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Women without Men

Women without Men

OT: Zanan-e bedun-e mardan
DRAMA: D/F/ A, 2010
Regie: Shirin Neshat
Darsteller: Pegah Ferydoni, Arita Shahrzad, Shabnam Toloui, Orsolya Tóth

STORY:

Women without Men erzählt in poetischen Bildern von den Schicksalen und Befindlichkeiten vierer iranischer Frauen unterschiedlichen Alters und Herkunft, die vor dem Hintergrund des Militärputsches von 1953, wo der Schah mithilfe der CIA und des MI6 eine Militärregierung installierte, in einen magischen Garten fliehen, der ihnen die Möglichkeit zur Selbstbestimmung und Sicherheit bieten soll, wenn dies auch im Endeffekt nicht möglich sein wird.

KRITIK:

Dies ist der erste Spielfilm der iranisch-amerikanischen Künstlerin Shirin Neshat, die damit den gleichnamigen Roman der ebenfalls iranischstämmigen Autorin Shahrnush Parsipur verfilmte. Beide Werke sind ein Versuch die Vielschichtigkeit des Irans und seiner Kultur anhand von persönlichen Schicksalen und politisch-historischen Ereignissen darzustellen, wiewohl der Fokus natürlich auf der immer stärker werdenen kulturellen und geschlechtlichen Unterdrückung vor allem der Frauen, die im Iran ab der Revolution im Jahre 1979 noch um ein vielfaches verstärkt zum Tragen kam. Dabei wollte die Regisseurin aber nicht nur die damalige Zeit kommentieren, sondern auch die heutige Situation durch die schon damals sichtbaren Spuren der Veränderung.

Women without Men bedeutet in diesem Film übrigens nicht ohne Männer zu sein, es bedeutet vielmehr für sich selbst zu denken, nach seinen eigenen Empfindungen und Vorstellungen zu leben, die Freiheit seine Sehnsüchte zu stillen, all diese Aspekte der Selbstverantwortung frei ausleben zu dürfen.

Der magische Garten ist der in diesem Film wirklich gewordene Ort der Freiheit und des Friedens, der Versuch den Zwängen der Realität durch einen Ausflug ins Surreale zu entfliehen, in einen anderen Zustand, wo die vier Frauen, Oberschicht und Unterschicht, aufgeklärt oder religiös, traditionell oder modern, Hausfrauen oder politische Aktivistinnen, einen Ort finden, wo sie plötzlich alle gleich sind, der den gemeinsamen Nenner ihrer Weiblichkeit darstellt.

Der Film ist dabei übrigens nicht so avantgardistisch wie man vielleicht meinen möchte. Jeder dieser Ausflüge auf eine abstrakt-symbolische Ebene wird wieder in die Realität zurückgeholt und so geerdet.

Besonders gelungen dabei sind die in sandfarbener Ästhetik gehaltenen blassen Bilder, die sogar hie und da von visuellen Effekten unterstützt vom österreichischen Kameramann Martin Gschlacht hergestellt wurden, wo man sich dann fragt, wie zur Hölle er die (ich zitiere meinen Kollegen Harald) "Grindoptik" von zum Beispiel Immer nie am Meer verbrochen haben kann. Wenn man sich diese wunderbaren Kamerafahrten und Steadycam-Einsätze anschaut, ist man direkt versucht die "österreichische Kamera" doch nicht abzuschreiben, sein Kollege Christian Berger war immerhin für den Oscar nominiert.

So großartig sich das aber anhören mag, so visuell berauschend das Ergebnis auch ist, dieser Wille zur Schönheit ist neben der einen oder anderen zu klischeehaften Szene letztlich genau der Grund warum der Film dann doch scheitert und seine politische Aussage viel zu kurz und entkräftet daherkommt. Die revolutionäre Atmosphäre, die geschundenen Körper der Menschen, der Frauen, das Leid. All das bleibt hinter der Form zurück, und je weiter der Film voranschreitet, desto stärker franst er aus, etwa so wie ein Regenbogen, der sich kurz bevor er den Grund berührt im Nichts verliert. Ein Film, der doch soviel wollte, soviel hätte erreichen können, nur um sich dann am Ende hinter seiner überkandidelten Ästhetik zu verstecken. So wird aus kraftvoller, engagierter Poesie Kunst für die Kunst.

Women without Men Bild 1
Women without Men Bild 2
Women without Men Bild 3
Women without Men Bild 4
FAZIT:

Jetzt haben wir den Salat. Erlesene Zutaten: Schmerz, Revolution, geschundene Körper, Religiosität, die Rolle der Frauen, politischer Kampf ... Aber wenn man das ganze zu stark mariniert (zuviel visueller Zucker) wird es dann doch irgendwie geschmacklos. Daher insgesamt leider kein guter, aber ein trotzdem sehr interessanter Film.
Bis 19.10. im Gartenbaukino

WERTUNG: 6 von 10 Blütenblätter
TEXT © Ralph Zlabinger
Dein Kommentar >>
maulwurf | 21.09.2010 12:21
Hm ja, Ratlosigkeit der Woche passt gut.
Denn ich fand ihn absolut beeindruckend und schwanke zwischen 8-9/10.
Die politische Zurückhaltung ist angesichts der Verbrechen für den einen oder anderen vielleicht nicht nachvollziehbar, ich fand aber gerade das macht "Women withouth Men" so besonders im Gegensatz zu den meisten Filmen mit morgenländischem Sujet.

>> antworten
Nico | 20.09.2010 23:55
hm, werd ihn mir vielleicht dennoch anschauen!
Ralph | 21.09.2010 18:41
@Nico und Andreas: Auf jeden Fall anschauen gehen, wenn er euch interessiert. Wäre sehr gespannt auf eure Meinung.
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Andreas | 20.09.2010 23:45
aha... wäre eigentlich dafür ins kino gegangen, aber nun spar ich mir das.
>> antworten
Harald | 20.09.2010 21:23
Echt, hab ich das mit der Grindoptik gesagt? ;-)
Anyway, ich denke, das visuelle Ergebnis hängt immer öfter nicht allein vom Können des Kameramanns ab, sondern von der Qualität der eingesetzten Kameras, von der Beleuchtung, der Nachbearbeitung und - das wird oft vergessen: Von der Qualität der Projektion im Kinosaal. Bei eingeschaltetem Saal-Licht sieht auch ein Trailer von David Fincher wie ein Youtube-Clip aus.
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