Die Wahrheit der Lüge | FILMTIPPS.at 

FILMTIPPS.at - Die Fundgrube für außergewöhnliche Filme

www.filmtipps.at
GOOD MOVIES FOR BAD PEOPLE
Die Wahrheit der Lüge

Die Wahrheit der Lüge

DRAMA: D, 2011
Regie: Roland Reber
Darsteller: Christoph Baumann, Marina Anna Eich, Julia Jaschke, Antje Mönning

STORY:

Ein schmächtiger junger Mann (Christoph Baumann), der für einen Biologiestudenten durchgehen würde, hält zwei Frauen in den Gemäuern eines alten Industriekomplexes gefangen. Doch „die Mutige“ (Marina Anna Eich) und „die Zögerliche“ (Julia Jaschke) sind keine Entführungsopfer, sondern freiwillige Teilnehmerinen in einem zeitlich befristeten Experiment, welches sie an „die Grenze“ führen soll. Wie sich nach einiger Zeit herausstellt, handelt es sich bei dem jungen Mann um einen Autoren, der seinerseits nach den Anweisungen seiner Verlegerin (Antje Mönning) handelt. Diese scheint zu wirklich allem bereit, um die angestrebte Grenzerfahrung herbeizuführen...

KRITIK:

DIE WAHRHEIT DER LÜGE ist der neuste Streich des deutschen Filmemachers Roland Reber (ENGEL MIT SCHMUTZIGEN FLÜGELN, 24/7: THE PASSION OF LIFE). Erneut handelt es sich um eine Low-Budget-Produktion, die komplett ohne die Inanspruchnahme jedweder Fördergelder entstanden ist, um die vom Regisseur angestrebte maximale künstlerische Freiheit verwirklichen zu können. Tatsächlich gelingt Reber mit Hilfe seines Stammkollektivs ein Film, der von einer einzigartigen Ästhetik und Atmosphäre gekennzeichnet ist. DIE WARHEIT DER LÜGE ist mitnichten ein Torture-Porn für Intellektuelle und dies gleich aus zweifachem Grund.

Zum einen versteht es Roland Reber die mittlerweile bis zum Überdruss bekannten und deshalb auch schon längst nicht mehr wirklich schockierenden Bilder von brutal gefolterten und verstümmelten Frauen durch eine eigene, wesentlich zurückhaltendere Darstellung zu ersetzen. Die in DIE WAHRHEIT DER LÜGE gezeigten Folterszenen gleichen viel eher extremeren BDSM-Szenarien als Bildern tatsächlicher Folter. Gerade bei diesen Szenen wechselt der Film auch zumeist von seiner leichten Trash-Ästhetik zu einer überdeutlichen Stilisierung über. So treten hier zu den durchgehend verwendeten eleganten Kamerafahrten gezielt eingesetzte Farbfilter und eine große Sorgfalt bei der Komposition hinzu. Deutlich ist zu sehen, dass Reber eine Nähe zum Kunstfilm anstrebt.

 

Nach Aussage des Regisseurs ist DIE WAHRHEIT DER LÜGE ein Film über Bedenkenlosigkeit. Da ist auf der einen Seite die Bedenkenlosigkeit des Autors solch ein Experiment überhaupt zu starten, ohne sich überhaupt über dessen genaues Ziel im Klaren zu sein und auf der anderen Seite die Bedenkenlosigkeit der „Opfer“, welche leichtsinnig in dieses Experiment eingewilligt haben. Und tatsächlich wirkt der Autor eher wie ein kleiner Junge, der einfach spielen will, als wie der übliche sadistische Gewalttäter. Und die Darstellung der Gefangenen ist von solch einer starken Theatralik gekennzeichnet, dass diese zumeist wirklich nicht wie von dieser Welt erscheinen. Doch dieser an und für sich interessante Versuchsaufbau von einem Film über einen Versuchsaufbau in einem Film kippt spätestens dann in reine Lächerlichkeit ab, als in einer Bar unvermittelt „Nur Döner macht schöner...“ intoniert wird. Irgendwann ist unübersehbar, dass DIE WAHRHEIT DER LÜGE insbesondere durch eine allgemeine, große Konzeptlosigkeit gekennzeichnet ist.

 

Zur Bedeutung des Filmtitels etwa sagt Roland Reber folgendes: „Das ist voll aus dem Leben gegriffen. Was ist eigentlich Wahrheit? Was ist der Gipfel? Das sind alles ganz wichtige Fragen, die sich jeder stellen sollte. Wir werden jeden Tag von den Sendeanstalten, von den Printmedien oder vom Internet informiert: Das ist die Wahrheit, das haben wir jetzt aufgedeckt, das machen wir jetzt publik. Was daran ist wahr, was ist Fiktion, was ist Manipulation? Aber in jeder Lüge steckt die Wahrheit und in jeder Wahrheit die Lüge.“

 

Hier übt also jemand offensichtlich Medienkritik. Die Medien sind böse, da sie zu oft lügen. Das ist des Pudels Kern. Das können alle, sich als alternativ verstehende Intellektuelle, selbstverständlich sofort unkommentiert abnicken. Nur leider übersehen sie dabei, dass die Lüge eben deshalb eine Lüge ist, weil sie im Gegensatz zu einer Wahrheit steht, die es ja auch irgendwo geben muss, da nur sie die Lüge zur Lüge macht. Somit entlarvt Roland Rebers eigene Erläuterung seine schlussfolgernde Behauptung „in jeder Lüge steckt die Wahrheit und in jeder Wahrheit die Lüge“ selbst als Lüge. Der vermeintliche Tiefsinn des Filmtitels DIE WAHRHEIT DER LÜGE entpuppt sich somit gerade aufgrund der Erklärung seines Schöpfers als reiner, prätentiöser Unfug.

 

Ganz analog verhält es sich, wenn Roland Reber im Interview auf der DVD zum Film die „tiefste Ebene“ von DIE WAHRHEIT DER LÜGE erläutert. Hier offenbarten sich die Protagonisten als Vertreter von „Ich, Es und Über-Ich, das Freudsche Modell“. Auch dies klingt zunächst recht tiefsinnig, zumindest solange man sich noch nie selbst die Mühe gemacht hat, einmal einen entsprechenden Text von Sigmund Freud zu lesen. Falls doch, dann offenbart sich auch diese Aussage schnell als reiner Unsinn. Aber damit ist der vermeintlichen Tiefgründigkeit noch immer nicht Genüge getan. Denn unter dieser Ebene befinden sich noch weitere, noch tiefere Ebenen. Diese zu ergründen überlässt Roland Reber jedoch lieber dem Betrachter des Films. Dies erscheint angesichts der Tatsache, dass er bereits die darüber befindliche „tiefste“ Ebene nicht ansatzweise zu erklären vermag, auch nur allzu vernünftig.

 

Wahrscheinlich ist die allertiefste Ebene von DIE WAHRHEIT DER LÜGE darin zu finden, dass sich die vom Regisseur angesprochene Bedenkenlosigkeit auch im fehlenden Gesamtkonzept des Films selbst wiederfindet. Dies ist kein Torture-Porn, sondern eine künstlerische Darstellung von Folter, wobei sich die Frage stellt, in wieweit dies die vom Film beanspruchte moralisierende Haltung nicht bereits wieder untergräbt. DIE WAHRHEIT DER LÜGE hat sich nach Aussage aller Beteiligten zum Ziel gesetzt, einen ernsthaften gesellschaftlichen Missstand anzuprangern. Doch bei der Wahl der zum Ziel führenden Mittel ist der Film ebenso planlos wie der Autor im Film. Trotz interessanter und vielversprechender Ansätze verliert sich der angestrebte inhaltliche Ernst allzu oft in inhaltsloser Blödelei. Somit ist DIE WAHRHEIT DER LÜGE auch ganz gewiss kein Film für Intellektuelle, da der behauptete intellektuelle Anspruch bis zum Ende reine Behauptung bleibt.

 

Die Wahrheit der Lüge Bild 1
Die Wahrheit der Lüge Bild 2
Die Wahrheit der Lüge Bild 3
Die Wahrheit der Lüge Bild 4
Die Wahrheit der Lüge Bild 5
Die Wahrheit der Lüge Bild 6
Die Wahrheit der Lüge Bild 7
Die Wahrheit der Lüge Bild 8
Die Wahrheit der Lüge Bild 9
FAZIT:

Roland Rebers Pseudo-Arthouse-Trash-Torture-Porn DIE WAHRHEIT DER LÜGE scheitert auf dem selbst postuliertem hohem Niveau. Was hier Lüge und was Wahrheit ist, weiß wirklich niemand, am allerwenigsten der Regisseur.

WERTUNG: 6 von 10 Lügen über die Wahrheit
TEXT © Gregor Torinus
Dein Kommentar >>
Erich H. | 23.07.2012 20:54
Schöne Besprechung. Hab kürzlich überhaupt erst mitbekommen, dass es diesen Film gibt. Die Kritiken dazu verglichen mit Theaterexperimenten. Darunter konnte ich mir leider nicht wirklich was vorstellen, aber dank deiner Beurteilung kenn ich mich jetzt aus.
Gregor | 23.07.2012 22:28
Danke. :-)
>> antworten