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The Perfume of the Lady in Black

The Perfume of the Lady in Black

OT: Il profumo della signora in nero
GIALLO: ITALIEN, 1974
Regie: Francesco Barilli
Darsteller: Mimsy Farmer, Maurizio Bonuglia, Mario Scaccia, Donna Jordan

STORY:

Im Schatten von Alpträumen, Voodooflüchen und quälenden Kindheitstraumata driftet eine junge Frau in den Wahnsinn… ...

KRITIK:

Edwige Fenech, Susan Scott, Carroll Baker, Dagmar Lassander - der Giallo hat viele Königinnen, die sich ihre Krönchen ob ihrer Schönheit oder außergewöhnlichen Ausstrahlung auch redlich verdient haben.

Etwas im Schatten der Genannten steht die Amerikanerin Mimsy Farmer. Ihr Name fällt selten, wenn die Sprache auf die großen Damen des italienischen Genrekinos der 60er und 70er Jahre kommt. Dabei hatte Mimsy Farmer auch so ihre bedeutenden Rollen in alles andere als unbedeutenden Gialli. Ihr Talent war meistens dann gefragt, wenn ein Drehbuch in der Hauptrolle eine zerbrechliche, labile Frau vorsah. Ein Part, den die Amerikanerin stets mit Bravour ausfüllte: Schau nach in Argentos FOUR FLIES ON GREY VELVET, Crispinos AUTOPSY und Barillis THE PERFUME OF THE LADY IN BLACK. Letzterer zeigt Mimsy Farmer übrigens auf der Höhe ihres Könnens.

THE PERFUME OF THE LADY IN BLACK. Ein Film über den Wahnsinn. Und der ist naturgemäß in den seltensten Fällen rational. Von daher muss sich der Zuschauer insbesondere im Schlussakt auf nicht unbedingt nachvollziehbare, dafür völlig unerwartet eintretende und hundsgemeine Wendungen einstellen. Die werden zwar so manchem Logikfanatiker vor den Kopf stoßen, sind aber in diesem Fall eine äußerst reizvolle Verquickung der oftmals so köstlichen Unlogik des Horrorfilms mit einem erstaunlich komplex und relativ authentisch gezeichneten Psychogramm eines mit schwersten seelischen Wunden geschlagenen Menschen.

Gerade wenn der unheilige Motor arger Kindheitstraumata im Zusammenspiel mit ein paar anderen Kräften die Hauptprotagonistin von der Paranoia über die Wahnvorstellung bis hin zur Persönlichkeitsspaltung durch so manche extreme psychische Turbulenz treibt, beleuchtet der Film einige interessante psychologische Aspekte auf filmtechnisch exquisite Art und Weise.

Dabei belässt Barelli den Zuschauer nicht in der nüchternen Beobachterrolle, sondern versucht mit fortdauernder Laufzeit selbst diesen in den immer schneller wirbelnden Strudel des Irrsinns zu zerren - was ihm spätestens beim völlig eskalierenden Alptraumfinale auch gelingt.

Was zunächst wie eine Study in Madness im besten Sinne von Bazzonis brillantem FOOTPRINTS ON THE MOON anmutet, wird im letzten Drittel endgültig zur schwer gestörten, voller böser Überraschungen steckenden Chimäre, die nicht davor zurückschreckt zum "ganz normalen Wahnsinn" noch schwarze Magie, Voodooriten und pervertierte Lewis Carroll-Zitate aus dessen Alice im Wunderland zu addieren.

Eins steht fest: Beim Schreiben des Drehbuchs zu THE PERFUME OF THE LADY IN BLACK hat Barelli die böse, die dunkle Feder gespitzt. Die Geschichte ist ein ruhig beginnender, aber immer perfider werdender pechschwarzer Horrortrip, der sicherlich zum Düstersten gehört, was das Genre zu bieten hat und fast folgerichtig in eine völlig verstörende, unvergessliche Schlusssequenz mündet.

Kaum zu glauben, dass dieser Film das Werk eines Debütanten ist. Angesichts der in allen Belangen virtuosen Machart wirkt THE PERFUME OF THE LADY IN BLACK eher wie das Opus Magnum eines bereits mit allen Genrewassern gewaschenen etablierten Filmemachers. Aber okay, ganz unbeleckt im Geschäft war Barelli damals 1974 auch nicht. Er war beruflich im Fernsehbereich tätig und hat die Drehbücher zu Lenzis MONDO CANNIBALE und -Obacht!- Aldo Lados mächtigen Venedig-Giallo THE CHILD geschrieben. Viele Jahre später sollte er - zusammen mit Lucio Fulci by the way- das Skript zu Griffis unterschätzten Erotikthriller DER KÄFIG erarbeiten.

Beim Interview im Extrateil der Raro-DVD spricht Barelli von seinem Debüt nie als Giallo, sondern immer nur als Horror Movie. Ungeachtet dessen atmet THE PERFUME OF THE LADY IN BLACK den Giallo praktisch in jeder Szene. Schwarze Handschuhe sucht man zwar vergebens, aber dafür kommt gegen Ende des Films ein Jahr vor DEEP RED´s Hatchet Murders ein Hackebeil blutig-zünftig zum Einsatz. Doch diese Morde sind natürlich nicht die alleinigen Gründe dafür, dass THE PERFUME OF THE LADY IN BLACK zu den Referenztiteln des Gelben Genres zu zählen ist.

Mit Leib und Seele Giallo ist neben den psychosexuellen Aspekten der Handlung vor allem die Umsetzung. Stil, Bildersprache und musikalische Untermalung sind hier äußerst erlesen und ganz klar genretypisch.

THE PERFUME OF THE LADY IN BLACK ist ein Nachtmahr, der von starken Bildern und Nicola Pinovanis ruhigem, aber exzellenten Score getragen wird. Ein schaurig-schöner Alptraum, der sich inhaltlich nicht ins enge Genre-Korsett zwängen lassen will, aber in Sachen Stil alle Tugenden des italienischen Thrillers im hohen Maße kultiviert.

Auch das Filmtempo ist eines Giallo angemessen. Wobei Barellis Erstling über weite Strecken sogar noch ein bisschen langsamer als die Konkurrenz voranschreitet. Oder wohlwollend formuliert: Noch hypnotischer wirkt. Manche Passagen sind zugegebenermaßen schon so slow geraten, das sie dann und wann schon die Grenze zur Langatmigkeit touchieren. Dieser negative Eindruck verflüchtigt sich aber, wenn man nach dem Abspann den Film als Gesamtkunstwerk betrachten kann. Dann wird nämlich offenbar, dass in THE PERFUME OF THE LADY IN BLACK jede Szene genau richtig platziert wurde.

The Perfume of the Lady in Black Bild 1
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The Perfume of the Lady in Black Bild 3
The Perfume of the Lady in Black Bild 4
The Perfume of the Lady in Black Bild 5
The Perfume of the Lady in Black Bild 6
FAZIT:

THE PERFUME OF THE LADY IN BLACK duftet nach verwirrtem Geist. Und das Odeur des schleichenden Wahnsinns lullt uns in Konspiration mit Piovanis brillantem ruhigem Score sowie Masinis wunderschöner Fotografie lange ein, bis urplötzlich ein paar blutige Morde über uns hereinbrechen. Aber dann steht uns die schlimmste Überraschung immer noch bevor…
Francesco Barillis Debüt ist ein Musterbeispiel an abseitiger Ästhetik und morbider Atmosphäre. Und wartet mit einem der bösartigsten Enden der Genregeschichte auf. Allerdings sollte man dieses italienische Juwel aus dem Jahr 1974 nicht mit dem gleichnamigen französischen Film aus dem Jahr 2005 verwechseln. Letzteren kenne ich nicht, aber der hier gibt süße Alpträume…

WERTUNG: 9 von 10 grauen Arbeitskitteln
TEXT © Christian Ade
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