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Trollhunter

Trollhunter

OT: Trolljegeren
MOCKUMENTARY: Norwegen, 2010
Regie: André Øvredal
Darsteller: Otto Jespersen, Hans Morten Hansen, Tomas Alf Larsen, Johanna Mørck

STORY:

Also doch! In den endlos anmutenden, norwegischen Wäldern gibt es Trolle! So etwas muss in Bild und Ton dokumentiert werden, denken sich drei Studenten, bewaffnen sich mit einer Handkamera, ziehen mit dem alten Wilderer Hans ins dunkle Gehölz und wurden nie wieder gesehen. Ihre Kamera aber schon. Und die darauf enthaltenen Aufnahmen legen bitter Zeugnis ab, vom Schicksal der Trolljegeren...

KRITIK:

Wenn du dich mit dem bärtigen Haudegen Hans ins finstere norwegische Tann begeben willst, um Trolle zu jagen, solltest du tunlichst nicht an Gott oder Jesus glauben und du solltest gewaschenen Schrittes sein. Denn sie, die Trolle, können nicht nur Christenblut, sondern auch den Fisch in deiner Unterhose riechen!

Seltsam (und ein bisschen eklig), aber so haben es sich schon die Stammesweisen in grauer heidnischer Vorzeit erzählt. Und so steht es nicht nur in den alten Sagen der Nordgermanen, sondern auch im Booklet ein jeder Finntroll-CD geschrieben.

Der Themenabend heute: Trolle. Laut Simeks "Lexikon der germanischen Mythologie" versteht man unter "Trolle" riesenwüchsige Unholde, die dem Menschen im Allgemeinen und dem Christen im Besonderen feindlich gesinnt sind. Sie hausen in entlegenen Wäldern, Berglandschaften, stillgelegten Minen oder unter Brücken.

Jetzt seid ihr schon fast gerüstet für diese 2,5 Millionen Euro schwere Filmproduktion aus Norwegen. Was jetzt noch zur perfekten Einstimmung fehlt, sind eine gepflegte halbe Stunde Pagan Metal und ein kräftiger Schluck Met aus dem beim letzten Mittelaltermarkt erstandenen, handgeschnitzten Horn. Musik aus, Horn geleert, Film ab!

Das für ein kleines, norwegisches Monster-Feature doch recht stattliche Budget sieht man TROLLHUNTER zunächst nicht an. Der erste zwiespältige Eindruck: Jesus -Ups!- Donar, bitte nicht schon wieder so eine verdammte Wackeldackel-Mockumentary in der mittlerweile doch ziemlich überstrapazierten BLAIR WITCH PROJECT-Manier. Schon die einleitende Texttafel, die uns darüber aufklärt, dass das folgende Filmmaterial von einer Kamera stammt, die das letzte Vermächtnis einer Gruppe verschollener, studentischer Hobbydokumentarfilmer darstellt, erinnert fatal an den abendfüllenden Waldspaziergang zum Hexenrohbau der Blair Witch. Hat mir anfänglich überhaupt nicht gefallen, weil das Genre meiner Meinung nach schon seit CLOVERFIELD Gefahr läuft, eine Überdosis Handkamera zu erleiden.

Doch hey, nach einer Viertelstunde funktioniert das Konzept des pseudodokumentarischen Stils plötzlich. Was eventuell daran liegt, dass man nicht halbe Ewigkeiten im Kreis durch einen Wald stolpert, keine heilige Furcht vor zusammengebastelten Holzmännchen empfindet, welche von Kindergartenkindern im Wald vergessen wurden und auch nicht versucht, vor laufender Kamera den Weltrekord im Rotz-und Wasser-Flennen zu brechen - wie die gute Heather Donahue im BLAIR WITCH PROJECT. Vor allem wird die Legende, auf deren Spuren man wandelt, im Film ziemlich früh sichtbar.

Und jetzt geht der Spaß los! Baumhohe, wilde Trolle mit drei Köpfen, unglaublichen Riechkolben und starken haarigen Armen stampfen plötzlich durchs Unterholz, während die (gar nicht mal so wackelige) Handkamera läuft. Der erfahrene Trolltöter Hans, so eine Art Siegfried im skandinavischen Redneck-Gewand mit Vollbart und Bauch, verteilt einen Eimer Christenblut auf einer Brücke, um Trolle anzulocken. In einer anderen vergleichsweise ruhigen, aber großen Szene untersucht eine medizinische Laborantin Trollblut unterm Mikroskop und referiert dann darüber, warum manche Trolle bei Sonnenlicht zu Stein erstarren und andere gar explodieren. Das ganze abstruse Märchen- und Mythengarn wird hier vordergründig so bierernst und hintergründig so furztrocken augenzwinkernd ironisch dargeboten, dass TROLLHUNTER in seinen besten Momenten, die sich vor allem im Mittelteil und im WTF-Endspurt finden, hohe Mockumentarykunst darstellt.

Irgendeine norwegische Zeitung hat geschrieben, der von der Kritik ohnehin zwiespältig aufgenommene TROLLHUNTER wäre nicht originell und stets vorhersehbar. Aber für einen unoriginellen und stets vorhersehbaren Streifen finden sich in diesen knapp hundert Minuten ziemlich viele einzigartige Bilder, Szenarien und Dialoge, die ich so bislang noch nicht gesehen oder vernommen habe. Und Thor weiß, dass meine Augen schon viele tausend Filme gesichtet haben.

Spätestens, wenn im finalen Morgengrauen - Troll by Dawn!- ein 100 (!)- Meter großer Troll über norwegische Hügel wie wir über Hundehäufchen steigt, reckte ich mein Methorn gen Asgard und pries TROLLHUNTER als den größten aller Trollfilme! Okay, da es mit Konkurrenz (noch) nicht weit her ist, mag das noch keine große Aussagekraft haben - und doch ist TROLLHUNTER schon jetzt großes, schräges Entertainment.

Allerdings sollte man sich dem Film mit der richtigen Erwartungshaltung nähern und keine Nonstop-Monsterbambule erwarten; das "wahre" Leben (und eine Mockumentary -selbst eine über hochhaushohe Trolle- steht bekanntlich in der Pflicht, sich nah am wahren Leben zu orientieren...) ist nun mal kein Michael Bay-Krawall. Demnach wird weder Oslo noch Bergen von Trollzillas oder Trollbots in Schutt und Asche gelegt, sondern man begnügt sich mit kleinen, aber feinen Spannungsmomenten; etwa in der Art, ob sich der Troll nun den Ziegenköder auf der Brücke krallt oder nicht... Oder ob es Hans gelingt, einem Troll Blut abzuzapfen, damit es seine Gespielin später im Krankenhauslabor  analysieren kann. Und hält eine Ritterrüstung einem vorschlaghammerartigen Trollangriff stand?

Natürlich kann man sich jederzeit auf die unvergleichlich majestätisch-düstere, fast archaisch anmutende Atmosphäre der norwegischen Wälder, Seen und Berge verlassen. Das ist eine Landschaft, die wahrlich wie geschaffen für Trolle scheint und einen selbst fast an solche glauben ließe, wenn nicht da dieser omnipräsente, als Bierernst getarnte Witz wäre.

Den Schluss allerdings hätte ich mir dann doch etwas spektakulärer gewünscht. Etwa: Letzte Einstellung zeigt die sich zum tödlichen Stampfer senkende warzige Fußsohle des 100 Meter-Trolls, gefolgt von shriek und matsch und weißem Rauschen! Okay, dabei wäre mit Sicherheit auch die Kamera zu Bruch gegangen und damit hätte eine solche Schlusssequenz nicht ins Konzept des geborgenen Filmmaterials gepasst; trotzdem schade, dass sich der TROLLHUNTER nicht mit einem Feuerwerk, sondern "nur" mit der Wunderkerze verabschiedet.

Zum Abschluss noch ein Wort zu den Effekten: Die Güte der Trollauftritte reicht von cool, beeindruckend, charmant, angetrasht bis hin zu drollig. Und da diese Review auch schon wieder Trollausmaße angenommen hat und weil das Hollywood-Remake (Bei Odin! Bitte nicht Bay!) schon im Anmarsch ist, verabschiede ich mich jetzt ganz schnell mit diesem mehr oder weniger gelungenen Wortspiel aus Jötunheim. Und denkt daran, wenn ihr das nächste Mal in den Wald geht: Sie können Christenblut riechen...

Trollhunter Bild 1
Trollhunter Bild 2
Trollhunter Bild 3
Trollhunter Bild 4
Trollhunter Bild 5
Trollhunter Bild 6
FAZIT:

Erwartet man einen zerstörungsorgiastischen Monsterflick, könnte man enttäuscht werden. Denn TROLLHUNTER ist nicht "Trollzilla" oder "Trollformers", sondern eine schräge Mockumentary, die gekonnt, sympathisch und vor allem kauzig die nordische Sagenwelt mit dem BLAIR WITCH PROJECT verbindet und dabei wohl mehr aus Versehen zur heimlichen, aber schwerunterhaltsamen Persiflage auf beides wird.

Kleinere dramaturgische Schwächen werden mit Witz, augenzwinkernder Ironie, charmanter Tricks und der herrlich düsteren, nebelverhangenen norwegischen Landschaft wettgemacht und spätestens wenn im Morgengrauen -Troll by Dawn!- ein 100 (!)- Meter großer Troll über norwegische Hügel wie ich über Hundehäufchen steigt, recke ich mein Methorn gen Jötunheim und preise TROLLHUNTER als den mächtigsten aller Trollfilme! Angesichts der praktisch nicht vorhandenen Konkurrenz in diesem Metier, mag dies (noch) keine große Aussagekraft haben, aber Filmgeschmackssonderlinge und solche, die es werden wollen, sollten trotzdem zugreifen. Ach, eins noch (mit Zwinkern): Beschwerden über zu hohe Bewertungen haben in diesem konkreten Fall nur Gewicht, wenn ihr mir einen besseren Trollfilm nennen könnt.

WERTUNG: 8 von 10 Litern Christenblut
TEXT © Christian Ade
Dein Kommentar >>
Wambo | 24.04.2014 00:19
@ Christian: Mit Kindheitsbonus "Walhalla"!
Trollhunter ist auf jeden Fall großes Kino - macht einfach riesigen Spass. Und super Review! ^^
Chris | 29.04.2014 06:09
Vielen Dank! : )
>> antworten
DavinFelth | 15.09.2011 22:16
Bisher bin ich Troll-Filmen immer etwas aus dem Weg gegangen, aber dieser Film macht mich geradezu zum Troll Fan! Tolle Bilder, tolle Atmösphäre gepaart mit etws Grusel und Fantasy, super unterhaltsam...kann der Wertung nur beipflichten, hoffentlich gibts eine Fortsetzung!
>> antworten
Ralph | 10.09.2011 11:33
Ich kann nur zustimmen. Das wahr ein herrlich bescheuertes Vergnügen. Deine Wertung ist absolut gerechtfertigt!

SPOILER
Vor allem die Szene am Schluss, wo sie versuchen den Riesentroll mit dem Scheinwerfer zu versteinern. Das hat so bescheuert ausgesehen, ich hab mich gebogen vor lachen. Herrlich! :)
SPOILER Ende.
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