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Take Shelter

Take Shelter

DRAMA: USA, 2011
Regie: Jeff Nichols
Darsteller: Michael Shannon, Jessica Chastain, Katy Mixon, Shea Whigham

STORY:

Curtis LaForche, Bauarbeiter bei einer Öl-Firma, lebt mit seiner Frau Samantha und seiner tauben Tochter Hannah in einer kleinen Stadt in Ohio. Das besinnliche Leben der Kleinfamilie gerät in Gefahr, als Curtis apokalyptische Albträume zu plagen beginnen. Die Paranoia wird immer schlimmer und die Grenze zwischen Wahn und Realität verschwindet allmählich.

KRITIK:

Regisseur und Drehbuchautor Jeff Nichols inszeniert Curtis Leben zunächst als Musterbeispiel eines bescheidenen, aber voll und ganz zufriedenstellenden Daseins. Curtis hat Frau, Kind, Haus und Hund, einen sicheren Arbeitsplatz und keine Eheprobleme. Selbst die Rollenverteilung könnte klassischer nicht sein. Curtis verdient das Geld, während sich Samantha um den Haushalt kümmert und als Mutter die Erziehungsberechtigte Nummer eins ist. Von der Kamera wird das Gefühl der Schlichtheit noch verstärkt, indem Haus und Familie oft den ganzen Shot füllen. Dadurch wirkt zwar alles geordnet und unbeschwert, doch im gleichen Moment auch angreifbar. Im Kontrast dazu erscheint der aufkommende Sturm, den Curtis am Horizont zu entdecken glaubt, größer als das Leben, und in weiterer Folge wie das Ende der Welt.

Jeff Nichols' beeindruckendste Leistung ist, wie elegant er die fiktive Apokalypse mit der realen Bedrohung der finanziellen Hilflosigkeit verknüpft. Da Curtis bei seinem Arbeitgeber eine besonders gute Versicherung genießt, kann der tauben Hannah eine Operation zugesagt werden. Als die Paranoia-Anfälle zum Bau eines Bunkers und zum Verlust des Jobs führen, ist es allerdings schnell vorbei mit der heilen Finanzlage. Immer mehr wird dann auch die Zahl selbst zum Interesse der Kamera, die keine Gelegenheit auslässt, Geldplanungen oder Preisschilder in Szene zu setzen.

Bei allem Respekt vor dem Regisseur, bleibt die stärkste Waffe von "Take Shelter" Hauptdarsteller Michael Shannon. Er stellt Curtis dar, als ob er, gleich wie der Zuseher, selber nicht wüsste, ob er seine Familie vor der Apokalypse oder vor sich selbst beschützen muss. Ebenbürtig ist Newcomerin Jessica Chastain, die als Samantha einen glaubwürdigen und starken Ruhepol mimt.

Auch wenn das Konzept, große Teile der Umsetzung und die starken Schauspieler die Schwächen deutlich überragen, ist "Take Shelter" kein fehlerfreier Film. Einige Implikationen wirken eher plump. So ist es beispielsweise ein wenig gar offensichtlich, wie sehr Curtis Kollege dessen perfektes Leben hervorhebt oder wie lobend die Versicherungsdame den Job des Familienvaters erwähnt. Mein größter Kritikpunkt gilt allerdings dem Schluss, da er die hervorragende Studie eines Geisteskranken in metaphysische Sphären hochzuheben versucht, auf die in den knapp zwei Stunden zuvor kaum eine Anspielung zu finden ist.

Take Shelter Bild 1
Take Shelter Bild 2
Take Shelter Bild 3
Take Shelter Bild 4
FAZIT:

Jeff Nichols' "Take Shelter" ist die packende, angsteinflößende und mitunter bedrückende Inszenierung einer Kleinfamilie, deren Harmonie durch die Paranoia des Vaters in Gefahr gerät.

WERTUNG: 8 von 10 apokalyptischen Visionen
TEXT © Michael Leitner
Dein Kommentar >>
Nickel | 26.06.2012 12:05
Ich muss sagen grad DAS Ende hat mir gefallen weil es alles andere war was ich erwartet hab. Ich finde es gibt schon genug Filme wo man praktisch nach den ersten drittel abschalten kann weil das Ende so vorhersehbar ist.
>> antworten
Andreas | 13.04.2012 22:28
Guter Film, der Schluss ist EIN Schluss aber sicher nicht der Beste.

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SPOILER
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der optimale schluss wäre für mich gewesen, wenn er im schutzkeller den schlüssel zerbrochen oder verschluckt hätte und niemand mehr rausgekommen wäre. das wäre ein super schluss gewesen, weil man dann nicht gewusst hätte, was draußen passiert wäre...
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aber naja, war so auch ok. toll gespielt!

6 v0n 10 tornados
Harald | 14.04.2012 00:54
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Auch ein SPOILERCHEN
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Ja, schwieriges Ende. Aber auch sehr schön zu sehen, wie die
Anspannung von allen abgefallen ist. Dass sie sich in der
Wahrnehmung einig sind, dass sie auf der gleichen Seite stehen.
Dass der Moment des Endes auch der Moment der Erlösung ist.
Dass sie am Ende vereint sind.
Klingt das jetzt esoterisch? Ich hoffe nicht :)
Andreas | 14.04.2012 11:09
na, net esotherisch. aber etwas weniger realistisch :-)
>> antworten
Djan | 28.03.2012 23:42
hervorragender film und ein WIE IMMER hervorragender michael shannon, oscarreife vorstellung die er da abliefert, der mann zieht einen einfach von anfang in seinen bann

den schluss empfinde ich allerdings auch als stilbruch, trotzdem 8,5 aufkommende stürme.
>> antworten
pete | 23.02.2012 11:04
Gerade der Schluss ist für mich ein 10 von 10 Kriterium für diesen Film.
Michael Leitner | 23.02.2012 11:20
Tja, für mich halt nicht. ;)
Gisela Bongardt | 01.04.2012 05:02
Erneut im Kino gewesen: "Take Shelter".

Fasziniert von Wirbelstürmen (nicht deren Auswirkungen, sondern deren, wie soll ich das sagen, Manifestation - sie hatten und haben stets für mich was Lebendiges, Eigenständiges, zutiefst Bedrohliches) seit meiner Kindheit, habe ich mir diesen Film zusammen mit Frau P. angesehen.

Und bin immer noch zutiefst verwirrt und erschüttert.

Ein ganz, ganz leiser, ruhiger, beinahe lahmer Film ist das, wenn man Action erwartet. Denn die gibt es nicht. Es gibt aber eine Ahnung davon, wie es sein kann, wenn ein Mensch das Gefühl hat, verrückt zu werden.

Und er darob mit allen Mitteln versucht, das, was ihm am liebsten ist, zu schützen. Und sich niemandem anvertraut, aus Angst, seine Familie zu beunruhigen, in der Gemeinschaft als verrückter Spinner angesehen zu werden.

Zwei Stunden lang sieht man Michael Shannon bei einer mimischen tour de force zu, sich und seine Dämonen vor allen geheimzuhalten. Wer schon mal mit psychisch kranken Menschen zu tun hatte, erkennt, dass dieser Mann ein Schauspieler von großen Gnaden ist.

Und: Das Ende ist so erschütternd, dass wir noch einige Zeit vor dem Kino standen, fassungslos, und unsere Zigarettenasche auf das Pflaster schnippten, die Frau P. und ich.
Djan | 01.04.2012 15:37
ich arbeite mit psychisch kranken menschen und muss sagen, dass michael shannon unglaublich authentisch so einen menschen verkörpert, da können sich auch schauspieler von der alten garde noch was abschauen....
aber umso mehr stört mich daher das ende, weil es mit all dem bricht was der film eigentlich aussagen möchte. verstehe das eher als ein zugeständnis an den mainstream....aber naja trotzdem toller film
>> antworten