OT: Serbuan Maut
ACTION: Indonesien, USA, 2011
Regie: Gareth Evans
Darsteller: Iko Uwais, Joe Taslim, Donny Alamsyah, Yayan Ruhian
Willkommen in der Höhle des Löwen! Nur ist es nicht nur eine Höhle, sondern ein dreißig tödliche Stockwerke umfassendes Hochhaus. Dies ist das autarke Reich eines brutalen Gangsterbosses. Er heißt Tama und die Mörder, Zuhälter, Schläger und Drogendealer dienen ihm wie einem Gott. Das Hochhaus wird zur Todesfalle für einen zwanzigköpfigen Stoßtrupp der Polizei. Ohne Kontakt nach draußen und damit ohne Hoffnung auf Rettung oder Verstärkung sehen sie sich auf den dreckigen Korridoren und in den schäbigen Wohnungen einer bis unter die Zähne mit Maschinengewehren und Macheten bewaffneten, zum Töten bereiten Übermacht entgegen...
Makes THE EXPENDABLES look like...
Mit diesen Worten begann ein Werbeslogan, den ich mal auf einem Filmplakat zu THE RAID entdeckt habe. Ich weiß zwar noch dass, aber nicht wie despektierlich dieser Satz geendet hat. Könnte aber sinngemäß so etwas wie "look like der Seniorentreff beim Fünfuhr-Tee" gewesen sein. Ich habe die EXPENDABLES noch nicht gesehen, aber ich wage mal trotzdem rotzfrech zu bezweifeln, dass die renommierte Hollywood-Rentner-Gang mit ihren erschlafften Muckies und dem schütteren, dünn gewordenen Haar noch genügend Pfeffer im gelifteten Arsch hat, um mit dem Furor dieser völlig gnadenlosen Kampf- und Mordmaschine aus Indonesien mitzuhalten.
Action reinsten Wassers in der brachialsten Auslegung serviert uns der junge, walisische Filmemacher Gareth Evans, der wie schon beim Vorgängerwerk, der Fingerübung MERANTAU in Indonesien mit einem ausschließlich aus Einheimischen bestehenden Team gearbeitet hat.
Die einzigen ruhigen Momente in THE RAID finden sich gleich zu Beginn. Ein junger Mann erwacht im Morgengrauen, beginnt seinen Tag mit einem Gebet und einer Serie Klimmzüge, schlüpft in den schwarzen Kampfanzug eines Elite-Polizisten, küsst zum Abschied den Bauch seiner schwangeren Freundin und begibt sich zum Dienst. Der entpuppt sich an diesem Morgen als Himmelfahrtskommando.
Viel mehr Plot - abgesehen von den (hier allerdings nicht unpassenden) Klischees des Verräters in den eigenen Reihen und dem der Brüder auf feindlichen Seiten - gibt der Film nicht her. Freunde tiefschürender Epen kommen also definitiv nicht auf ihre Kosten. Vielleicht sollte THE RAID ohnehin nicht als Geschichte, sondern als Extremsituation begriffen werden.
Und wenn die eintritt, zersieben erst einmal endlose, erbarmungslose Kugelhagel jede Hollywood-geeichte Sehgewohnheit zu feinem Staub. Danach - Stichwort: Silat - folgt eine adrenalin-, schweiß- und blutgetränkte Abfolge von unglaublich dynamischen, extrem harten Mann gegen Mann, bzw. Mann gegen Horde-Kämpfen. So heftig wie die Schauspieler und Stuntmen sich hier beharken, glaubt man der Legende gerne, dass Ärzte, Sanitäter und Physiotherapeuten am Set von THE RAID Schwerstarbeit zu verrichten hatten. Dabei tun sich insbesondere zwei Kämpfer mit eindrucksvollen Techniken hervor: Die schon in MERANTAU gesehenen Iko Uwais (im wahren Leben amtierender Silat-Champion; hier einer der Elitepolizisten) und Yahian Ruhian, den wir in der Rolle des psychopathischen Mad Dog sehen.
THE RAID ist eine perfekte wie hyperbrutale Choreographie der Gewalt. Ein wahrer Amoklauf an tödlichen Faustschlägen, Tritten, Messerhieben und Genickbrüchen, der kaum durch eine ruhige Minute und schon gar nicht von abschwächender Ironie unterbrochen wird. Auf der Tonspur finden sich keine lässigen One-Liner wie etwa bei den EXPENDABLES; hier hört man nur den schweren, keuchenden Atem des Überlebenskampfes, das Schreien der Verwundeten und einmal gar nur den Tinnitus, als das Ohr eines Polizisten von einer Kugel zerfetzt wird.
Evans' Film macht keine Gefangenen und geht beinahe über seine gesamte Laufzeit in die Vollen. Wo solch ein Overkill an Nonstop-Action woanders früh zu Ermüdungserscheinungen führt, sorgen bei THE RAID die vielen WTF!-Momente in den meisterhaft inszenierten und unglaublich brutalen Kämpfen dafür, dass nicht die Spur von Langeweile aufkommt. Mehrmals ertappte ich mich sogar dabei, wie ich einige Szenen noch einmal zurückgespult hatte. Nur weil ich nicht glauben konnte, was ich da eben gesehen habe.
Auf dem Cover der englischen Blu-ray (welche übrigens neben der leicht geschnittenen Kinofassung auch die Uncut-Version als Bonus enthält) sind Hubschrauber abgebildet, die das Hochhaus unter Beschuss nehmen. Die kommen im Film zwar nicht vor, aber dennoch besitzt der knüppelharte THE RAID die Wirkung von zehn Adrenalinspritzen und einen Body Count von mindestens einem Dutzend Slasherfilmen.
Und somit gesellt sich THE RAID mit allen Würden in die Hall of Fame meiner persönlichen Lieblingsactionflicks, wo er neben dem ASSAULT ON PRECINCT 13 und dessen französischen Quasi-Remake DAS TÖDLICHE WESPENNEST, in Nachbarschaft mit Miikes FUDOH, dem japanischen BATTLE ROYALE und dem immer wieder lustigen PHANTOM KOMMANDO seinen verdienten Platz einnimmt.
Eine tiefgründige Geschichte sollte niemand erwarten. Ohne Umschweife wirft THE RAID zwanzig Elitepolizisten in der Höhle des Löwen dem erbarmungslosen Rudel desselbigen zum Fraß vor. Dabei ist das Sterben so dreckig und humorlos, der Überlebenskampf so perfekt und packend inszeniert, dass man als Zuschauer mittendrin steckt - in diesem erbarmungslosen Hagel der Fäuste, Tritte und Kugeln. Und hier nehmen keine lässigen One-Liner der Machentenklinge die Schärfe, wenn sie sich förmlich in das eigene Wangenfleisch zu graben scheint. Ein furioser Gewalt-, Silat- und Adrenalin-Overkill, der nicht ermüdet, sondern einem den Atem raubt. Schon jetzt ein moderner Klassiker des brachialen Action-Kinos.