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Salon Kitty

Salon Kitty

SATIRE/DRAMA/SEXPLOITATION: DE/FR/ITALIEN, 1976
Regie: Tinto Brass
Darsteller: Helmut Berger, Teresa Ann Savoy, Ingrid Thulin, John Steiner

STORY:

Berlin während der Nazi-Diktatur: Der SS-Offizier Helmut Wallenberg (Helmut Berger) wird damit beauftragt, das Edelbordell SALON KITTY in eine Einrichtung zum Ausspionieren von ausländischen Diplomaten und hochrangigen Nazi-Funktionären umzufunktionieren. Zu diesem Zwecke wird das bisherige Stammpersonal gefeuert und durch ebenso willige wie parteitreue Damen ersetzt, die ihre Kundschaft gezielt nach geheimen Informationen aushören sollen. Da man selbstverständlich aber auch diesen speziell geschulten Spioninnen nicht vollkommen vertraut, wird zusätzlich noch das gesamte Etablissement verwanzt und von einer geheimen Zentrale im Keller des Hauses aus abgehört ...

KRITIK:

SALON KITTY von Tinto Brass gehört, ebenso wie Liliana Cavanis DER NACHTPORTIER, zu den in den 70er Jahren entstandenen Filmen, die aufgrund ihrer Verquickung von Sex und NS-Diktatur schnell für Skandale sorgten, obwohl sie meilenweit von den rein reißerischen Werken der Naziploitation entfernt waren. Doch während DER NACHTPORTIER eindeutig dem Europäischen Autorenfilm verpflichtet ist, so ist der Fall bei dem neben CALIGULA größten Skandalfilm von Tinto Brass schon wesentlich komplizierter.

Denn rein vordergründig handelt es sich bei SALON KITTY durchaus um einen waschechten Sexploitationfilm, der streckenweise gar arg an der Schwelle zum Hardcore kratzt. Dass hier unter anderem Sexszenen mit Zwergen und Deformierten und allerlei andere Skurrilitäten und Perversionen gezeigt werden, verstärkt auch nicht unbedingt den Eindruck, dass die Macher hier einen "ernsthaften" Film im Sinn hatten. Und ernsthaft ist SALON KITTY sowieso keineswegs. Denn wie hier die Nazis aufs Korn genommen werden, das übersteigt schon des öfteren die Grenze von der reinen Parodie zur völlig absurden Groteske.

Auf der anderen Seite ist SALON KITTY aber schon allein aufgrund seiner erlesenen Machart alles andere als ein billiges Machwerk. Hier besticht neben der exzellenten Regiearbeit von Tinto Brass insbesondere auch das außergewöhnliche Setdesign von Ken Adam (BARRY LYDON, GOLDFINGER). So ist dieser äußerst ungewöhnliche Film rein visuell nicht weniger als ein kleines Meisterwerk geworden.

Und sowohl dem Regisseur, als auch dem jüdischen, in Berlin als als Klaus Hugo Adam geborenen Setdesigner zufolge hatte man mit SALON KITTY auch durchaus ein ernsthaftes Anliegen. Denn dieser Film ist keine bloße Aneinanderreihung von spektakulären, skurrilen Sexszenen, sondern ebenso sehr eine ätzende Satire auf die perversen Mechanismen der Macht und der Unterdrückung, die hier lediglich anhand eines äußerst plakativen Beispiels aufgezeigt werden.

Da passt es auch, dass der Film SALON KITTY von wahren Begebenheiten in einem damals in Berlin real existierenden gleichnamigen Nazi-Puff inspiriert wurden. Denn tatsächlich wurde Walter Schellenberg (im Film: Helmut Wallenberg) im Jahre 1939 direkt vom Gestapo-Chef Reinhard Heydrich mit der Umwandlung des von Kitty Schmidt (im Film: Kitty Kellermann) betriebenen Edelpuffs "Pension Schmidt" in eine der Spionage dienende Einrichtung betraut.

Allerdings ist über die dort tatsächlich in der Horizontalen vonstatten gegangenen Aktivitäten so gut wie nichts bekannt. Und auch die Abhöraktionen waren wohl tatsächlich wenig erfolgreich, da diese unter den Besuchern des Hauses ein offenes Geheimnis waren. Und dies verstärkt den starken Verdacht, dass die Macher des Films, gerade was die spektakulärsten Szenen von SALON KITTY betrifft, mächtig ihre Phantasie haben (aus-)schweifen lassen. Aber immerhin ist die Dienstanweisung belegt, dass für die geplante Spionageaktion "Frauen und Mädchen, die intelligent, mehrsprachig, nationalistisch gesinnt und ferner mannstoll sind" gesucht wurden. Allerdings wurden hierfür die Karteien bereits in Berlin registrierter Prostituierter sondiert, anstatt willige Frauen aus der Mittelschicht zu rekrutieren.

Jedenfalls funktioniert die extravagante Vermischung teilweise wirklich derber Sexploitation und "ernsthafter" Politsatire überraschend gut. Und so ist SALON KITTY ein zwar zu Recht umstrittener, aber zugleich auch sehr interessanter und insbesondere ein fast durchgehend sehr unterhaltsamer Film geworden. Das einzige echte kleine Manko dieses schillernden Juwels der 70er Jahre besteht darin, dass die zusätzlich in den bereits recht explosiven Cocktail gemischten dramatischen Elemente teilweise ein wenig zu viel des Guten sind und aufgrund der mangelnden Ernsthaftigkeit des Gesamttons auch oft nicht so recht funktionieren.

Salon Kitty Bild 1
Salon Kitty Bild 2
Salon Kitty Bild 3
Salon Kitty Bild 4
Salon Kitty Bild 5
Salon Kitty Bild 6
Salon Kitty Bild 7
FAZIT:

Der bekennende Liebhaber großer Oberweiten, der italienische Regisseur Tinto Brass, bezeichnet SALON KITTY selbst als seinen besten Film. Und tatsächlich vermag dieser skurrile Mix aus sexuellen Ausschweifungen und Analyse von Machtstrukturen anhand eines realen Beispiels aus dem "Dritten Reich" über weite Strecken gleichermaßen zu unterhalten, zu verblüffen und zu überzeugen. Allerdings muss dazu auch gesagt werden, dass dieser Streifen auch nicht völlig zu unrecht häufiger dem reißerischen Genre der Naziploitation zugerechnet wird. Die völlige Unbekümmertheit, mit der hier die Nazis durch den Kakao gezogen werden ist jedenfalls ganz sicherlich nichts für politische korrekte Gemüter. Und deshalb wäre solch ein Film auch noch zur heutigen Zeit ganz sicherlich nicht in Deutschland machbar ...

WERTUNG: 8 von 10 Abhöraktionen von parteitreuen Edelnutten
TEXT © Gregor Torinus
Dein Kommentar >>
Johannes | 17.04.2011 22:35
Wer's sleaziger möchte greift einfach zum Mattei-"Remake" SS GIRLS.
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