinen Leidenden, zeigt sie projeziert, hinter Glasscheiben, von Neonlicht beleuchtet, selten total, zeigt sie bunt und tragikomisch; wie sie Romantik leugnen, sich bedauern und sich selbst betrügen. Treu ist sich der Meisterregisseur auf jeden Fall geblieben.

Da ist zum Beispiel wieder dieser Schlüssel, der abgegeben wird. Der Schlüssel aus dem Lebensabschnitt, der nun zu überwinden gilt, der einem das Zuhause aufsperrte, das man mit dem Menschen teilte, von dem man meinte, man würde ihn für immer lieben und umgekehrt. Der Schlüssel als Relikt der Nähe, die man zu diesem Menschen hatte. Der Schlüssel als Gegenstand für Vertrauen. Den man sich aber nur geliehen hatte. Man wird geradezu gezwungen an 'Chungking Express' zu denken, an Tony Leung und Faye Wong. Die selbe Ausgangssituation, das selbe Ritual.

Und da beginnt bereits die Fassade des Werks (seinem ersten in Hollywood) zu bröckeln. Denn obwohl uns Wong mit all dem unterhält, was man über die Jahre so sehr von ihm zu schätzen lernte, übertrifft er sich hier kaum, sondern zitiert sich bzw. seine zauberhaften Hongkongfilme am laufenden Band. Geschwätzigkeit: großgeschrieben. Bedeutungsschwangere Anekdoten, platte, philosophische Floskeln, hohle Banalitäten, die sich die Protagonisten an den Kopf werfen. Keine Magie der Gesten.

So sehr sentimental sind dann letztendlich Dialoge, dass sie mich stellenweise arg frustrierten und ich mich beinhart fragen musste: "Warum?". Diese Frage stellte ich mir den ganzen Film, während hinter, vor und neben mir genüsslich gelacht, geschmollt und gekuschelt wurde. Ich bin nicht unfähig einen Film auch als Unterhaltung anzusehen, doch von manchen Regisseuren erwarte ich grundsätzlich mehr als nur Film, ich erwarte mir geballte Kinoqualität. - Bei In the Mood for Love zum Beispiel grins ich wie ein verliebtes Kind...

...aber zurück zu 'My Blueberry Nights':

Zum größten Malus vorweg: Ich kaufte den Darstellern ihre Rollen einfach nicht ab. Zwar spielen Jude Law und Natalie Portman gewohnt sympathisch und vielleicht auch natürlich, doch ergriffen sie mich persönlich nicht derart, wie die großen asiatischen Schauspieler es bisher in den Filmen des Regisseurs taten.

Während in Chungking Express die fremde Welt und deren zögerliche, einsame Figuren etwas Fabelhaftes vermittelten, sind es in Blueberry Nights just 1A Schauspieler, die versuchen natürlich zu sein, banalst Gefühle zu wecken und Intimität vortäuschen. Die eigentliche Hauptrolle Elizabeth, gespielt von Soulprinzessin Norah Jones, strengt sich zudem zu offensichtlich im Schatten ihrer Kollegen an. Auch hier hat Wong versagt. Der Cast bleibt mir ein Rätsel!

Schließlich die Charakterentwicklung der Elizabeth, die sich so unvermittelt und schlicht unterfordernd bewerkstelligt, dass man sich am Ende irgendwie auch veralbert vorkommen muss.

"Liz" erkennt in der spielsüchtigen Leslie tausend Kilometer entfernt von dem Mann, in den sie sich durchaus verliebt fühlen darf, ihr charakterliches Pendant. Während Liz Mühe hat jemanden nicht zu vertrauen, weigert sich Leslie überhaupt jemandem zu vertrauen. Liz erkennt ihr scheinbares Problem. Die Lektion wirkt schließlich wie eine naive Formulierung der homöopathischen Heil-Philosophie auf film- zwischenmenschlicher Plattform. Das Problem ist vom Zuschauer nur zu erahnen.

Die Motivation ihrer Reise war der Gedanke, einem Mann nicht wieder derart zu verfallen. Die Überlegung ist von sehr menschlichen Zügen inspiriert, doch hier filmisch vielleicht zu nebenbei ausgeführt. Das ist das Problem? Dass Liz zu sehr, zu leicht vertraut? Ist dieses Problem relevant für den Kontakt zu Jeremy? Offene Fragen... und auch hier das "Warum?"

Durchgehend erfüllt Trauer jede Szene des Films. Allerdings wird sie manchmal so fett durch den Kakao gezogen, dass es schon fast ungenießbar kitschig wirkt. Am besten zeigt sich dies im Kapitel mit Rachel Weisz und David Straithairn. Die junge Gattin Sue Lynn distanziert sich von ihrem besitzergreifenden Mann Arnie und sucht die Leidenschaft eines jüngeren. Arnie verfällt wieder der Trunksucht. Das ganze eskaliert. Arnie stirbt. Witwe heult und haut ab.

Überzeugung? Null! Vielleicht lässt John Cassavettes grüßen, doch letztendlich verblasst die dramaturgische Note dieser Episode wieder hinter Overacting-Aufguss und viel gekünstelter Sentimentalität. Die Episode wirkt neben einem John Cassavettes/Gena Rowlands-Film (immer wieder Vorbilder von Wong) wie ein MTV-Musicclip.

Wong hätte sich fragen müssen, wie er es in Happy Together geschafft hat, das gleiche Sujet von Nähe und nicht Loslassen können mit einer zutiefst spürbaren intensiven Stimmung zu vereinen. Waren es damals doch nur die Talente von Tony Leung und Leslie Cheung?

Dennoch, ein schlechter Kar Wai-Film ist für viele immer noch verzauberndes, charmantes Kino. Seine treuen Fans werden ihm diesen Ausrutscher wohl verzeihen müssen und hoffen, dass er sich nicht wie John Woo in den Staaten gemütlich macht und den Rest seiner Karriere damit zubringt seine alten Meisterwerke neu zu zitieren. Es wäre zu schade!

Jene, die nach romantischem Herzschmerzkino verlangen, werden jedoch Freude an dem Film haben. Werden lachen, werden schmunzeln, werden grinsen, werden entzückt in den Sesseln sitzen, bis der letzte Name im Abspann aufgetaucht ist und das Bedürfnis zu kuscheln haben. - Den seien auch die anderen Werke des Regisseurs ans Herz gelegt... !

My Blueberry Nights Bild 1
My Blueberry Nights Bild 2
My Blueberry Nights Bild 3
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My Blueberry Nights Bild 5
My Blueberry Nights Bild 6
FAZIT:

Auch die komischen Paradeszenen des Films können nicht von den Mängeln ablenken, die ein Fan des Regisseurs hier entdeckt. Dieser optische Feinkostfilm wirkt zu aufgesetzt. Zu platt, als dass er das Prädikat "gelungen" verdient.

WERTUNG: 6 von 10 weißen Chips
Gastreview von Nicolae
Dein Kommentar >>
Ralph | 06.03.2008 11:58
Die sind alle super. Aber Face/Off is besser;-)
Ralph | 06.03.2008 12:03
Nein, ok, Bullet in the Head ist objektiv gesehen sicher sein Meisterwerk. Aber Hard Boiled finde ich nicht so toll. Also bitte nicht falsch verstehen, ich finde den sogar sehr toll, aber es ist "nur" ein Action Film, während die anderen genannten doch auch auf dramatischer Ebene zu überzeugen wissen.
Nic | 06.03.2008 12:06
ich meinte das als antwort auf "the killer" ;)
>> antworten
Ralph | 05.03.2008 10:06
Also ich finde John Woos bester Film ist Face/Off und den hat er in den Staaten gedreht. Aber grundsätzlich gebe ich dir recht...
Nic | 05.03.2008 18:01
ich denke da eher an "Bullet in the Head"
Harald | 05.03.2008 21:34
'the killer' - kürzlich wieder gesehen. was für ein irrsinniger film.
Nic | 05.03.2008 21:56
dann müßte man auch "Hard Boiled" nennen :)
>> antworten
Nicolae David | 01.03.2008 16:52
Wah, Harald! der Beginn meiner Kritik ist ein wenig verunstaltet!! Bitte um Korrektur! ;-P
Nicolae David | 01.03.2008 16:59
.. Tim Roth spielt hier übrigens auch nicht mit! ;-)) - Zumindest hab ich ihn nicht entdeckt!
Nic | 01.03.2008 17:19
mit ihm wäre er sicher was geworden :p
Nicolae David | 01.03.2008 19:51
;-P
>> antworten
Nic | 01.03.2008 15:44
mich hat nur die story zwischen jones und law überzeugt, der rest ist mehr füll- als kunstwerk. schlimm welche rolle rachel weisz hier übernommen hat - hat ja sonst ein besseres gespür. von natalie portman wollma garned reden ;)
>> antworten