DRAMA: USA, 2005
Regie: Rebecca Miller
Darsteller: Daniel Day-Lewis, Camilla Belle, Catherine Keener, Paul Dano, Jena Malone
Die amerikanische Ostküste Mitte der 80er Jahre: Obwohl die Tage von Love, Peace und Happiness schon längst gezählt sind, versucht Althippie Jack Slavin den Idealen von damals die Treue zu halten. Abgeschieden von der Außenwelt lebt er auf dem Gelände seiner ehemaligen Kommune, ohne TV und sonstigen modernen Schnickschnak, dafür jedoch im Einklang mit der Natur. An seiner Seite: Seine 16-jährige Tochter Rose, die eine überaus freie Erziehung genoss. Die beiden führen ein glückliches Leben, fernab von der modernen Zivilisation, die erst Einzug in die traute Zweisamkeit erhält, als Jack sich krankheitsbedingt dazu gezwungen fühlt, seine bis dato geheim gehaltene Freundin Kathleen samt deren Söhne bei ihm einziehen zu lassen. Rose, die von ihrem Vater schon vor Jahren aus der Schule genommen wurde und auch ansonsten kaum über Bezugspersonen außer ihrem Vater verfügt, reagiert auf die neue Situation überaus ablehnend und trotzig...
KRITIK:Verluste sind meist schmerzhaft. Das ist kein großes Geheimnis. Den meisten von uns fällt es schwer, mit dem eingefahrenen Trott zu brechen, einen Neuanfang zu wagen. Stattdessen klammern sich viele an ihrem alten Leben, an den ihnen bekannten Dingen fest, auch wenn sie schon lange unzufrieden mit der Situation sind. Doch alles ist besser als die Ungewissheit, die Gefahr, die ein Neuanfang, die Aufgabe des Bekannten, mit sich bringt. Ob freiwillig oder nicht, oftmals bleibt einem keine andere Wahl, auch wenn das Abnabeln noch so schmerzhaft ist.
Den ersten, bewussten Abnabelungsvorgang erleben die meisten wohl während des Erwachsenwerdens, wenn sie sich mehr und mehr dem Einfluss der Eltern entziehen und den Start in ein eigenes Leben wagen. Ein Vorgang, der umso schmerzhafter sein kann, je besser das Verhältnis zu den Eltern ist. Es sind oftmals die Eltern, denen es schwer fällt, den Nachwuchs in ein eigenes Leben gehen zu lassen. Dass es aber auch durchaus anders sein kann, davon erzählt "The Ballad of Jack and Rose" in eindringlichen Bildern.
Regisseurin Rebecca Miller lässt sich bei der Erzählung ihrer Geschichte Zeit, die Spannung baut sich nur langsam auf, entlädt sich dafür aber umso intensiver. "The Ballade Of Jack And Rose" entpuppt sich als ebenso intensives wie bildgewaltiges Drama über eine (zu) enge Vater-Tochter Beziehung. Natürlich geht es auch ums Erwachsen werden, ein Vorgang der im Falle von Rose zwar etwas spät, dafür jedoch umso heftiger einzusetzen beginnt. Immer wieder kreist die Geschichte um die Thematik des Loslassen Lernens und ums Klammern. Wobei es nicht nur darum geht, dass sich jemand an einen anderen Menschen klammert, sondern die Figuren klammern sich auch an andere Dinge. Ihr altes Leben, beispielsweise. Wirsch reagieren sie, wenn Fremdkörper in ihre heile Welt einzudringen drohen.
Doch das Festhalten am alten, bekannten Lebensstil bedeutet unter Umständen auch das Aussperren der Zukunft, sofern sie sich aussperren lässt. Fortschritt kann man nicht verhindern, die Welt dreht sich weiter und verändert sich, während man selbst in seinem Kokon aus Erinnerung an die gute alte Zeit schwelgt.
"The Ballad Of Jack And Rose" mutet streckenweise auch leicht märchenhaft-mystisch an. Dafür sorgt neben der manchmal nahezu parabelhaften Geschichte vor allem die intensive Bildsprache und Symbolik, die im Film zum Einsatz kommen. Es ist sicherlich kein Zufall, dass ausgerechnet eine Schlange eine zentrale Rolle bei der, wenn man es so sehen will, Vertreibung aus dem Paradies spielt.
Dass das vielschichtige Drama aber auf der emotionalen Ebene funktioniert, dafür sorgen die grandiosen Darsteller, allen voran Daniel Day-Lewis, der eine mitreisende Performance als alternder Hippie, der sich der Zukunft stellen muss, abliefert. Wie er seine Figur zwischen der Coolness eines verschrobenen Outlaws, der für die ganzen Konsumsüchtigen in ihren kleinen "Schachtelhäusern" nur Verachtung übrig hat und purer Verzweiflung hin und her pendeln lässt, zeugt von großer Schauspielkunst. Es ist ein wahrer Genuss ihm dabei zuzusehen.
Aber auch die Leistung der anderen Schauspieler soll nicht geschmälert werden. Auch ihnen gelingt es durch die Bank, ihre Rollen mit Leben zu füllen und glaubwürdig rüber zu bringen. Camilla Belle vermag nicht nur optisch zu überzeugen, sondern ihr gelingt es die Unschuld aber auch die Verzweiflung ihrer Figur gut rüber zu bringen. In Erinnerung bleibt auch die Performance von Catherine Keener, als Stiefmutter in spe, die mit der schwierigen Situation nur schwer zurecht kommt. Und ein gewisser Paul Dano qualifiziert sich mit seiner Darstellung als Gegenspieler von Daniel Day-Lewis gleich einmal für There Will Be Blood.
Und auch der Soundtrack, der sich immer wieder wie ein Klangteppich über die Bilder legt, kann sich sehen, äh hören lassen. Ausgewählte Lieder von Interpreten wie Creedence Clearwater Revival oder Bob Dylan reihen sich nahtlos in den Film ein und sorgen für die richtige Stimmung.
The "Ballad Of Jack And Rose" ist ein emotional mitreißendes, bildgewaltiges Drama über das Zerbrechen einer zu heftigen Vater-Tochter Beziehung und dem Untergang der 68er-Ideale, das mit dichter Atmosphäre und großartigen Schauspielern auftrumpfen kann. Das der Film bisweilen etwas bedächtig und symbollastig daherkommt, dürfte den einen oder anderen Zuschauer vielleicht etwas vor den Kopf stoßen, aber immerhin bietet er mehr als nur einen Anreiz, wieder einmal über sein eigenes Leben und die Position, in der man gerade steckt, nachzudenken.
In diesem Sinne: "If you don't like your situation, then change it. If you can't change it, then leave it. It's your fucking life, man."