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Wicked City

Wicked City

OT: Yôjû Toshi
ANIME/HORROR: JAPAN, 1987
Regie: Yoshiaki Kawajiri
Darsteller: -

STORY:

Die Welt der Menschen und die Welt der Dämonen existieren ganz nahe nebeneinander. So nahe, dass es Schnittstellen gibt, die den Dämonen erlaubt, die Welt der Menschen zu betreten und umgekehrt. Einzig und allein ein jahrhundertalter Waffenstillstandspakt wahrt noch den fragilen Frieden. Doch der läuft in wenigen Tagen ab. Botschafter der Menschen und einziger Friedensgarant ist ausgerechnet ein uraltes, gnomenhaftes, notgeiles Hutzelmännchen, welches schon bei den damaligen Friedensgesprächen gute Konditionen für die Menschen ausgehandelt hat. Ein menschlicher Bodyguard und eine dämonische Leibwächterin müssen eine Nacht lang das Leben dieses skurrilen Diplomaten schützen, damit der Waffenstillstandsvertrag erneuert werden kann. Doch einige blutdürstende Dämonen sind auf Apokalypse aus, pfeifen auf einen Waffenstillstand und wollen den Botschafter aus dem Weg räumen. Was dessen Leibwache eine alles andere als ruhige Schicht in der WICKED CITY beschert ...

KRITIK:

Schon in den Achtzigern hatte ich mit Anime zu tun. Allerdings saß ich damals noch gebannt vor NILS HOLGERSSON, WICKIE und CAPTAIN FUTURE. Zur gleichen Zeit in einem mir damals freilich fernen Paralleluniversum - auch genannt Erwachsenensektor - verlor der japanische Zeichentrickfilm allmählich seine Unschuld. Was man dem (volljährigen) Publikum in realen Filmen nicht zeigen durfte oder rein technisch noch nicht konnte, fand in dieser Zeit Einzug in die Kunstform Anime.

1984: LOLITA ANIME, der erste Hentai. Zwei Jahre später folgten in einer nuklearen Postapokalypse die deftig-splattrigen Mutantenbalgereien von FIST OF THE NORTH STAR. Ende der Achtziger schließlich die Verquickung von Sci- Fi, Dämonen, Hardcore und Gewalt im berühmt-berüchtigten UROTSUKIDÔJI. Doch noch zwei ganze Jahre vor letzterem gingen erstmal in der WICKED CITY die Lichter an.

Warum die Verweise auf LOLITA ANIME und FIST OF THE NORTH STAR? Nun - WICKED CITY, der Opener der lose zusammenhängenden "City"-Trilogie von Yoshiaki Kawajiri, verwendet sowohl Elemente des Hentai als auch des Splatters. Dabei schlägt er nicht völlig über die Stränge, geizt aber auch nicht mit expliziten Szenen. So bekommt man neben platzenden Körpern, abgerissenen Gliedmaßen und ähnlichen Leckereien von der Fleischtheke auch viel Sex und gar eine in gewohnter Widerwärtigkeit erstrahlende Tentakeleinlage zu Gesicht.

Doch der Film hat ein noch größeres Steckenpferd. Und das heißt Mutation. Autor Kikuchi und Regisseur Kawajiri kennen ganz bestimmt Carpenters DAS DING AUS EINER ANDEREN WELT und ihnen hat gefallen, was sie dort gesehen haben.

Begeistert wie kleine Kinder, aber wie verrückte Götter spielen sie mit den Anatomien von Mensch, Tier und Dämon und lassen sie fröhlich umeinandermutieren. Man könnte fast schon sagen, dass die WICKED CITY berühmt für ihre Mutationen ist. Und in diesem Sex- und Gewaltreigen tanzen sie mittendrin. Die Anhänger des Neuen Fleisches.

Da verwandelt sich der One Night Stand plötzlich in etwas Arachnides und wo Spidey seine Netze aus den Fingern schießt, benutzt das WICKED CITY-Girl dazu einfach die Mumu. Bei den dämonischen Killerkommandos gibt es gar ein Wiedersehen mit den zuschnappenden Rippenbögen aus der oben erwähnten Carpenter-Referenz und darüber hinaus Tentakel satt, weil Japaner haben es ja, das Lovecraft-Gen.

Während meiner Stadtrundfahrt durch die WICKED CITY war ich noch unentschieden, ob Dinge wie "Leibwächter der Finsternis", "spirituelle Krankenhäuser" und notgeile, mit schwitzigen Fingern im Tokioter Hostessenbarführer blätternde 200-jährige Gnome nun kultige Rafinessen oder doch bloß kompletter Nonsense sind. Bei Opis bizarren Stelldichein mit einer wahrhaft monströsen Prostituierten habe ich (krankes Hirn) noch zu ersterem tendiert, doch nach einem völlig albernen Schlusstwist hat sich die Frage dann doch anderweitig geklärt.

Doch wie soviel Flicks mit dünnen Stories vor und nach ihr, glänzt auch die WICKED CITY wenn schon nicht mit Intelligenz oder Seriosität, dann eben mit anderen Vorzügen. Ob der schon wegen des Filmalters nicht mehr taufrische Zeichen- und Animationsstil zu diesen zählt, ist allerdings Ansichtssache. Während Fans von Klassiker-Charme, grotesker Kraft und purer Atmosphäre reden, könnten weniger eingenommene Beobachter zum Schluss kommen, dass die WICKED CITY optisch überholt und längst nicht mehr up to date wirkt.

Andererseits sind es gerade die Altstädte, die oftmals ein besonderes Flair entwickeln. Das von WICKED CITY liegt wohl in der Noir-Schlagseite, welche dem Film von seinen Architekten kredenzt wurde. Nicht umsonst spielt die Eröffnungsszene in einer Bar. Und unser Held sieht auch nicht ohne Grund aus wie ein aus einem alten Raymond Chandler-Roman gefallener Privatdetektiv, der sogar stilecht als Ich-Erzähler aus dem Off zu uns sprechen darf. Zumindest solange ihm das möglich ist. Als plötzlich alles um ihn herum glitscht, mutiert, ihm oder seinem Klienten ans ans Leder will, kommt er ja kaum noch zum Luftholen geschweige denn zum erzählen. Aber immerhin: Der Noir-Verweis wurde mit einem Lächeln zur Kenntnis genommen.

Ein Ausbund an Sympathie war mir unser Dämonen-Marlowe trotzdem nicht, der alte notgeile Bock, den er eine Nacht lang beschützen muss, sogar noch weniger und Frauen mit buchstäblichen Vagina dentatas waren mir auch schon immer suspekt. Vielleicht erreicht dieses Frühwerk von Kawajiri-san in meinen Augen deswegen nicht die Klasse seines späteren Triumphs NINJA SCROLL aus dem Jahr 1993, doch ...

Wicked City Bild 1
Wicked City Bild 2
Wicked City Bild 3
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Wicked City Bild 9
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FAZIT:

... insbesonders die abseitigen Geschmäcker sollten sich davon nicht abschrecken lassen, denn die WICKED CITY ist für das geneigte Publikum definitiv eine Reise wert. In dezenter Noir-Atmosphäre gibt es milden Hentai und derben Splatter und vor allem Mutationen im Quadrat. Bei den letzteren haben die Architekten der WICKED CITY übrigens bei weitem mehr Einfallsreichtum bewiesen als beim Gestalten des Plots...Wurst! Das gewisse dunkle Flair hat diese Stadt. Und darüber hinaus -und das obwohl der Zutritt bereits ab 16 Jahren gestattet ist- eine so geballte Ladung an Sex, Blut und Tentakel, dass überzeugte Anime- Schweinepriester auf ihre Kosten kommen sollten.

WERTUNG: 7 von 10 mutierte One-Night-Stands
TEXT © Christian Ade
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