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GOOD MOVIES FOR BAD PEOPLE
Schande

Schande

OT: Disgrace
DRAMA: AU, 2008
Regie: Steve Jacobs
Darsteller: John Malkovich, Jessica Haines, Eriq Ebouaney, Fiona Press

STORY:

David Lurie (John Malkovich) führt ein recht einsames Leben als Professor für romantische Literatur in Kapstadt. Körperliche Nähe findet er nur bei Frauen die er dafür bezahlt oder bei jungen Studentinnen, die er bedrängt mit ihm zu schlafen. Vor allem letzteres zieht irgendwann Konsequenzen nach sich, was dazu führt dass sich die Universität von David trennt. David sucht daraufhin Zuflucht bei seiner erwachsenen Tochter, die alleine auf dem Land lebt. Doch die ländliche Idylle ist nur von kurzer Dauer: Denn im Herzen Südafrikas herrschen andere Gesetze und selbst die Polizei kann oft nicht viel mehr tun als tatenlos zuzusehen, wie der gesellschaftliche Graben mehr und mehr brutale Konsequenzen nach sich zieht.

KRITIK:

"Eine harte Geschichte, erzählt in einer Prosa von asketischer, stählerner Schönheit", schrieb damals die Sunday Times über den 1999 erschienen Roman von Literatur-Nobelpreisträger J.M. Coetzee. Aus dieser literarischen Vorlage schuf Regisseur Steve Jacobs nun einen vielschichtigen und kraftvollen Film, der zudem eine Menge Diskussionsstoff bietet.

Um es gleich vorweg zu sagen: Nein, ich habe das Buch nicht gelesen und kann nicht beurteilen ob es sich um eine werkgetreue Verfilmung handelt und ob der Film der literarischen Vorlage überhaupt gerecht wird. Ich kann in meiner Kritik also nur auf den Film zurückgreifen. Aber ich kann sagen, der Film funktioniert aber auch ohne großartigen Hintergrundwissen und literarischer Vorbildung einwandfrei, was ja nicht immer eine Selbstverständlichkeit darstellt.

Der Film beginnt in Kapstadt, wo David Lurie romantische Literatur unterrichtet. John Malkovich zeigt Lurie als einen einsamen, sprachlich eloquenten Mann, der sich zwar gerne freigiebig und kultiviert gibt, auch wenn es ihm in Wahrheit nur um die Befriedigung seiner eigenen Triebe geht und der auch nicht davor zurückschreckt seine Stellung auszunutzen um dies zu erreichen. Das klingt jetzt vielleicht etwas monströs, doch Lurie wirkt niemals wie eine bösartige Bestie, er fällt nicht wie von Sinnen über junge Studentinnen her oder bedroht sie gar, und doch ist es falsch was er tut. Und er weiß es auch. Wenn er es auch meist zu verdrängen vermag. Als Zuseher weiß man nicht so Recht ob man nun Mitleid oder Abscheu oder gar beides, für Lurie empfinden soll. Es ist diese Zwiespältigkeit, die den ganzen Film über dominieren wird.

Auf dem Land wird David Lurie mit auf dem ersten Blick eindeutigen Dingen konfrontiert, auf die seine ihm bekannten Methoden keine Lösung mehr bringen. Richtig und Falsch verschwinden zwar nicht, beginnen jedoch zu wanken. Lurie weiß, dass ihm und seiner Tochter Unrecht wiederfahren ist, ein schlimmes Unrecht sogar und trotzdem verbietet ihm seine Tochter mit der Polizei zusammenzuarbeiten um jene, die ihm Unrecht zugefügt haben, einer Strafe zuzuführen.

Das Besondere an "Schande" ist, dass der Film so wunderbar vielschichtig ist, was vermutlich nicht zuletzt an der literarischen Vorlage liegen dürfte. Es geht in Schande um so vieles. Um das von Macht und Leidenschaft geprägte Verhältnis zwischen Mann und Frau. Um Macht, Stolz und Erniedrigung. Und um die Frage was es ist, was den Menschen antreibt, was ihn antreibt weiterzumachen, auch wenn alles um ihn herum nur verbrannte Erde ist.

Immer wieder kommen auch kulturelle und gesellschaftliche Unterschiede zur Sprache. Auch wenn David mit seiner Tochter sich auf einer von Lucys armen, schwarzen Nachbarn geschmissenen Party amüsieren, so werde sie dennoch nie Teil dieser Gemeinschaft werden. So sehr sich Luries Tochter Lucy auch anstrengt, so sehr sie sich auch um die Freundschaft mit ihrem Nachbarn bemüht und ihn unterstützt, wird ihr dennoch von vielen Schwarzen immer unverhohlener Hass entgegenschlagen, eben weil sie weiß und besser gestellt ist. Und Lucy selbst wird wohl nie schwarzen Männern alleine entgegentreten können ohne ein flaues Gefühl im Magen zu haben.

Der Film spielt schließlich in Südafrika, einem Land in dem Überfälle und sexuelle Gewalt leider immer noch zum Alltag gehören. Und in dem diejenigen, die es sich leisten können, hohe Stacheldrahtzäune und elektronische Überwachungsanlagen um ihre Grundstücke ziehen. Während ein großer Teil der Bevölkerung in Townships ums tägliche Überleben kämpft. Natürlich spielt in "Schande" auch das Thema der Apartheid eine Rolle.

Außerdem ist "Schande" auch noch das Psychogramm eines Mannes, dessen Welt ins Wanken gerät, wenn sich plötzlich seine heile Weltordnung sprichwörtlich auf den Kopf stellt. Aus dem einstigen Täter wird ein Opfer, aus dem der für Sex bezahlt jemand der bezahlt wird. Lurie sieht sich schlussendlich auch mit seiner eigenen Schuld konfrontiert. Womit die Geschichte auch wieder den Bogen zu den Anfängen in Kapstadt schließt.

Obwohl der Film eine solche Masse an Themen beinhaltet und sich bemüht verschiedenste Aspekte herauszuarbeiten, wirkt er niemals überfrachtet. Der Film vermeidet es, explizit alles zu zeigen und bleibt immer ganz nah an seiner Hauptperson dran. Es ist beinahe so, als würde man die Geschichte aus Davids Sicht erleben.

Hauptdarsteller John Malkovich zeigt sich in Bestform und liefert eine wunderbar nuancierte Performance. Aber auch die südafrikanische Schauspielerin Jessica Haines macht als Lucy mehr als nur eine gute Figur, kaum zu glauben dass sie vor "Schande" so gut wie keine Filmerfahrung hatte.

Sicher, "Schande" ist kein einfacher Film, mal grausam, mal poetisch, hin und wieder sogar verstörend, und stehts zwiespältig. Dennoch ist der Film unbedingt sehenswert. Denn der Film ist packend, bildgewaltig, regt zum Nachdenken kann und erschüttert gleichermaßen.

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FAZIT:

Emotional mitreissendes, vielschichtiges Drama nach dem gleichnamigen Skandalroman von J.M Coetzee. Das in Südafrika angesiedelte Drama ist sicherlich keine einfache Kost und vermag den geneigten Zuseher zu verstören und zum Nachdenken zu bringen. Selten wurde die Südafrika-Problematik so schonungslos dargestellt.

WERTUNG: 8 von 10 vergrabenen Hunden
TEXT © Gerti
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