MONSTEREPOS: Nordkorea, 1985
Regie: Shin Sang-ok
Darsteller: Chang Son Hui,Ham Gi Sop,Jong-uk Ri, Gwon Ri
Im Korea des 14. Jahrhunderts herrschen menschenunwürdige Zustände. Die Bauern werden von ihren Herrschern richtiggehend ausgepresst. Ein Widerstand formiert sich. Selbst der ältere, harmoniesüchtige Schmied Takse gerät in die Fänge des Systems und bastelt aus Reisbampf einen kleinen Godzilla, genannt Pulgasari, der dann in der Folge zum Leben erwacht und den Bauern hilft ihren Aufstand durchzuziehen. Aber wie es oft so ist, wird man die Geister, die man rief, so schnell nicht wieder los.
Das ist er also, mein erster nordkoreanischer Kinofilm. Eigentlich eine wahre Kuriosität, wenn denn Kim Jong-Il, damals noch Prinz, Zeit seines Lebens Filmnarr und daher treibende Kraft als Produzent hinter diesem Film, nicht versucht hätte den "Westen" zu kopieren. Denn es ist ihm soweit gelungen, dass die "üblichen" nordkoreanischen Absurditäten in diesem Film außen vor gelassen werden. Das heißt, ja der Film erfüllt eigentlich nicht die Erwartungen, die man wahrscheinlich in ihn stecken würde. Wer jetzt eine nordkoreanische Version von Triumph des Willens erwartet, hat sich geschnitten.
Natürlich stecken da politische Anspielungen drin, natürlich kann man den Plot als Allegorie einer Arbeiterrevolution lesen, wo Pulgasari den lieben Führer darstellt, aber das bleibt eindeutig im Hintergrund. Die Kapitalismuskritik, die sich hier versteckt, findet man in heute in jedem zweiten Hollywoodfilm, wie u.a. Avatar. Also nein, Pulgasari ist kein kommunistisches Manifest und keine Progagandafantasy, sondern ein schlicht und einfach ein mieser Abklatsch irgendwo zwischen Godzilla und der jüdischen Sage vom Golem, obwohl ich jetzt ganz frech behaupte, dass er sich wahrscheinlich unter der endlosen Menge an Godzillafilmen durchschnittlich schlägt.
Viel interessanter ist eigentlich die Hintergrundgeschichte um Regisseur Shin Sang-Ok. Er und seine Frau wurden nämlich auf Befehl Kim Jong-Ils in Hongkong entführt und erst einmal ein paar Jähren ins Militärgefängnis gesteckt um sie "trickern zu lossn" (wie man bei uns in Wien so schön sagt), nur um ihnen dann brühwarm zu eröffnen, dass man sie eigentlich geholt hat um dem nordkoreanischen Film Entwicklungshilfe zu leisten.
Wirtschaftlich ging es damals auch noch ein bisschen besser, vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Aus dieser Zeit entstanden auch je nach Quelle sieben oder acht Filme, wobei Pulgasari wahrscheinlich den "künstlerischen" Höhepunkt dieser "Zusammenarbeit" darstellt.
Im Jahr 1986 gelang den beiden dann in Wien nach spektakulärer Taxiverfolgungsjagd mit nordkoreanischen Agenten die Flucht. Diese irre Geschichte wird übrigens gerade verfilmt. Was aber wahrlich faszinierend an dem Film ist, wenn man die teilweise Laienhaftigkeit, die miese Dramaturgie und die daraus entstehende Langatmigkeit bis zum bitteren Finale durchdrückt, bekommt man ein erstaunlich subversives Ende serviert.
Achtung SPOILER im Anmarsch: Pulgasari, der Held, der Retter der Revolution der Unterdrückten wird irgendwann selbst zur Gefahr. Der blöde Saurier denkt nämlich gar nicht daran, seinen Appetit zu zügeln als der Adel besiegt ist. Und jetzt geht das Bauernschröpfen von vorne los. Dass manche Herrscher es einfach nicht kapieren: Schafe scheren, aber ihnen nicht die Haut abziehen. Ich kann mir richtig vorstellen wie dem Regisseur der Schweiß auf der Stirn gestanden sein muss, als er Kim Jong-Il dieses Ende zeigte. Der Mann muss Nerven aus Stahl gehabt haben.
Aber es scheint, als ob die nordkoreanische Zensur Subtilitäten einfach nicht versteht. Ich hab auch einmal gelesen, dass eine deutsche Uniprofessorin, die in Pjöngjang einige Jahre auf der Uni untererrichtet hat den Kurs "Kommunikation in autoritären Regimen" immer durchgebracht hat. Tja, auch kleine Erfolge versüßen einem das Leben.
Ein nordkoreanischer Kinofilm ist per se eine Kuriosität. Sollte man meinen. Stimmt aber nicht. Pulgasari ist eigentlich "nur" ein spektakulärer, aber großteils stümperhafter Godzillaabklatsch, der alleine bei seinem subversiven Ende Spannung zu erzeugen vermag und eine im wahrsten Sinne des Wortes filmreife Hintergrundgeschichte aufzuweisen hat. Sehenswert? Ja und nein. Aber eher nicht.