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GOOD MOVIES FOR BAD PEOPLE
eXistenZ

eXistenZ

SCI-FI: CAN/UK, 1999
Regie: David Cronenberg
Darsteller: Jennifer Jason Leigh, Jude Law, Ian Holm, Willem Dafoe

STORY:

Spieledesignerin Allegra Geller wird bei der Präsentation ihres neuesten Spiels eXistenZ beinahe Opfer eines Attentats. Gemeinsam mit dem PR-Mitarbeiter Ted Pikul gelingt ihr die Flucht, in deren Lauf sie erkennt, dass ihr Spiel beschädigt ist und nur dadurch gerettet werden kann, dass es gespielt wird.

KRITIK:

Roger Ebert hat in den letzten Jahren den Zorn der Nerds (und damit auch meinen) auf sich gezogen, als er behauptet hat, dass Computerspiele niemals Kunst sein können. Als einzigen irgendwie nachvollziehbare Grund führt er an, dass Spiele keine 'authorial control' besitzen würden, der Rezipient also gleichzeitig zum Produzenten werden müsse. Dass Interaktivität aber gerade das Element ist, das Spiele von allen anderen Medien unterscheidet und es zum überlegensten Ausdrucksmittel machen könnte, verkennt Ebert.

Nicht so David Cronenberg, der sich im DVD-Kommentar zu eXistenZ optimistisch und diskussionsbereit zur Thematik äußert: "The whole discussion about, whether a game can be art is an interesting one. Once again, it leads you into all kind of paradoxes, and the whole question of whether something like a game, which in a sense is democratic, because all the players have input into it, is not the old understanding of art, as sort of one person or a group of people with vision, who lead the audience to some place, that they've never been before and couldn't be before, couldn't go by themselves. Can a game, could a game be art? Of course I'm assuming that it is. I assume this as a proposition in this movie. But it is an interesting discussion to have."

Wenngleich er auf die Frage keine eindeutige Antwort gibt, hat Cronenberg seine Annahme und auch die schon damals bekannten und noch heute bestehenden Probleme von und Fragestellungen zu Computerspielen zu einem der gelungensten Filme über das zweitjüngste Medium verwoben.

Als Pikul zum ersten Mal eXistenZ betritt ist er geschockt von der Plastizität der konstruierten Realität, die ihn umgibt, von der Interaktivität, die ihn die von Geller geschaffene Welt beeinflussen lässt. Schnell lernt er, dass sein Handeln zwar Konsequenzen nach sich zieht, diese aber kein Gewicht haben. Ein befreiendes Gefühl: Es ist alles nur Spiel. Gleichzeitig werden Pikul wie dem Zuschauer die Probleme eines Spiels offenbar: Der Spieler, will er weiterkommen/gewinnen, muss sich den Regeln unterwerfen.

Diese Regeln, oder besser ein Teil davon, werden dem Zuschauer und Pikul gleich zu Anfang in und mit einer theaterhaften Inszenierung nahegebracht. Cronenberg zeigt diese Regelhaftigkeit auch anhand von Charakteren, die sich wie Nichtspielercharaktere in einem Spiel verhalten. Stellt Pikul nicht die richtige Frage, bleibt der NPC in einem Loop hängen.

Im Kommentar stellt Cronenberg dabei eine Verbindung von Spiel und Film her: Auch Schauspieler brauchen in der Regel Input, um Output liefern zu können. Der Regisseur als Spieler mit authorial control? eXistenZ ist aber nicht nur ein Film über Spiele, sondern vor allem über das, was sie abbilden zu suchen und gleichzeitig (vorgeblich) beeinflussen: Realität. Vergleiche zu Videodrome tun sich auf. War in den frühen 1980ern das Fernsehen Realitätsproduzent und -zerstörer, ist es zu Anfang des neuen Jahrtausends das Spiel.

Wie in Videodrome, hat auch die konstruierte Realität in eXistenZ, im Film und im Spiel gleichermaßen, etwas Körperliches, Fassbares an sich. Das Spiel eXistenZ selbst lebt, scheint organisch zu sein. Pikul und Geller betreten es über Anschlüsse an ihr Rückenmark. Die teils bizarre Spielwelt lebt. Die Grenzen zwischen Innen und Außen, zwischen Realität und Konstruktion verschwimmen durch immer weiter perfektionierte Mimesis. Was wenn man nicht mehr zwischen beiden unterscheiden kann? Wenn das Künstliche lebt wie es das Natürliche tut? Die ikonische Gristle Gun, eine Waffe aus Knochen und Knorpeln, die Menschenzähne verschießt, verleitet Cronenberg zu folgender Gedankenkette:

I'm showing that even the gun is alive in this. It is invested with creative will, I suppose. This is a little like Schopenhauer. The world is will and representation, in which, he discusses the fact that the world is sustained by will and I think, in a way you, could consider this movie a kind of a treatise on Schopenhauer in that sense, both in terms of the imagery and the sense of everything being animated, in the true sense, meaning alive.

Dadurch ergeben sich Verbindungen zu anderen Werken aus den Jahren unmittelbar vor Y2K: Dark City, The Matrix und auch The Thirteenth Floor. Alle diese Filme misstrauen der Realität und bieten unterschiedliche aber gleichermaßen radikale Lösungsvorschläge für dieses Problem an. Das offene (?) Ende von eXistenZ macht Cronenbergs Film, neben Dark City, aber wohl zum hoffnungslosesten Vertreter dieser Gruppe. Alles läuft ineinander über. Ein Ausblick auf das jüngste Medium? Wird Cronenberg auch über das Internet einen Film machen? Die Welt am Draht?

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FAZIT:

eXistenZ ist Sci Phi in beinaher Vollendung, der keine Fragen wirklich beantwortet aber viele stellt.

WERTUNG: 9/10
Gastreview von Florian Dietmaier
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