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Zero Dark Thirty

Zero Dark Thirty

ACTION/DRAMA: USA, 2012
Regie: Kathryn Bigelow
Darsteller: Jessica Chastain, Jason Clarke, Kyle Chandler, Jennifer Ehle, James Gandolfini

STORY:

Die Jagd einer CIA-Agentin auf Osama Bin Laden, der War on Terror und all seine hässlichen Auswüchse aus amerikanischer Sicht.

KRITIK:

Das Meiste über diesen Film wurde bereits in Haralds Rezension geschrieben, viel bleibt da eigentlich nicht mehr zu sagen. Trotzdem habe ich irgendwie den Wunsch verspürt mich zu Kathryn Bigelows neusten Werk zu äußern.

Und der Grund dafür ist einfach. Zero Dark Thirty polarisiert wie kaum ein anderer aktueller Blockbuster der zur Zeit in den Lichtspielhäusern dieser Welt gezeigt wird. Liest man die Feuilletons der großen Nachrichtenblätter und Zeitungen wird der noch unschlüssige potentielle Kinogänger auch nicht wirklich schlauer. Hochwertiges, unwiderstehliches und meisterhaftes Actionkino ist da einerseits zu lesen. Als unerträglich und moralisch fragwürdig hingegen wird er von anderen Journalisten und Kritikern empfunden.

Die Wahrheit über Zero Dark Thirty liegt nicht etwa irgendwo in der Mitte dieser höchst unterschiedlichen Sichtweisen. Nein, meiner Meinung nach trifft, zumindest zu einem gewissen Teil, beides so ziemlich den Nagel auf den Kopf. Von Anfang an machte sich bei mir das Gefühl breit, dass Kathryn Bigelow hier einem die amerikanische Moralwatsche direkt um die Ohren hauen möchte: Der Bildschirm bleibt schwarz, das Datum des 11.September 2001 wird eingeblendet dann Originalaufnahmen der Notrufe aus dem World Trade Center.

Cut. Aufblende.

Ein Verhörraum in einem CIA-Geheimgefängnis in Saudi Arabien. Ein mutmaßlicher Terrorist, deutlich gezeichnet vom Verhör sitzt dreckig und schwitzend auf einem Stuhl, vor ihm ein Verhörspezialist.

"I'm going to break you. Any questions?"

Danach Folterszenarien angefangen vom Waterboarding über das Anlegen eines Hundehalsbandes bis hin zum Einsperren in eine enge dunkle Kiste. Der 11.September, danach Folter als legitimes Mittel zur Bestrafung der dafür Verantwortlichen? So könnte es bei dem einen oder anderen Zuschauer wohl ankommen. Einerseits.

Andererseits ist es die bittere Realität, dass Menschen, vor allem auch unschuldige Menschen, bis heute weltweit in Geheimgefängnissen der amerikanischen Gehimdienste gefoltert werden. Systematisch, nach perfide ausgeklügelten Mechanismen und unter staatlicher Kontrolle. Die durchaus erschreckende Szene in den ersten Minuten des Films kann dabei wohl nur als Spitze des Eisbergs betrachtet werden.

Aufgrund dessen könnte man natürlich auch davon ausgehen, dass Bigelow hier nur die ungefilterte, bittere Realität möglichst neutral und ohne Wertung in die Köpfe ihrer Zuschauer brennen wollte und außerdem genug Vertauen hatte, dass die Konsumenten dieses Films in der Lage sein würden genug intellektuelle und politische Autonomie aufzubringen um das Gezeigte auch für sich richtig einordnen zu können. "Die Samthandschuhe ausziehen" wie es George W. seinerzeit so treffend und medienwirksam formuliert hat.

Auch unsere Hauptdarstellerin kann sich mit den Verhörmethoden und der schmutzigen Kriegsführung des War on Terror sehr schnell anfreunden. Kompromisslos und zielgerichtet verfolgt sie den "gefährlichsten Mann der Welt" rund um den Globus, geht jeder noch so scheinbar unwichtigen Spur nach, verhört zahllose Zeugen und muss immer wieder aufs Neue die Sinnhaftigkeit und Erfolgschancen ihrer "Mission" bei ihren Vorgesetzten im Pentagon und in Langley unter Beweis stellen.

Das alles ist, wie ich zugeben muss, sehr sehr spannend und solide in Szene gesetzt. Handwerklich und dramaturgisch grenzt Zero Dark Thirty an der Perfektion. Die Inszenierung frisst sich buchstäblich in die verworrene und verstrickte Materie, ohne dabei jedoch den roten Faden zu verlieren. Immer wieder fügt sich ein Mosaiksteinchen auf das andere, bis am Ende ein großer, neon blinkender Pfeil auf Abbottabad zeigt. Wie bei einem Dampfkochtopf steigt die Spannung ins Unermessliche bis sich diese im fulminanten Showdown entlädt.

So war auch ich bis zum Ende hin und her gerissen von einer Mischung aus perfekt inszenierten Thriller und einem faden Beigeschmack aus fragwürdiger faschistoider Doktrin und aufgezwungener amerikanischer Sichtweise unseres Zeitgeists. Fraglich ist und bleibt auch die Authentizität und geschichtliche Fundierung des Stoffs. Denn die Wahrheit der Ereignisse rund um Osama Bin Laden liegt bis heute tief in den Archiven der CIA vergraben.

Legitimieren die Macher des Films hier das menschenverachtende Erbe der Bush-Administration im "Krieg gegen den Terror"? Soll das Publikum hier auf die Seite der Folterknechte gezogen werden, deren Mittel billigen und als salonfähig betrachten? Oder ist Bigelows Inszenierung durch die Tatsache dass die Folter als Methode in sogenannten "erweiternden Verhören" schon längst salonfähig geworden ist nur konsequent und Abbild der knallharten Wirklichkeit? Kann sein, kann auch nicht sein.

Ich habe mich irgendwann entschieden meinem politisch denkenden Areal meines Hirns eine Auszeit zu gönnen und einfach den Film zu genießen... Denn ich muss mich der Tatsache geschlagen geben, dass mich der Film von der ersten bis zur letzten Sekunde blendend unterhalten hat.

Also Harald, I Agree!

Zero Dark Thirty Bild 1
Zero Dark Thirty Bild 2
Zero Dark Thirty Bild 3
Zero Dark Thirty Bild 4
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Zero Dark Thirty Bild 6
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Zero Dark Thirty Bild 8
Zero Dark Thirty Bild 9
Zero Dark Thirty Bild 10
FAZIT:

Ein handwerklich und dramaturgisch perfekt inszenierter Thriller bei dem sich jedoch von Anfang an ein fader Beigeschmack breit macht...

Der Cineast gewann jedoch schnell gegenüber der linken Bazille in mir die Oberhand daher:

WERTUNG: 8 von 10 Terrorverdächtige die aussehen wie Gandalf
TEXT © Djan Hajo
Dein Kommentar >>
Harald | 19.02.2013 22:59
Danke fürs Agree ;-)
Nein, ernsthaft; der Film polarisiert natürlich; und die politisch
bewussten Teile meines Hirns hatten ebenfalls heftig zu kauen an
diesem Teil. Ich bin ja, was die "amerikanische" Sichtweise angeht,
ziemlich gespalten. So sehr mich die auf Lügen basierende
Kriegspolitik von Bush und seinen Fädenziehern ängstigte, so sehr
ich die Quasi-Legalisierung von Folter als Rückschritt ins finstere
Mittelalter verabscheue, so sicher bin ich in meiner Überzeugung,
dass wir pazifistisch orientierten Mitteleuropäer es uns ein bissl zu
einfach machen mit unserem immer latent mitschwingenden Anti-
Amerikanismus.
Mich hat damals die linke Wiener Wochenzeitung 'Falter' sehr
beeindruckt: Eine Woche nach dem 11. September, als gerade in
linken Kreisen schon die übelsten anti-amerikansichen
Verschwörungstheorien kursierten, kam die Zeitung mit der
Schlagzeile "Wir sind alle New Yorker" raus.
Weltoffene, und in diesem Moment schwer verunsicherte New
Yorker, und nicht z.B. rechte Texaner. Das war ein schönes
Statement.
Und ich denke, Kathryn Bigelow gehört auch nicht unbedingt zur
kriegsgeilen Texaner-Fraktion der amerikanischen Politik, sondern
zu den verunsicherten weltoffenen New Yorkern. Ihren Film lese ich
nicht als Folter- und Kriegsverherrlichung, sondern als Werk über
Abstumpfung und De-Humanisierung durch den Krieg.
v467 | 22.02.2013 22:55
o_0
Ja genau wir machen uns alle zu einfach, da hast du recht. Vor allem diejenigen die an ihre heile Welt nichts kommen lassen wollen. Wir haben wieder nichs gewusst... lol
Und diese Obama Geschichte. Ne richtige Heldentat, einen alten Mann in seinem Haus inmitten seiner Familie über den Haufen zu schiessen. Wirklich glorreich. Obs wirklich den alten CIA Kollegen getroffen hat sei dahingestellt
Harald | 22.02.2013 23:11
Obama oder Osama?
v467 | 23.02.2013 11:31
:) Ist zugleich eine Obama wie ne Osama Geschichte. Wobei erstgenannter weitaus mehr Tote zu verantworten hat.
Harald | 23.02.2013 15:33
Klar, der US-Präsident lässt ja praktisch täglich irgendwo einen
entführten Pasagierjet in ein Hochhaus knallen.
v467 | 23.02.2013 17:20
"Klar, der US-Präsident lässt ja praktisch täglich irgendwo einen
entführten Pasagierjet in ein Hochhaus knallen. "

Das nun zwar nicht, aber so unbedeutende Kleinigkeiten wie foltern und die Welt in Brand setzen... Obama oder Bush bleibt sich gleich. Hey es gibt mittlerweile so viele Wege sich zu informieren und es besser zu wissen... Ignoranz ist nicht mehr so einfach zu entschuldigen wie vor 100 Jahren :p Vor allem nicht bei vermeintlich gebildeten Zeitgenossen.
Harald | 23.02.2013 22:44
Schön. Nenn mir ein paar Quellen, um die Dinge "besser zu wissen".
Ich bin ja lernbegierig.
Aber wenn's geht, bitte keinen Kopp-Verlag, keine Protokolle von Zion
o.ä.
v467 | 24.02.2013 00:14
Naja, es ist ja gar nicht so schwer. Außerhalb der sogenannten Weltgemeinschaft findet sich doch tatsächlich noch eine weitaus größere Welt. Nimm halt mehrere Quellen in Anspruch und bleib kritisch und wachsam. Wär doch schonmal ein Anfang.

Ich finde es doch immer wieder interessant zu sehen wie Menschen alles Mögliche bereit sind zu akzeptieren und zu glauben.

Dieser Film soll ja die Folter und den "Krieg gegen den Terror" nicht glorifizieren sondern nur den derzeitigen Zustand wiederspiegeln. Damit wird aber auch zugleich das dargestellte als legitim und normal nahe gebracht. So ist das halt nun mal im Krieg wie die Maischberger mal gesagt hat, da darf auch mal gefoltert werden.

Ich brauche keine politische Bewertung eines Films, ich brauch aber auch keine Empfehlungen für Kampfgeschwader Lützow oder ähnlichem für den guten Unterhaltungswert.
a-l-e-x | 13.07.2015 12:25
Zweieinhalb Jahre nach deinem Kommentar erregt mich deine
Aussage immer noch und obwohl du mein Statement
wahrscheinlich nie lesen wirst, muss ich es doch hinterlassen...

"Dieser Film soll ja die Folter und den "Krieg gegen den Terror"
nicht glorifizieren sondern nur den derzeitigen Zustand
wiederspiegeln. Damit wird aber auch zugleich das dargestellte als
legitim und normal nahe gebracht."

Liebe(r) v467 das ist Kulturpessimismus allerfeinster
(Frankfurter)Schule. Du sprichst hier den Rezipienten jederlei
Selbstkonstruktion von Bedeutung und intellektuelle Kompetenz
ab. Deiner Auffassung nach wäre jede (nicht total polarisierende)
Doku über die Abholzung von Regenwäldern ein Stabilisator des
umweltsündigen Status Quo, da sie die Abholzung als legitim und
normal darstellt. Oder gilt deine Aussage wieder mal nur dem
amerikanischen Unterhaltungsfilm?!

Ich würde empfehlen über eine Polysemie des (filmischen) Textes
auch in diesem Falle nachzudenken, denn ich habe Zero Dark
Thirty ganz und gar nicht hegemonial (foltertechnisch)
stabilisierend gelesen. Und insbesondere die letzte Szene, in
welcher Maya verloren im Transportflugzeug sitzt, kann subjektiven
Aufschluss über die Orientierungslosigkeit eines Landes geben,
welches ohne die Jagd nach ihrem Staatsfeind Nummer Eins erst
einmal mit seinen eigenen Verbrechen an der Menschlichkeit klar
kommen muss (vielleicht deshalb ihre Tränen?!)

Vielleicht wäre dies alles ein Überlegung wert...
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