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Todespolka

Todespolka

SATIRE/ DRAMA (?): ÖSTERREICH, 2009
Regie: Michael Pfeifenberger
Darsteller: Stefano Bernardin, David Wurawa, Alexander Pschill, Tamara Stern, Dieter Witting

STORY:

Österreich, "unser Land", jetzt, oder in naher Zukunft, vielleicht nach der nächsten Nationalratswahl. Eine neue bürgerliche-rechte Partei hat die Absolute erobert. Der Strache ist ein Lercherl dagegen. Oha! Nein, halt! Es ist Strache. Nur eben als Frau. Ich darf vorstellen: Dr. Sieglinde Führer, unsere neue Bundeskanzlerin. Und ihre Auswirkungen auf das Leben zweier Medizinstudenten, einer von beiden sogar, sagen wir es mal so, nicht unter Arierverdacht. Genau dieser eine will den anderen eigentlich nur in seinem Haus in der ländlichen Siedlung besuchen. Die Nachbarn stehen schon am Fenster. "Do is a Neger." Als dann auch noch einer von ihnen im Affekt seine Frau umbringt, kommt natürlich der Ausländer auf der Straße wie gerufen. Das wird alles ins böse Auge gehen.

KRITIK:

Das Österreichertum ist ja durchaus etwas Sympathisches. Auf der Bühne, in der Musik, im Film. Der Österreicher ist immer ein kleiner, halbilliterater und bescheidener, am Boden gebliebener (Fastgarnicht-)Held, der beim Sex versagt und so eigentlich so hilflos und unschuldig ist, dass man ihn einfach liebhaben will und streicheln möchte.

Ganz im Gegensatz zu diesen großgewachsenen, (herren)rassigen, intelligenten und eloquenten Deutschen. Soviel Perfektion ist einfach unsympathisch. Aber das ist nun einmal im Film, in der Kunst, in der Verklärung einer Vergangenheit, die es niemals gab. Und diese Darstellung blendet einen wesentlichen Teil aus, und zwar den Österreicher als soziales und politisches Wesen.

Womöglich liegt es daran, dass der Österreicher kein soziales und politisches Wesen ist.

Der Österreicher ist ein unflexibles, stockkonservatives und letztlich sehr grobes Geschöpf, das erst einmal grundsätzlich in Deckung geht, raunzt und kritisiert, anstatt konstruktiv zu etwas beizutragen, Konflikte zu lösen und für Freude zu sorgen. Vielleicht sollte man deshalb beim Weltuntergang in Wien sein, wie Gustav Mahler damals schon sagte, weil dort immer erst alles 50 Jahre später passiert.

Der Österreicher wünscht sich immer die Vergangenheit zurück, anstatt sich eine bessere Zukunft zu konstruieren. Er genießt intellektuelle Freiheit und darf seine Meinung sagen, wird dies aber immer nur tun um zu kritisieren und zu zerstören, niemals um zu erschaffen. Die Illusion vom Heil in der Vergangenheit. Dem Islam wird mit dem Kreuz begegnet, nicht mit der Aufklärung. Wie auch, die Aufklärung hat bis heute die Mehrheit der Bevölkerung nicht erreicht. Kleinkriegerei, Neid, Missgunst, Denunziantentum, Angst und eine "bürgerliche Partei", die es bis heute nicht schafft, den Austrofaschismus aufzuarbeiten, ja in ihm sogar eine Heldentat sieht.

Das alles steckt in diesem kleinen, budgetlosen, viel zu dunkel ausgeleuchteten, aber mit einer mehr als überzeugenden Schauspielerriege aufwartendem Film "Todespolka". Der Anfang ist gleich eine cineastische Meisterleistung, ein Höhepunkt, den dieser Film nicht mehr erreichen kann. Die Kamera schleicht durch die Wohnsiedlung und späht in jedes Haus, wo Herr und Frau Österreicher am Tisch sitzen und sich ihre "grobschlächtigen" Fleischgerichte und Punschkrapferl hineinstopfen, mit ihren Frauen schreien, die Kinder beschimpfen, ihre Hunde gegenüber ihren Mitmenschen vorziehen und über Studenten und Ausländer schimpfen, während sie mit der Kronenzeitung wachteln.

Im Fernsehen laufen die endlosen Reden der neuen Bundeskanzlerin, Dr. Sieglinde Führer. Kastration für Kinderschänder, Tod den islamistischen Terroristen und den nigerianischen Drogendealern, Minarettverbot, Besserungslager für Verbrecher, Wiedereinführung des Todesstrafe und des Schilling, Austritt aus der EU, SICHERHEIT usw.

Ich weiß nicht wo sie diese Schauspielerin ausgegraben haben, aber ich glaube es ihr. Die deutsch-israelische Schauspielerin Tamara Stern, als eine Mischung aus HC Strache, Barbara Rosenkranz und der Volksschauspielerin Christine Neubauer schafft eine vollendete Verkörperung österreichisch-barock-morbidem Schönheitsideals gepaart mit populistisch-politischem Zeitgeist.

Jeder Satz, den sie spricht, dringt einem bis auf die Knochen. Dieser Zustand ist nicht weit, das kann jederzeit passieren. Die Herrschaft der Barbarei klopft wieder einmal an. Auch wenn der Film die Zustände ein wenig überspitzt darstellt, die politischen Aussagen, die wir da zu hören bekommen, sind längst Realität geworden. Der Film zeigt sehr deutlich, was auf kleinstem Raum passieren kann, wenn die Büchse der Pandora einmal geöffnet wurde, wenn diese Meinungen mehrheitsfähig werden, aber in einer Form, die keine Widerrede mehr duldet.

Im Grunde ist das schon passiert, die Parteien trauen sich schon jetzt nichts mehr zu sagen, weil sie glauben, dass die Freiheitlichen sonst noch mehr dazugewinnen. Zeigt uns also dieser Film wirklich wo es hingeht mit unserem Land? Oh Gott (den es nicht gibt)! Ich hoffe nicht.

In diesem Sinne: "Der Neger woars!"

Todespolka Bild 1
Todespolka Bild 2
Todespolka Bild 3
Todespolka Bild 4
Todespolka Bild 5
FAZIT:

Kleines Gedankenexperiment: Blau kommt mit absoluter Mehrheit an die Macht. In Todespolka wird's real. In diesem Film jagt eine wüste Verstrickung die nächste, eingebettet in Dauermusikantenstadl und Führerreden "Jetzt wird aufgeräumt!" (die aus dem FPÖ-Parteiprogramm abgeschrieben wurden). Wer sich nichts zu schulden kommen lässt, dem wird nichts passieren. Von wegen! Ich hätte ja nie gedacht, dass ich das mal denken würde, aber wir brauchen mehr Migranten, damit wir die Österreicher vor sich selbst beschützen können;-)

Böser Film! Da bleibt einem das Lachen im Halse stecken. Also ab ins Kino. Und nehmt eure FPÖ-wählenden Freunde mit, falls ihr welche habt (die das zugeben).

Im Schikaneder, aber nur Freitag und Samstag!

WERTUNG: 7 von 10 wahlberechtigte Österreicher
TEXT © Ralph Zlabinger
Dein Kommentar >>
Andreas | 11.12.2010 12:45
Dieses Fazit bestätigt wieder einmal das es nicht nur primitive Rechte gibt ...
Harald | 11.12.2010 14:23
ich geh davon aus, dass du NICHT identisch mit unserem Andreas bist.
>> antworten
Lena | 15.11.2010 12:15
Sehr unterhaltsam zu lesen, aber eigentlich hätte ich gern ein bisschen weniger über das Land und ein bisschen mehr über den Film erfahren. ;-) Ich persönlich kann mit Filmen, die die "unteren 100.000" nur als grindig und dumm darstellen, nicht viel anfangen, auch zu Satirezwecken nicht und bin mir jetzt nicht sicher, ob der Film nicht in diese Schiene fällt.
Harald | 15.11.2010 13:41
dumm und grindig, das sind doch. nein, ich bin überhaupt nicht arrogant und überheblich ;-)
Ralph | 15.11.2010 16:03
Liebe Lena. Der Film hat keine besondere Handlung, aber versteht es zwischen seinen Zeilen enorm viel auszudrücken, jedes weitere Wort wäre ein Spoiler gewesen.
In einem Punkt kann ich dich aber beruhigen. Es sind übrigens nicht die unteren 100.000, sondern ganz normale Bürger, um die es hier geht. Und es ist eine Satire, aber die Art wie die Menschen denken, sich bewegen, usw. kommt der "Wahrheit" erstaunlich nahe. Nur das Handeln an sich ist übertrieben. Aber wie lange bleibt es bei diesem bloßen "Raunzen". Der Film spielt mit dem Gedanken diese ganzen Ideen auch "umzusetzen". Wenn auf einmal genau so heiß gegessen wie gekocht würde. Bei unserer Vergangenheit macht mich das schon ein wenig mulmig.
Ralph | 15.11.2010 19:47
Ich meinte natürlich.... es wird mir dabei mulmig.
Harald | 16.11.2010 07:36
unsere Vergangenheit - an der waren doch die Deutschen schuld daran. Wir waren nur bekanntlich das erste Opfer. Im Übrigen der Grund, warum der großgewachsene, (herren)rassige, intelligente und eloquente Deutsche so unbeliebt ist.
(Ironiemodus aus.)
Ralph | 16.11.2010 11:08
Na eh. ;-)
>> antworten
Harald | 14.11.2010 20:47
Nestbeschmutzer ;-)
Ralph | 14.11.2010 21:40
Dieses Prädikat ehrt mich. Es gehört ja zu den Kulturtechnicken eines jeden halbwegs gebildeten und reflektierenden Österreichers sein Land ebenso zu lieben wie es zu hassen. Nur Freunde macht man sich damit nicht, ich weiß.
>> antworten