OT: Coartada en disco rojo / I due volti della paura
GIALLO: Spanien/Italien, 1972
Regie: Tulio Demicheli
Darsteller: George Hilton Fernando Rey Luciana Paluzzi Anita Strindberg
Dr. Azzini bewirbt sich auf eine Stelle in einer anderen Klinik. Zu seiner Überraschung erhält er von seiner Klinikchefin Elena Carli ein sehr lukratives Gegenangebot. Doch unvermittelt wird er abends in seinem Appartement erschossen. Inspektor Nardi stößt bei seinen Ermittlungen auf einige dunkle Geheimnisse. Unter anderem hatte die verheiratete Elena ein Verhältnis - eben mit Dr. Azzini. Erschoss ihn seine Verlobte Paola, die ebenfalls als Ärztin in der Klinik arbeitet? Elena selbst verdächtigt jedoch eher ihren Mann.
George Hilton und Anita Strindberg, dazu als weiterer Blickfang Luciana Paluzzi! Eine sichere Bank, wenn man als Regisseur nicht alles verkehrt macht. Keine Sorge, das passiert nicht. Um das Fazit ausnahmsweise einmal an den Anfang zu stellen: THE TWO FACES OF FEAR ist ein Giallo mit all seinen Vorzügen. Er ist allerdings auch keine Giallo-Großtat.
Auf der Habenseite steht vor allem Fernando Rey als Inspektor. Der versucht sich gerade das Rauchen abzugewöhnen, was zur damaligen Zeit sicher noch viel schwieriger war als heute. Denn damals gehörte der Glimmstengel noch zum guten Ton, alle qualmten überall, selbst die herzkranke Elena lässt den Rauch genüsslich durch die Lunge wabern. Da lockt die Versuchung in jeder Szene. Vor allem, wenn Fernando Rey nicht weiß, wie er den Blick davon abwenden könnte. Was er dann auch unnachahmlich rüberbringt.
Auf der Habenseite sind natürlich auch die attraktiven Darsteller bzw. - und das wollen wir betonen - Darstellerinnen. Wir haben den wie immer coolen Lalala- Score. Die hübsch stylishen Apartments, in denen sich die Darsteller extravagant eingerichtet haben. Und natürlich einige toll fotografierte und montierte Szenen, etwa Elenas Panik im Treppenhaus. Qualitätskennzeichnung à la Giallo.
Aber - das hat man so in vielen anderen Gialli auch schon gesehen. Zudem bleibt THE TWO FACES OF FEAR lange Zeit erstaunlich unblutig, und zu dem einen Mord gesellt sich erst zum Schluss ein zweiter hinzu. Die Anzahl der Verdächtigen ist übersichtlich. Die zentrale Szene, die Herz-OP, kommt erst relativ spät.
Die allerdings hat es in sich, und angeblich soll sie echt sein soll. So ganz glauben mag ich nicht, dass während einer derartigen Operation noch Raum und Zeit für fotogenes Licht und Kameratakes ist. Zumindest aber ist sie lang, ausgesprochen unangenehm, und meine Freundin musste das Abendbrot unterbrechen und den Raum verlassen.
Trotz aller Vorzüge - der Film scheint fast Vorbeigehen entstanden zu sein und ist nicht mehr als eine Fingerübung, um im Rhythmus zu bleiben. Giallo-Aficionados ist das aber alles nicht wichtig. Sie laben sich an der Ästhetik und an dem clever eingefädelten, letzten Schachzug. Denn für dieses Puzzle holt der Film weit aus. Ausgerechnet die Szene, die anfangs so fremd wirkt (und die Fernando Rey mit seinen Blicken zu einer Lachnummer werden lässt), bekommt dabei eine entscheidende Bedeutung zu.
Eigentlich ein normaler, hinreichend spannender Giallo. Da aber selbst ein durchschnittlicher Giallo durch seine Vorzüge immer zugleich auch ein überdurchschnittlicher Film ist, kann man ihn bedenkenlos empfehlen - es sei denn, man kann kein (möglicherweise echtes) Blut sehen.