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Only Lovers Left Alive

Only Lovers Left Alive

DRAMA: USA/D, 2013
Regie: Jim Jarmusch
Darsteller: Tom Hiddleston, Tilda Swinton, Mia Wasikowska, John Hurt

STORY:

Sie sind Jahrhunderte alt und seit Jahrhunderten zusammen: Adam (Tom Hiddleston) und Eve (Tilda Swinton), ein Vampir-Liebespaar, das mit der Zeit geht: Halsbisse sind so 18. Jahrhundert; im Hier und Jetzt trinkt man Blutkonserven stilvoll aus Likörgläsern und kommuniziert via iPhone - so lässt eine Fernbeziehung auch zwischen Detroit und Tanger führen. Doch Eve spürt, dass mit ihrem Mann, der im abgedunkelten Home-Studio "Trauermusik" aus verzerrten E-Gitarrenlärm fertigt, etwas nicht in Ordnung ist und reist per Nachtflug über den großen Teich. Da taucht auch noch Evas ungezogene kleine Schwester auf, und vorbei ist es mit der Ruhe im nächtlichen Detroit ...

KRITIK:

... und wir reiben uns an diesem Sonntag Abend verwundert die Augen: Tatsächlich sind wahre Massen ins Filmcasino gepilgert, wie sie das altehrwürdige Programmkino im fünften Hieb sonst nur zu Festival-Zeiten sieht. Offenbar gibt es doch ein Publikum, das auch außerhalb der Viennale ins Kino geht; zumindest wenn ein allerorts gelobter "Arthaus-Blockbuster" ansteht.

Der Film beginnt mit einer hypnotischen Sequenz, die mir die Gänsehaut auf den Rücken und Freudentränen in die Augen treibt. Eine auf der Decke montierte, drehende Kamera fängt abwechslend Tom Hiddelston (Loki aus THOR - THE DARK KINGDOM) und Tilda Swinton ein. Adam und Eve - allein diese Namen! Er, Adam sitzt auf einem Samtsofa inmitten von wertvollen E-Gitarren-Sammlerstücken, analogen Mischpulten und Bandmaschinen, sie, Eve, liegt am Boden vor einem Bett in einem Meer aus alten Büchern. Eine Vinyl-Platte dreht sich, die Musik wird immer lauter, und mir ist schwindelig. Mehr barocker Ausstattungspomp in einer Eröffnungsszene geht fast nicht mehr.

Ein Rockmusiker-Vampir und seine Literaten-Muse, verbunden durch eine die Jahrhunderte überdauernde Liebe. Sind wir uns ehrlich; ohne dem Namen Jim Jarmusch (in blutroten Fraktur-Lettern!) wäre ein solcher Film wohl in den wenigen noch verbliebenen Videotheken verstaubt. Und mir fiele jetzt auch auf die Schnelle kein anderer Regisseur ein, der so einen Stoff, der durchaus Potential für Plattheiten und Peinlichkeiten in sich birgt, halbwegs krampffrei auf die Leinwand brächte.

Wer mit neuzeitlichen Vampirfilm-Hervorbringungen Marke Blade oder - ich freue mich schon auf die hämischen Kommentare - Twilight sozialisiert wurde, dürfte es eher schwer haben mit Jarmuschs Exkursion ins Reich der spitzzähnigen Blutsauger. Action gibt's erstmal gar keine, und die Geschichte wird in etwa so langsam erzählt, wie Adam seine epischen Gitarrenrock-Stücke (im Film von Jarmuschs eigener Band Sqürl eingespielt) in die Länge zieht.

Der Film lebt von seiner unwirklichen Atmosphäre, von seiner Inszenierung der Nacht, von seinem Gestaltungswillen, von seiner Musik. Und wohl auch von den unzähligen kulturgeschichtlichen Zitaten und Querverweisen, die man je nach Geschmack als amüsant ("Dr. Faust") oder poserhaft finden kann. Den Lachern nach zu schließen, hat sich das Publikum an diesem Abend mehrheitlich für Ersteres entschieden. Ja, ONLY LOVERS LEFT ALIVE ist auch ein sehr amüsanter Film, der lakonischen, bisweilen zynischen Humor als Waffe gegen eine bestimmte popkulturelle Nostalgie-Falle einsetzt.

Ich meine, wer kann's Adam schon verübeln, dass er musikalisch eher in der Vergangenheit lebt und die Gegenwart verachtet - hat er doch schon für Franz Schubert Stücke komponiert. Und dennoch leuchten seine Augen, als er den - möglicherweise libanesischen - Pop der Zukunft hört.

Only Lovers Left Alive Bild 1
Only Lovers Left Alive Bild 2
Only Lovers Left Alive Bild 3
Only Lovers Left Alive Bild 4
Only Lovers Left Alive Bild 5
FAZIT:

Musik und Literatur als (Über-)Lebensmittel in einer die Jahrhunderte überdauernden Vampir-Liebesgeschichte, das hätte massig Potential für ein prätentiöses Art-Fart-Desaster der Sonderklasse gehabt. Der alte Fuchs Jim Jarmusch macht aus diesen Zutaten jedoch seinen besten Film seit Jahren: Ein poetischer Vampirfilm als Liebeserklärung an analog produzierte Rockmusik, schwarze Sonnenbrillen, blutrote Likörgläser, weiße Handschuhe und die lässigsten Frisuren der jüngeren Filmgeschichte.
In diesem Sinne: "Is this the really good stuff?"

WERTUNG: 8 von 10 weiße Handschuhe
Dein Kommentar >>
thomas | 08.01.2014 23:06
War irgendwie ganz nett aber bei weiten nicht so gut wie ihn einige bei FM4 Fim in die höhe gelobt haben.Zuviel Ironisch und zu wenig Nihilistisch plus einem Soundtrack mit dem ich überhaupt nichts anfangen konnte.Byzantium fand ich da die weit aus Interessantere Vampir Story im vorigen Jahr.
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Lena | 03.01.2014 01:33
Tolle Kritik!
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