THRILLER/HORROR: USA, 2013
Regie: James DeMonaco
Darsteller: Ethan Hawke, Lena Headey, Max Burkholder
Endlich hat die amerikanische Regierung ein Rezept gegen die grassierende Wirtschaftskrise gefunden. Einmal im Jahr, am sogenannten Purge Day, sind alle Verbrechen legal. Das zynische Kalkül geht auf: Während sich die Reichen in ihren Gated Communities verbarrikadieren, bringen sich die Unterpriviligierten auf der Straße gegenseitig um - gelegentlich mit Schützenhilfe seitens mutiger Upper Class-Angehöriger, die gerne einmal im Jahr die innere Bestie rauslassen und dem kollektiven Blutrausch frönen. Das tut der Seele gut, senkt die Arbeitslosigkeit, kurbelt die Waffenverkäufe an, und alle Überlebenden sind glücklich und zufrieden. Wirklich alle? Nein, bei Familie Sandin hängt der Haussegen schief: Der Sohn hat einen Obdachlosen aus Mitleid ins festungsartig gesicherte Eigenheim gelassen. Kurze Zeit später versammelt sich ein mordlustiger Mob vor der Tür und begehrt Einlass. Die Sandins werden wohl oder übel um ihr Leben kämpfen müssen ...
Es gibt sie ja noch, die kleinen, feinen Überraschungsfilme. Der Trailer war schon ein Hammer und hat meine Vorfreude in lichte Höhen katapultiert. Aber wie das halt oft so ist mit der Vorfreude, wurde sie schnell getrübt durch massive Unmutsäußerungen, gerade auch von Menschen, mit denen ich normalerweise filmgeschmackstechnisch ein Herz und eine Seele bin. Von der - so der allgemeine Tenor - durchaus coolen Ausgangsidee abgesehen sei der Film fad, voller Logikfehler und haarsträubender Ungereimtheiten, bevölkert von wandelnden Klischeefiguren, die sich durch ein vorhersehbares Billighorrorfilmchen gfretten.
Keine Ahnung, ob ihr alle einfach nur einen schlechten Tag hattet oder einen ganz anderen Film gesehen habt.
Mich hat THE PURGE, der zweite Spielfilm des Independent-Regisseurs James DeMonaco, in keinster Weise enttäuscht. Okay, den Vorwurf der dünnen Story kann ich nicht wirklich entkräften. Aber ich würde sie lieber minimalistisch nennen. Ist eben ein knackiger B-Movie und kein "Krieg und Frieden".
Der härtegradmäßig ziemlich forcierte Horrorthriller klopft auch nicht höflich an, sondern bricht gleich mit dem Rammbock durch die Tür. So viel Direktheit ist ziemlich selten geworden im Genre-Kino unserer Tage.
Mit Ethan Hawke und Lena Headey ("Game of Thrones") ist der nur 3 Millionen teure Film auch außergewöhnlich gut besetzt. Erstaunlich auch, dass der Regisseur - völlig Hollywood-untypisch - keinerlei Identifikationsfiguren aufbaut und praktisch alle Charaktere ungewohnt emotionslos und amoralisch agieren lässt.
Als bösartige, bisweilen ziemlich beklemmende Zukunftsvision macht der Film auch bessere Figur denn als massentaugliches Spannungskino. Zumindest in diesem Punkt muss ich den Nörglern ein bissl recht geben: Im schmalen Sub-Genre der Home Invasion-Filme hat man schon Nervenaufreibenderes gesehen, THE STRANGERS etwa oder auch Hanekes FUNNY GAMES.
Trotzdem kann ich THE PURGE nur empfehlen. Ein brutaler B-Movie, der den Spirit der besseren John Carpenter-Filme atmet und jede Menge giftige Kommentare zum Zustand von Staat und Gesellschaft abfeuert, hat bei mir schon aus Prinzip gewonnen. Dass sich dieser Film kurzfristig sogar an der Spitze der amerikanischen Kinocharts festsetzen konnte, würde ich jedenfalls als sehr, sehr gute Nachricht werten.
Ganz im Geiste von John Carpenter und George A. Romero kommt dieser dieser preisgünstig produzierte Horrorschocker daher und spuckt die Extraportion Gift und Galle in Richtung der neoliberalen Gesellschafts-Realität unserer Tage. Nevermind the Nörgler, THE PURGE ist definitiv sehenswert.
In diesem Sinne: "Wir wünschen Ihnen eine sichere Nacht."