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Was geschah wirklich mit Baby Jane?

Was geschah wirklich mit Baby Jane?

OT: What Ever Happened to Baby Jane?
PSYCHOTHRILLER: USA, 1962
Regie: Robert Aldrich
Darsteller: Bette Davis, Joan Crawford, Victor Buono, Maidie Norman

STORY:

Es waren einmal zwei kleine Mädchen, die Schwestern waren.
Die eine - Jane- war blond gelockt und süß, aber auch verwöhnt, verzogen und eingebildet.
Die andere - Blanche - schien genügsamer zu sein. Ein liebes Mädchen, welches aber immer im Schatten der jüngeren Schwester stand. "Baby" Jane war nämlich ein gefeierter Kinderstar und sang und tanzte auf der großen Bühne und man konnte sogar nach ihrem Ebenbild angefertigte Puppen kaufen.
Doch als die beiden Kinder älter und zu jungen Frauen wurden, wendete sich das Blatt. Nun war Blanche ein großer Filmstar in Hollywood, während sich für Baby Jane niemand mehr interessierte. Aus Neid auf den Erfolg ihrer Schwester und aus Trauer über den eigenen vergangenen Ruhm, begann Jane zu trinken.
Dann ereignete sich eines Nachts nach einer Party ein schrecklicher Unfall, der Blanche in den Rollstuhl brachte und an dem Baby Jane offenbar nicht ganz unschuldig war.

 

Danach zogen sich die beiden Schwestern zurück und lebten gemeinsam in einem Haus und von Blanches Bankkonto.
Wieder vergingen die Jahre. Die beiden Schwestern sind nun ältere Frauen.
Wohl aus Schuldbewusstsein hat Jane die gelähmte Blanche über Jahre hinweg gepflegt und ist mittlerweile zu einer Alkoholikerin geworden, die zunehmend an Realitätsverlust leidet. Und außerdem steckt sie immer noch voller Hass und Missgunst.
Als Jane eines Tages herausfindet, dass Blanche plant, das Haus zu verkaufen und Jane in eine Nervenheilanstalt einweisen lassen will, eskaliert der Wahnsinn im Heim der beiden Schwestern.
Die nun vollends psychotische Jane bereitet ihrer hilflos an den Rollstuhl gefesselten Schwester ein grausames Martyrium…

KRITIK:

Der erste Coup von vielen, die Regisseur Robert Aldrich in seinem brillanten wie makabren WAS GESCHAH WIRKLICH MIT BABY JANE? gelandet hat, war sicherlich die Verpflichtung von Bette Davis (Jane) und Joan Crawford (Blanche) für die Rollen der verhassten Schwestern.

Die beiden zum Zeitpunkt dieser Produktion 54 und 57 Jahre alten Schauspielerinnen sind zwar keine wirklichen Schwestern, aber ihre Leben und Karrieren offenbaren erstaunlich viele Parallelen. Beides Diven mit ruhmreicher Hollywood-Vergangenheit. Beide sollten später in den Biographien ihrer Töchter als Rabenmütter dargestellt werden. Sowohl Davis' als auch Crawfords Stern war anno 1962, dem Produktionsjahr von WAS GESCHAH WIRKLICH MIT BABY JANE, schon längst verblasst. Und für beide wurde BABY JANE ein gelungenes Comeback (welches Bette Davis sogar eine Oscar®-Nominierung für die beste Hauptrolle beschert hat).

Trotz aller signifikanten Gemeinsamkeiten konnten sich die beiden Damen im richtigen Leben auf den Tod nicht ausstehen. Doch gerade diese gegenseitige Aversion dürfte der Hauptgrund dafür gewesen sein, warum das Psychoduell in WAS GESCHAH WIRKLICH MIT BABY JANE? so intensiv wirkt. Es ranken sich sogar Legenden darum, dass etwa bei der Szene, in welcher Jane die auf dem Boden liegende Blanche mit Tritten traktiert, die Davis die Steilvorlage des Drehbuchs eiskalt ausgenutzt und der Kollegin Crawford mit Vorsatz ein paar böse blaue Flecke verpasst haben soll. Hollywood isn´t a kindergarten… und das Haus der Schwestern alles andere als ein trautes Heim.

Wenn die Davis in genialem Borderline des Satans Pflegekraft spielt und grell geschminkt im weißen Kleidchen wie eine verrückte, greise Version der eigenen "Baby Jane"-Puppe durch das Haus wütet, der Schwester zum Abendgedeck tote Ratten auf Salat serviert oder in geistiger Umnachtung ihren alten Hit "I`ve written a letter to Daddy; his adress is heaven above!" krächzt, den sie einst vor vielen Jahrzehnten mit glockenheller Kinderstimme vor großen Publikum vorgetragen hat, weiß ich wieder, warum Bette Davis eine meiner Lieblingslabilen im Filmregal ist.

WAS GESCHAH WIRKLICH MIT BABY JANE? ist trotzdem mehr als bloßer Psychothrill. Die düstere Geschichte der Schwestern ist in gleichen Maßen Drama und - wenn man Johannes Willms, dem Kulturkorrespondenten der Süddeutschen Zeitung folgen will - auch eine "tiefschwarze, bittere Satire auf die dem Jugendlichkeitswahn verpflichtete amerikanische Filmindustrie". Daneben beschreibt er recht eindringlich das gefährliche Potenzial jener psychischen Belastung, die mit der Dauerpflege eines invaliden Angehörigen unweigerlich einhergeht und die auch im wirklichen Leben nicht selten in offenen Abscheu und Aggression umschlägt.

Aldrich ist in diesem vielschichtigen Werk das Kunststück geglückt, keine der genannten Komponenten zu vernachlässigen. Mehr noch, er lässt die Elemente des Dramas und des Thrillers so fließend ineinander übergehen, dass am Ende ein Film steht, der in beiden Genres brilliert, ohne verwässert zu wirken.

Den deutlichsten Beweis tritt hier die unglaublich packende und exzellent inszenierte Schlusssequenz am sommerlichen Badestrand an. Die Spannung wird auf die Spitze getrieben; der Wahnsinn auch. Dann folgt einer der effektivsten Plottwists in History, der der Handlung nicht nur eine noch tragischere Note verleiht, sondern sie mit grausamer Intelligenz geradezu auf den Kopf stellt. Diese Wendung sollte der Zuschauer als Einladung verstehen, als Möglichkeit den Film noch einmal - aus neuem Blickwinkel - zu betrachten.

Was geschah wirklich mit Baby Jane? Bild 1
Was geschah wirklich mit Baby Jane? Bild 2
Was geschah wirklich mit Baby Jane? Bild 3
Was geschah wirklich mit Baby Jane? Bild 4
Was geschah wirklich mit Baby Jane? Bild 5
Was geschah wirklich mit Baby Jane? Bild 6
Was geschah wirklich mit Baby Jane? Bild 7
FAZIT:

Hollywood Diva Death Match. Im Ring bekriegen sich Bette Davis und Joan Crawford. Wir erleben ein intensives, spannendes, tragisches und auch tödliches Psychoduell mit einem letzten Frame, der lange im Gedächtnis bleibt.

Phasenweise ist Aldrichs Vorgänger zu seinem zwei Jahre später entstandenen nächsten Genreklassiker HUSH...HUSH, SWEET CHARLOTTE schlichtweg brillant.

In diesem Sinne: "But Y'are, Blanche!"

WERTUNG: 9 von 10 alten Baby Jane-Puppen
TEXT © Christian Ade
Dein Kommentar >>
Nico | 14.12.2010 13:17
Ja, den Film werde ich mitsamt diesem tollen Titel nie vergessen! Echt n großartiges Stückerl, das Spaß macht und einem auch ein bisserl Gänsehaut bereitet... allein diese fürchterlich entstellte Bette Davis-Fratze... für mich immernoch wunderbar und fast unglaublich, dass so eine gefeierte Diva in so einem Film mit ihrer physisch-skurill-obskuren Präsenz das Image verhöhnt, für das Hollywood berühmt und gefürchtet war... - Robert Aldrich war einer der interessantesten Filmemacher zu der Zeit... (Rattennest!!!) Baby Jane ist sicher einer meiner Lieblingsfilme mit seinen vielen spannenden, erschreckenden und bizarren Momenten...
Chris | 14.12.2010 17:34
RATTENNEST kenne ich leider noch nicht. Aber mir persönlich gefiel sein Western KEINE GNADE FÜR ULZANA noch ziemlich gut.
Btw. kurz in eigener Sache:
Wie ihr seht, führe ich das kleine "Classic Psychothriller-Special" in der bewährten Reviewform fort. Der Grund dafür ist, dass das Special während des Schreibens und Recherchierens und Filme zusammentragen stets und ständig gewachsen ist, bis es irgendwann sicherlich zum kleinen Buch mutiert wäre, wenn ich die Zeit hätte, die ich als Hobbyfilmkritiker mit Vollzeitjob und Familie nicht immer habe. Doch wie gesagt, das Projekt wird in Reviewform weiterleben... : )
Marcel | 14.12.2010 20:47
Rattennest läuft öfters im TV. Unbedingte Sehempfehlung. Kleiner, unbarmherziger Sci-Fi-Klassiker.
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