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Neun Gäste für den Tod

Neun Gäste für den Tod

OT: Nove ospiti per un delitto
GIALLO: ITALIEN, 1977
Regie: Ferdinando Baldi
Darsteller: Massimo Foschi, John Richardson, Venantino Venantini, Dana Ghia

STORY:

Da hat er sich am schönen, weißen Strand wohl auf die falsche nackte Frau gelegt. Vier Männer mit Gewehren kommen hinzu, trennen die Liebenden und richten den Jüngling eiskalt hin. Anschließend wird er noch an Ort und Stelle im Sand verbuddelt.
Einige Jahre später fährt ein reicher Patriarch mit seinen drei Söhnen und deren Ehefrauen zur Erholung auf eine zum Familienbesitz gehörende idyllische Insel. Der Müßiggang wird von den Brüdern zunächst dafür genutzt, um sich gegenseitig die Frauen auszuspannen. Doch dann legt sich über sie alle ein dunkler Schatten aus der Vergangenheit. Ganz offensichtlich waren Big Daddy und seine drei Sprösslinge einst am Ableben des eingangs erwähnten jungen Mann nicht ganz unbeteiligt …

KRITIK:

Wer sich eingehender mit der italienischen Filmindustrie in deren Blütezeit zwischen den 50ern und 80ern beschäftigt, wird unweigerlich auf den Namen Ferdinando Baldi stoßen. Und da der in Salerno geborene und in Rom verstorbene Regisseur nicht nur ein routinierter, sondern vor allem vielseitiger Filmemacher war, trifft man ihn nahezu an jeder Ecke des italienischen Kinos.

Zu Beginn der Karriere hauptsächlich in Sachen Monumental- und Sandalenfilm tätig, verlagerte Baldi seinen Schwerpunkt bald ins Metier des Italowestern. Neben einem obligatorischen DJANGO drehte er hier unter anderem BLINDMAN mit der legendären "Blindman, Blindman, What did he do? Stole 50 Women that belonged to you."-Tagline und den Cowboy vs. Hunnen-Flick GET MEAN; jeweils mit Tony Anthony in der Hauptrolle.

Im Herbst des Berufslebens ist Baldi in der Schmuddelecke gelandet, wo er HORROR-SEX IM NACHTEXPRESS zu seiner Filmographie addiert hat. Zwei Jahre zuvor hat er noch den letzten seiner beiden Gialli abgeliefert. Und zwar den sträflich unbeachteten NOVE OSPITI PER UN DELITTO, der in Deutschland mal unter dem Titel NEUN GÄSTE FÜR DEN TOD erschienen sein muss. Derzeit ist der Film nur als italienische DVD abzugreifen und dort gibt es nur den italienischen O-Ton ohne alternative Audio- oder Untertiteloption. Dafür wird der Film aber in bestechender Bild- und Tonqualität präsentiert.

Die dürftige Verfügbarkeit außerhalb Italiens passt allerdings zum ebenso dürftigen Bekanntheitsgrad dieses Spätsiebziger-Giallo. Und der verwundert; weil NOVE OSPITI PER UN DELITTO für Genreliebhaber eigentlich unentbehrlich ist. Denn neben verschwenderisch viel nackter Haut zeigt NOVE OSPITI PER UN DELITTO auch verdammt viel Klasse und vor allem Bilder und Style aus der alten, hohen Genreschule.

Damit ist Baldi ein Giallo gelungen, der das gewisse Etwas hat. Der heraus sticht - und trotzdem von den Fans vergessen wurde. Beziehungsweise von diesen erst entdeckt werden muss.

Sardinische Inselidylle: Strand und Meer. Kristallklares Wasser. Sonnenüberflutete Felsen. Weicher Sand. Ein geradezu paradiesischer Ort; wenn da nicht diese schmutzige, vergiftete Atmosphäre wäre. Die Unmoral der gehobenen Klasse. Ehebruch. Misstrauen. Sex. Mord.

Man findet in den wenig verfügbaren Reviews und Kommentaren oftmals den Vergleich mit Joe D´Amatos MAN-EATER. Was sicherlich nicht ganz von der Hand zu weisen ist, weil auch dort Urlaubsidyll und mörderischer Schrecken verschmelzen, aber dennoch etwas irreführend erscheint. An das krude (aber stimmungsvoll) inszenierte Skandalsplatterfest um einen griechischen Kannibalen habe ich bei NOVE OSPITI PER UN DELITTO nicht denken müssen; und nicht einmal so sehr deswegen, weil man MAN-EATER ohnehin erst drei Jahre später gedreht hat. Mir sind auch keine anderen Ferienidyllabseitigkeiten wie DIE TEUFLISCHEN VON MYKONOS oder DIE NACKTE VON SADOS in den Sinn gekommen.

Viel mehr scheint NOVE OSPITI PER UN DELITTO eine humorlose, weit weniger loungige Variante von Bavas 5 DOLLS FOR AN AUGUST MOON zu sein. Welche ebenfalls nach dem ehernen von Agatha Christie beschworenen AND THEN THERE WERE NONE-Prinzip spielt, aber deutlich sexorientierter daherkommt und das Ganze mit einer mächtig angesleazten Schuld-und Sühne-Motivation krönt. Im Gegensatz zu anderen Schmuddellegionären wie Bianchi, Landi oder Mattei war Baldi aber begabt genug, um auch gehobenen visuellen und atmosphärischen Ansprüchen zu genügen. Der Urlaubstraum ist wunderschön fotografiert und der eiskalte Mörderreigen wurde gekonnt darin platziert. Im Ergebnis ist NOVE OSPITI PER UN DELITTO eine perfekte Vision vom dunklen Paradies. Sozusagen der schwarze Handschuh auf weißem Sand.

Nicht vergessen sollte man, dass sich Baldi auch in Sachen Cast nicht lumpen hat lassen. Allein der männliche Flügel lässt mit Arthur Kennedy (LIVING DEAD AT MANCHESTER MORGUE), Massimo Foschi (MONDO CANNIBA-LE 2), John Richardson (TORSO, MURDER OBSESSION) und Venantino Venantini (SIEBEN TOTE IN DEN AUGEN DER KATZE, THE RED HEADED CORPSE) aber auch gar keine Wünsche offen. Ebenfalls Spitzenklasse: Der phantastische Ohrwurm-Score von Carlo Savina!

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FAZIT:

Wenn schwarze Handschuhe in einem sardinischen Urlaubsidyll wüten, bekommt der Tod neun Gäste und wir ein (bislang) völlig übersehenes Genrekleinod… - Mit NOVE OSPITI PER UN DELITTO hat Baldi einen in Sachen Sex spendablen, in Sachen Mord arktischen Giallo geschaffen, der wie derweil Bava die auf den ersten Blick unpassenden Elemente "Trauminsel" und "Mörderreigen" einmal mehr passend macht.

WERTUNG: 8 von 10 mal Sex mit der Schwägerin
TEXT © Christian Ade
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HELLVIS | 24.09.2014 18:05
Den Schinken gibt's mittlerweile, dank dem sympathischen "Camera
Obscura"-Label, auch bei uns auf DVD, wie gewohnt als hübsches
Digipack. Ti amo, Camera Obscura!
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