OT: the nightcomers
DRAMA: GB, 1972
Regie: Michael Winner
Darsteller: Harry Andrews, Stephanie Beacham, Marlon Brando
Nach dem Tod ihrer Eltern werden die Geschwister Miles und Flora der Obhut ihrer Haushälterin und eines Kindermädchens überlassen. Auf dem abgeschiedenen Landsitz, auf dem sie leben, arbeitet auch noch Peter Quint, ein zwielichtiger Gärtner, mit einer etwas eigenartigen Weltansicht, die sich langsam auf die Kinder überträgt. Doch die Kinder sind nicht die einzigen, die sich dem Einfluss von Quint nicht entziehen können .
KRITIK:The Nightcomers ist ein 70er Jahre Horrorfilm, der auf "The Turn Of the Screw"
referenziert. Die Geschichte ist als eine Art Vorgeschichte zu Henry James
Horrorklassiker gedacht und viele Figuren aus dem Film basieren auf dem Roman.
Wir haben es also mit einem eher ruhigen Horrorfilm der alten Schule
zu tun (zumindest zu Beginn). Anstatt hektischer Schnitte, abgemurkster Teens und
ähm - Schauspielern die ihr Talent noch nicht ganz entfalten konnten, gibt es bei
den Nightcomers einen langsamen Spannungsaufbau, düstere Symbolik so weit das Auge
reicht und - Marlon Brando.
The Nightcomers beginnt wie ein gewöhnlicher Horrorfilm: Ein abgelegenes Landhaus, zwei
kleine Kinder die dort leben, eine junge Frau die durch den Wald spaziert. Hier
genießen die Kinder eine strenge Erziehung, wenn sie nicht gerade mit dem Gärtner
draußen herumtollen.
Quint ist ein Erwachsener, den die Kinder sich wohl schon
immer gewünscht haben. Er behandelt sie nicht von oben herab, er erzählt ihnen
Geschichten, beantwortet ihre Fragen und erklärt ihnen die Welt. So wie er sie
sieht.
Es ist auch Quint der den Kindern den Unfalltod ihrer Eltern steckt, während
die beiden Frauen lange Zeit versuchen die Wahrheit vor den Geschwistern zu
verbergen. Vor allem der junge Miles hängt an Quints Lippen. Ob Quint ihm nun
erklärt wohin die Toten gehen ("See, the dead are going nowhere, they have nowhere to go"), oder über die Liebe spricht. Miles nimmt ungefiltert alles auf. Flora hingegen steht dem Gärtner anfangs etwas skeptisch gegenüber.
Doch das wird sich im Laufe der Zeit noch ändern.
Das Problem ist, dass Quint mehr als nur der nette Gärtner ist. Quint hat auch eine
dunkle Seite. Das zeigt sich vor allem darin, dass sein Verhalten, sein Auftreten in Gegenwart der Kinder oftmals anders ist, als wenn er mit den Frauen alleine ist.
Zudem unterhält er eine auf Hass und Gewalt passierende Beziehung zu dem
Kindermädchen.
Die Kinder werden heimlich Zeuge dieser Beziehung. Unfähig die Vorgänge zu deuten,
unaufgeklärt und auf sich allein gestellt, erfinden die beiden bald ihre eigene
Interpretation. Vermischt mit Bruchstücken aus Quints Aussagen brauen sich in den
Köpfen der beiden bald obskure Ideen zusammen.
Wird man zu Beginn des Films leicht im Dunkeln gelassen, in welche Richtung die
Geschichte geht, zeigt sich im Laufe der Zeit, dass es nicht um Gespenster oder
dergleichen geht, auch einen unheimlichen Fremden wird man vergebens suchen.
Vielmehr geht es um Bigotterie, verdrängte Sexualität, sexuelle Hörigkeit und
dunkle Abgründe der menschlichen Seele.
Und es geht um zwei Kinder die in einer Welt die sie nicht verstehen quasi allein
gelassen werden. Während die beiden Frauen den Kindern das Meiste verschweigen,
weil sie in ihren Augen zu jung sind, bombardiert der Gärtner sie mit Aussagen die
sie mental nicht erfassen können, die sie irgendwie versuchen in ihre kindlichen
Weltansicht zu integrieren.
Die Situation spitzt sich mehr und mehr zu, die beiden Kinder beginnen
die Fesselspiele, die sie des Nächtens heimlich beobachten konnten,
nachzustellen und antworten auf die Frage der Haushälterin, was die beiden tun:
We, Mrs. Grose, have been having...sex
Die Kinder sind in ihren Tun und Aussagen oftmals überzeichnet, sie verhalten sich
zumindest in meinen Augen des Öfteren sehr merkwürdig. Das liegt vielleicht daran,
dass sie sich oft betont Erwachsen geben und gleichzeitig doch so wenig von der Welt
verstehen.
Eigentlich ist "The Nightcomers" auch kein richtiger Horrorfilm. Eher schon ein
Thriller der heftigeren Art, bei dem es streckenweise schon etwas härter zur Sache
geht. Stichwort SM.
Aber auch das Verhalten des Kindermädchens ist anfangs schwer nachvollziehbar.
Beginnt ihre Beziehung zu Quint schließlich alles andere als - ähm - einvernehmlich.
Auch wenn man dem Werk aus heutiger Sicht streckenweise einen gewissen Trash-Faktor
nicht absprechen kann bleibt am Ende doch ein ambitionierter Film zurück, der nicht
nur Aufgrund der Leistung Marlon Brandos sehenswert ist.
Obwohl man fairerweise sagen muss, dass ein großer Reiz des Films natürlich auch
in Brandos Interpretation der Figur des Peter Quints liegt. Einige der besten Szenen
des Films gehen auf Brandos Konto.
Augenlose Puppen treffen in Michael Winners "Prequel" zu "The Turn Of the Screw" in einem abgelegenen Landsitz auf nächtliche Fesselspiele. Klingt merkwürdig, ist es streckenweise auch. "The Nightcomers" ist aber vor allem ein kleines, schmutziges Horrordrama, das in einer Zeit verdrängter Sexualität spielt, mit der Bigotterie dieser Ära spielt und die Situation schließlich mehr und mehr auf die Spitze treibt. Unterlegt wurde das Ganze mit symbolträchtigen Bildern. Für Freunde des Klassikers von Henry James vermutlich nur bedingt empfehlenswert...