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Walk the Line

Walk the Line

DRAMA: USA, 2005
Regie: James Mangold
Darsteller: Joaquin Phoenix, Reese Witherspoon

STORY:

Filmbiografie des legendären Man in Black Johnny Cash, basierend auf seiner Autobiografie "Cash".

KRITIK:

Walk the Line Schlagt mich, aber ich muss zugeben, dass ich den Man in Black, wie Johnny Cash genannt wurde, erst sehr spät für mich entdeckt habe. Dass der ehemalige Country-Barde 1994 mit Hilfe von Produzentenguru Rick Rubin (bekannt für seine Arbeiten mit Slayer, System of a Down, Red Hot Chili Peppers, Beastie Boys u.v.a.) musikalisch völlig neue Wege beschritt, ging damals schändlicherweise an mir vorbei.

Weil ich mir meine tägliche Dosis musikalischen Weltenschmerzes Mitte der Neunziger woanders holte.

Bei The Cure, Nirvana, später auch Smashing Pumpkins und Radiohead. Dabei gelten Johnny Cashs "American Recordings" längst als moderne Klassiker. Weil es diese tragische, stets schwarzgewandete Schmerzensgestalt verstand, Songs von so unterschiedlichen Künstlern wie U2, Depeche Mode oder Nine Inch Nails in einer Weise zu intonieren, als wären diese Stücke extra für ihn geschrieben worden. Hört euch mal "Hurt" an. Ein Wahnsinns-Song, der mir immer wieder die Gänsehaut auf den Rücken oder Tränen in die Augen treibt, je nach Tagesverfassung ...

Warum ich euch das erzähle? Weil die Film-Biographie Walk the Line diese künstlerisch bedeutungsvollste Phase im Leben von Johnny Cash mit keiner Sekunde würdigt. Der Film visiert ein völlig anderes Publikum an. Die Leute im Saal sahen mir jedenfalls nicht danach aus, als würden sich bei ihnen zuhause Platten von Slayer, System of a Down oder Red Hot Chili Peppers stapeln ... Wie auch immer.

Walk the Line Walk the Line erzählt von Johnny Cashs schwieriger Kindheit auf der väterlichen Baumwoll-Farm, vom tragischen Unfalltod seines Bruders, der Soldatenzeit in Deutschland, der frühen Heirat, der ersten Plattenaufnahme. Dann der überwältigende Erfolg, die anfangs unerwiderte Liebe zur Countrysängerin June Carter, die Depressionen, der Absturz in den Alkohol- und Amphetamin-Sumpf. Und schließlich die legendäre Gefängnis-Konzerte, die sein erstes Comeback Ende der Sechziger einläuteten.

Doch der Rest seines Lebens, die 35-jährige Ehe mit June Carter, das gefeierte Comeback als düsterer Man in Black Mitte der Neunziger, seine lange Krankheit und sein Tod 2003, all das wird hier ausgespart.

Walk the Line Obwohl hier vieles (das Wesentliche?) fehlt, ist Walk The Line mit 136 Minuten mindestens eine dreiviertel Stunde zu lang geraten. Warum?

Weil hier an allen Ecken und Enden geglättet, entschärft und verkitscht wurde. Hollywood eben. Da sehen Rockstar-Exzesse aus wie ein mittelschwerer Maturaball-Absturz (es werden Bierflaschen auf den Boden geworfen, hach, wie schockierend), da dauern Sex-Szenen exakt zwei angedeutete Sekunden, da bleibt die Kamera endlos lange auf perfekt geschminkten Gesichtern kleben, da werden Kalendersprüche Marke "Wenn du an dich glaubst, kannst du alles erreichen" aufgesagt, bis es weh tut.

Ein Reinfall also? Nein, doch nicht. Denn die Schauspieler sind wirklich gut. Joaquin Phoenix und Reese Whiterspoon, die im Film auch selbst singen, werden bei der Oscar-Verleihung gewiss nicht übersehen werden. Zu Recht, denn ihre zahlreichen Gesangs-Auftritte sind wirklich erstaunlich und haben mir den Kinoabend doch irgendwie gerettet. Wenn Hollywood irgendetwas kann, dann Schauspieler zu Höchstleistungen antreiben. Für einen wirklich guten Film reicht das aber nicht.

FAZIT:

Ambitioniertes, sehr gut gespieltes, aber zu glattes und braves Bio-Pic, das der Widersprüchlichkeit seines Protagonisten in keinster Weise gerecht wird. Ob Johnny Cash diese Durch-und-Durch-Mainstream-mäßige Verfilmung seiner bewegten Jugendjahre gefallen hätte? Ich bin mir nicht sicher.

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