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Perversion Story

Perversion Story

OT: Una sull´altra
GIALLO: ITALIEN, 1969
Regie: Lucio Fulci
Darsteller: Jean Sorel, Marisa Mell, Elsa Martinelli, John Ireland

STORY:

Dr. George Dumurrier hat eine Affaire, während seine asthmakranke Ehefrau Susan unerwartet stirbt. Zu aller Überraschung hat sie ihm eine stattliche Lebensversicherung hinterlassen, die ihm ein sorgenfreies Leben ermöglicht. Doch plötzlich sind die Dinge nicht mehr so, wie sie scheinen: Susan starb offensichtlich an einer Vergiftung, nicht an einem Anfall, und dann trifft George auch noch auf eine Stripperin, die ihr wie aus dem Gesicht geschnitten ist...

KRITIK:

Wer nur Fulcis schnell runtergekurbelte, aber dafür heftige Horrorfilme kennt, wird überrascht sein, wie elegant und sauber Fulci noch zu Beginn seiner Karriere gearbeitet hat. Gore sucht man hier eher vergebens, aber dafür sieht man einen echten optischen Leckerbissen des Giallo. Damit ist natürlich in allererster Linie Marisa Mell gemeint. Wenn sie sich laisziv auf dem Bett positioniert oder ihre Kleider ausführt - anders kann man das wohl nicht nennen - dann muss man sich schon konzentrieren, der Story zu folgen.

Ohnehin ist spätestens mit ihrem Auftritt als Doppelgängerin deutlich, dass PERVERSION STORY Fulcis Verneigung vor VERTIGO ist, unabhängig davon, wie er das Rätsel tatsächlich auflöst. Nicht umsonst spielt der Film in San Francisco, wenngleich es nicht das tragische, hochromantische San Francisco aus Hitchcocks Meisterwerk, sondern das hippe, stylishe San Francisco der Upper Class ist. Man speist in eleganten Restaurants mit Blick auf den Abendhimmel, räkelt sich auf Schafswollteppichen, liebt sich auf roten Bettlaken und schlüft Champagner in verruchten Stripteaselokalen, während Riz Ortolanis cooler Jazzfunkscore erklingt. Es ist eine sehr elegante Welt, aber auch eine Welt, in der Lug und Trug herrscht, in der kaum jemand das ist, was er vorgibt zu sein.

Fulci löst seine Figuren daher immer wieder in Spiegelungen und Spiegelungen von Spiegelungen auf, der Blick ist selten ein direkter, sondern meist ein verwirrender, indirekter und bisweilen verzerrter. Er arbeitet auch stark mit Kontrasten. In mehreren Szenen schaut Marisa Mell während eines Gespräches direkt in die Kamera, ohne ihren Gesprächspartner eines Blickes zu würdigen. Dabei ist die Hälfte, die ihr Gegenüber zu sehen bekommt, hell ausgeleuchtet. Die andere Hälfte aber bleibt dunkel, um zu zeigen, dass sie ihr wahres, ganzes Gesicht nicht zeigt.

Auch sonst durchbricht PERVERSION STORY technisch bravourös den üblichen Blick auf die Dinge, ungewöhnliche Kamerapositionen sind an der Tagesordnung, an zwei Stellen teilt Split-Screen die Leinwand in viele Einzeleinstellungen, und am Ende des Films löst Fulci in der Montage die zeitliche und räumliche Kontinuität sogar ganz auf. Ähnlich gewagt ist wird die Story erzählt. Trotz seiner giallotypischen Wendungen legt PERVERSION STORY zur allgemeinen Verblüffung nach 60 Minuten die Karten auf den Tisch und verstößt damit gegen die eiserne Regel des Giallo, erst ganz zum Schluss die wahre Lösung zu präsentieren.

Insofern kann ich auch die Enttäuschung meines sehr geschätzten Kollegen Christian Ade verstehen. Es ist aber gerade der langsame und unvermeidliche Weg zum Finale, der ihn von anderen Filmen abhebt. Denn nur durch den Raum, den Fulci diesen Szenen gibt, entfalten sie ihre Unerbittlichkeit und damit ihre Wirkung, ohne dass der Zuschauer es ändern oder abkürzen kann. Es ist sicher ein Experiment mit Erwartungshaltungen, bei dem jeder selbst entscheiden muss, ob er das gut findet oder nicht.

Verwirrung herrscht anscheinend auch bei den Fassungen. Es gibt zwei, eine dialoglastigere, längere für den angloamerikanischen Raum und eine kürzere französische, dafür explizit erotischere Fassung. Insbesondere durch den Soundtrack als Zugabe ist die DVD von Severin Films vorbildlich, obwohl sie ein Kuriosum darstellt. Es handelt sich um die europäischen Fassung, unter die man den Ton der amerikanischen Fassung gelegt hat, was in einigen Szenen zu leichten, jedoch nicht wirklich störenden Brüchen führt.

Wenn die OFDb hier von einer gekürzten Fassung spricht, ist das aber definitiv falsch. Es gibt keine von Fulci autorisierte, integrale Langfassung, sondern die DVD-Version ist eine der beiden "ungeschnittenen" Fassungen. Dafür gibt es aber noch eine inoffizielle dritte, im gleichen Jahr entstand nämlich DAS GESICHT IM DUNKELN, eine Edgar-Wallace-Giallo-Melange mit fast identischer Story, geschrieben unter anderem von - Lucio Fulci.

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FAZIT:

NACKT ÜBER LEICHEN, wie der Film so schön reißerisch in seinem deutschen Filmleben hieß, ist Vorzeige-Giallo par excellence und ein Film, der Fulci als begnadeten Filmemacher ausweist, da er seine eigene Story kongenial in Bilder übersetzt, die man so schnell nicht vergisst. Marisa Mell ohnehin nicht.

WERTUNG: 8 von 10 durch rote Bettlaken gefilmte Sexszenen
TEXT © Marcel
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