DRAMA/ACTION: USA, 2025
Regie: Paul Thomas Anderson
Darsteller: Leonardo DiCaprio, Sean Penn, Benicio Del Toro, Teyana Taylor, Chase Infiniti
Früher hat Bob Ferguson alias "Rocketman" (Leonardo di Caprio) als Sprengstoffexperte gegen das "Schweinesystem" gekämpft und Migranten aus ICE-Lagern befreit. Heute kämpft er mit dem Alkohol und darum, seine Teenager-Tochter irgendwie großzuziehen, während ein Feind aus der Vergangenheit wieder auftaucht. Bob wird um sein Leben rennen müssen ...
Meisterwerkalarm allerorts! Um es vorweg zu nehmen: Zu hundert Prozent kann ich nicht in den allgemeinen Meisterwerk-Kanon einstimmen. Aber zu 85-90%. Vielleicht die (kleinen) Kritikpunkte zuerst: Möglicherweise grenzt das an Gotteslästerung, aber zum ersten Mal hat mich ein Jonny Greenwood-Score - nein, nicht genervt, das wäre zu hart formuliert - aber doch irritiert. Vielleicht war es ja beabsichtigt, dass dieses Klaviergeklimper (sorry!) an den Nerven zerrt. Aber eben nicht auf eine gute Art.
Und ja, irgendwie hat man das Gefühl, dass Paul Thomas Anderson schon einmal fokussierter erzählt hat. Fluch der Roman-Adaption? Ich weiß es nicht, jedenfalls schien mir, dass hier, wie schon zuletzt bei LICORIZE PIZZA, ein bisschen der rote Faden fehlt und der Film zu viel von allem sein möchte: Revolutionärs-Parabel, Familiendrama, Politsatire und Actionfilm.
Ja, Actionfilm. Das ist die verblüffende Nachricht: Der Autorenfilmer Paul Thomas Anderson kann auch Action. Und wie. Es gibt die unglaublichsten Autoverfolgungsjagden in der Wüste seit - lasst mich nachdenken - VANISHING POINT zu sehen. Ein weißer Dodge Challenger gegen einen blauen Ford Mustang, verfolgt von einem kurzgeschlossenen uralten Nissan, der jede Sekunde auseinanderfallen könnte. Unterwegs mit Höchstgeschwindigkeit auf einem achterbahnartigen Wüsten-Highway, das muss man auf der größtmöglichen Leinwand, vorzugsweise in IMAX gesehen haben. Ohne Übertreibung jetzt: Bei diesen Szenen glaubt man zu fliegen, krallt man sich am Sessel fest. Kino - dafür werden Filme wie diese gemacht.
Überhaupt ist das der zupackendste, spannendste und unterhaltsamste PTA-Film seit BOOGIE NIGHTS. Schon der Einstieg ist furios: Eine Gruppe von linken Aktivisten- Trump würde sie hasserfüllt "linksradikale wahnsinnige Antifa" oder so ähnlich nennen - dringt in ein ICE-Lager an der mexikanischen Grenze ein, setzt die Wachen außer Gefecht und lässt Migranten frei.
Dabei kommt es zu einer sehr weirden Szene, die mit "sexueller Demütigung" nur unzureichend beschrieben ist. Linke RevoluzzerInnen, die ihre sexuelle Anziehungskraft als Waffe einsetzen - puh, heikles Terrain für einen alten weißen Mann wie den Autor dieser Zeilen. Die von einer Frau geschriebene Kritik im Kurier liest sich übrigens ziemlich - ahem - lyrisch: " .. die heißeste Revolutionärin seit Che Guevara. Wild wie eine Raubkatze sorgt sie als Revolutionärin Perfidia auf der Leinwand für Schnappatmung".
Die Rede ist von der Musikerin und Schauspielerin Teyana Taylor, die man sich unbedingt merken sollte. Ebenso wie die Newcomerin Chase Infinity als ihre Tochter Willa. Leo ist sowieso immer super (auch wenn ich mit seinem "The Dude"-Gedächtnisbademantel ein bisschen fremdle, muss ich zugeben), und Benicio del Toro hat noch nie etwas falsch gemacht. An Sean Penn dürften sich abermals die Geister scheiden: Ist das eine oscarverdächtige schauspielerische Spitzenleistung oder waffenscheinpflichtiges Overacting? Wahrscheinlich beides. Begegnen will man seinem Colonel Lockjaw (was für ein Name) eher nicht, und es ist schon bemerkenswert, wie Paul Thomas Anderson es schafft, diese Figur komplett lächerlich und furchteinflößend zugleich wirken zu lassen.
Natürlich kann man nicht anders, als den Film als Kommentar zur wenig erbaulichen Lage Amerikas lesen. Gemeinsam mit CIVIL WAR, LEAVE THE WORLD BEHIND und dem Streaming-Tipp MOUTAINHEAD würde er gut in eine Lange Nacht der dystopischen Filme über die USA passen. Doch im Gegensatz zu den genannten Streifen verlässt man ONE BATTLE AFTER ANOTHER in einer ganz anderen Stimmung. Er zieht nicht runter, er sorgt nicht für Albträume, er unterhält im besten Sinne, er feiert die Hoffnung und das Humanistische. Für Trumpies und MAGAs ist der Film wenig überraschend eher nichts, und wohl auch nicht für Transdanubien. Im riesigen IMAX-Saal meines Stamm-Kinos nördlich der Donau saßen an diesem Freitagnachmittag vielleicht 15 Leute.
Ob und wie ONE BATTLE AFTER ANOTHER seine angeblichen Produktionskosten von 150 Millionen wieder einspielen wird, steht in den Sternen. Andererseits: Warner schwimmt eh im Geld und braucht Steuerabschreibposten. Eine gute Nachricht, dass man Anno 2025 einem störrischen Autorenfilmer kreative und finanzielle Narrenfreiheit gibt.
Paul Thomas Anderson kann auch Action - und wie. Meisterwerkalarm (mit Abstrichen). UNBE-FUCKIN-DINGT im Kino ansehen, auf der größtmöglichen Leinwand!