FIST METAL: Italien, 2010
Regie: Emanuele de Santi
Darsteller: Emanuele de Santi, Guilio de Santi, Christian Riva, Valeria Sannino
In nicht allzu ferner Zukunft in einer dystopischen Schreckensstadt, in der nur Gewalt und Chaos regiert, verbrennt ein entstellter Finsterling eine junge Frau bei lebendigem Leibe. Adam Chaplin, der Witwer, ist ohnmächtig vor Zorn und Trauer. Um sich an dem Mörder und dessen Handlanger zu rächen, geht er einen Pakt mit einem Dämon ein. Er verkauft seine Seele und erhält im Gegenzug übermenschliche Kräfte - um unmenschliche Vergeltung zu üben ...
Was darf man von einem Film erwarten, dessen Originallänge stolze 85 Minuten mächtig ist; der bei seiner deutschen DVD-Veröffentlichung allerdings urplötzlich auf mickrige 62 Minuten zusammengeschrumpft ist? Die zwei möglichen Antworten: Im Original eine GORE-ruption mit der Zerstörungskraft von mindestens fünf Tankern Gekröse ... und auf der deutschen DVD ein weiteres im Namen der Erwachsenenbevormundung bis zur Unkenntlichkeit verstümmeltes Werk, dessen einschlägiger Schnittbericht wohl wieder um Bibelgröße voluminöser als das Drehbuch selbst ausfallen wird.
Die Gorehounds, die wie euer Peter auch langsam die ersten grauen Zotteln in ihrer Löwenmähne entdecken, werden sich in diesem Zusammenhang bestimmt noch an die alte (deutsche) Videothekenfassung von NIGHTMARE CONCERT erinnern. Im Original hat euch Meister Fulci seinerzeit liebevoll unbekanntere GORE-ruptions aus eigenem und fremdem Material zusammengesucht und sie - versehen mit einer selbstironischen, halb- autobiographischen Rahmenhandlung - zu einer prächtigen Best of- Gewaltverherrlichung-Show zusammengebastelt, die ursprünglich über die vollen 90 (in Worten: neunzig) Minuten ging.
Ich weiß noch als wäre es gerade gestern gewesen, wie ich in meiner seligen Stammvideothek zu vorsintflutlicher VHS-Zeit mit zitternden Händen das NIGHTMARE CONCERT-Tape aus dem Regal genommen habe, den Klappentext ("Der Horrorfilmer Fulvio verliert langsam den Bezug zur Realität. Er beginnt zu halluzinieren und seine Tagträume sind voller perverser Gewalt und Blutbäder ...") nicht gelesen, sondern verschlungen habe und dann sabbernd zur Theke gerannt bin, um das Ding für den allwochenendlichen Blutsuff auszuleihen.
Hätte ich doch nur mit der gleichen Inbrunst die Laufzeitangabe gelesen, dann wäre mir die herbe Ernüchterung vor dem heimischen Videorecorder erspart geblieben. Denn die Scherenschergen der Filmzensur, diese unseligen Großinquisitoren des fadenscheinigen Jugendschutzes, diese erklärten Feinde des italienischen Horrorkinos und Verderber unserer Splatterfilmabende, die von allen Ländern ausgerechnet in dem meinen hausen wie die Vandalen und alles kastrieren, was nur entfernt nach Kunstblut riecht, haben sich an Fulcis sinfonie-a-gore in selbst für ihre unbarmherzigen Verhältnisse auf das Barbarischste vergangen.
Wenn Fulcis Alter Ego Fulvio sich in NIGHTMARE CONCERT anschickte, die Besinnung zu verlieren und in einen (gore)midablen Tagtraum abzutauchen, kam ein verheerender, gleich mal hundert Meter Filmband kostender Schnitt und in der nächsten Einstellung wurde dann nicht die Kettensäge, der Knüppel oder die rasiermesserscharfe Klaviersaite geschwungen, sondern... - Man sah Meister Fulvio wie er mit verstörten Gesichtsausdruck aus einem mutmaßlich verstörenden Alptraum wieder erwacht; von dem man jedoch nicht das Fitzelchen gesehen hatte. Es war, als würde man einen Porno schauen, in dem sich das scharfe Pärchen auszieht und beim nächsten Wimperschlag schon wieder anzieht. In einer solchen Stümmelfassung hätten die roten Bäckchen durchaus auch von einem zu eng sitzenden Kragen herrühren können. Das hatte was von Sportschau, in der man alle erzielten Tore konsequent NICHT zeigt.
Vom NIGHTMARE CONCERT sind - nachdem die deutsche Filmzensur ihr gnadenloses Werk beendet hat - nur noch ausgeblutete, wirre aus jedem Zusammenhang gerissene Fragmente übrig geblieben. Neue Laufzeit: 67 (in Worten: siebenundsechzig) Minuten. Das NIGHTMARE CONCERT ist nicht nur seiner Instrumente beraubt worden, sondern seines ganzen Sinns. Was euch der Meister der genüßlichen Eröffnung, der Gott der überlangen, ausschweifenden Review-Einleitung mit dem Gleichnis vom NIGHTMARE CONCERT sagen wollte? Na, die gleiche Unverschämtheit hat sich erneut zugetragen! Nach all den Jahren wieder! In Deutschland! Natürlich - wo auch sonst? Wenn nicht hier - im bundesdeutschen, restriktiven Splatterfilmsingapur!?! Hat man nach Tilgung aller Splatterszenen von den eineinhalb Stunden NIGHTMARE CONCERT noch 67 Minuten übriggelassen, finden sich auf der deutschen DVD-Veröffentlichung von Emanuele de Santis aktuell erschienenen ADAM CHAPLIN gerade noch lumpige 62 Minuten.
Der Rest - und damit der schöne Splatter, den ADAM CHAPLIN lebt, atmet, schlicht und ergreifend für seine Daseinsberechtigung braucht - liegen im Papierkorb irgendeines dunklen Schneideraums. Hört ihr das triumphierende Lachen der doofen Scherenschleifer? Sie denken wohl, sie haben gewonnen. Aber nicht gegen uns, nicht gegen uns! Der sparsame und bei aller Bescheidenheit überdurchschnittlich intelligente Splatterfreund - so wie euer Peter, yours truly Genie des Bösen- kennt nämlich die liberalen Gesetze der Nachbarländer so gut wie seine Westentasche und macht sich darüber hinaus auch noch die offenen Märkte in der EU zunutze. Er wartet nicht einmal bis im splatterfreundlicheren deutschsprachigen Nachbarraum dann das sakrisch teure hundertseitige limitierte Mediabook inklusive DVD, Blu-ray, Super 8-Filmspule, Laserdisc und beiliegender Retro-Kassette mit einer Demo-Rehearsal-Version des alten, kultigen FSK- Begrüßungsspruch ("Liebe Filmfreunde...") veröffentlicht wird -oder 'ne olle Hartbox - sondern bestellt sich die DVD mit dem ungeschnittenen Film zu einem sehr moderaten Preis neu und originalverschweißt einfach im Königreich der Queen.
Wie Sie sehen, werte Damen, Herren Scherenschleifer von der Bundesprüfstelle, das Imperium hat gesiegt! Der Splatter findet - wie Wasser - immer einen Weg. Und da auch die schönste und längste Einleitung in der Geschichte der Internetfilmbesprechungen leider, leider, leider auch mal ein Ende finden muss, kommen wir nun zur eigentlichen Review. Ich bedanke mich schon jetzt für eure Aufmerksamkeit - und werde euch beim nächsten Mal berichten, wie ich aus dem Schlund des MEGA SHARKs entkommen konnte...
*ein Insider, den jetzt nur die Redaktion und unsere Stammleserschaft versteht.
Wir haben weiter oben schon eruiert: In seiner vollen, ungeschnittenen Pracht ist ADAM CHAPLIN (der - wäre er vor vierzig Jahren in einem deutschen Bahnhofskino gelaufen und hätte ihm der Titelschmied, der damals LES RAISINS DE LA MORT in ZOMBIS GESCHÄNDETE FRAUEN umgetauft hat, einen neuen Namen geben dürfen- sicherlich FÄUSTE ZERWIXSTE SCHÄDEL geheißen hätte; Rechtschreibfehler inbegriffen) eine Goregranate vor dem Herrn. Schon der Trailer gibt in etwa die Marschrichtung vor. Der sieht aus, als hätte ein Italiener mit Olaf Ittenbach als Special-FX-Man die STORY OF RICKY neu verfilmt. Ganz im Geiste strunzbrutaler Knochenzermalmer-Mangas wie die postapokalyptische FIST OF THE NORTHSTAR schickt Regisseur de Santi (tatsächlich ein Italiener) seine langhaarige Titelfigur (die er höchstselbst spielt) auf den Rachefeldzug. Und die braucht keine Pumpguns oder Raketenwerfer und nur in ganz seltenen Fällen eine Schrotflinte.
Eigentlich lässt ADAM CHAPLIN nur die Fäuste sprechen. Sprechen? Nein, sie kreischen. Brüllen. Röhren. Deathgrowlen. Denn diese Fäuste machen das, was seinerseits RIKI-Ohs Schläge und Tritte mit seinen Feinden gemacht haben. Da platzen dann Köpfe wie reife Melonen. Oder brechen Rückgrate in zwei Teile. Zerbersten Kiefer, Knochen, Rippen. Und wenn nicht Adam einen seiner teils in unmenschlicher Geschwindigkeit prasselnden Schwinger landet, dann hat er ja noch diesen kleinen, glutäugigen Dämon auf der Schulter hocken. Der hat auch so manchen netten für hohen Kunstblutverschleiß sorgenden Finishing Move auf Lager...
Damit ist ADAM CHAPLIN nicht nur der prädestinierte Opener für eure nächste HOBO WITH A SHOTGUN-Session, sondern einer der durchgeknalltesten Gewalt-Overkills der letzten Jahre. Fist Metal vom Feinsten. Wahrlich! Da bringt einer sicht- und spürbar den Spirit alter, glorreicher Schädelspalter-Animes wie den bereits genannten FIST OF THE NORTHSTAR oder den immer wieder gern gesehenen NINJA SCROLL in den Realfilm. Bei Emanuele de Santis Debüt fühlte ich mich wohlig in jene frühen Tage zurückversetzt, als bei Goreziegenpeters die Tapes von guten Menschen wie Alex (DRILLBIT) Chandon, Olaf (PREMUTOS) Ittenbach, J.R. (ROBOT NINJA) Bookwalter oder Andreas (DEMONIUM) Schnaas noch heißgelaufen sind.
Auch ADAM CHAPLIN ist das Projekt einer Handvoll engagierter, enthusiastischer und begabter junger Männer und Frauen, die sich unter dem Banner "Necrostorm" zusammengefunden haben. Ihr Ziel: Mit geringen Mitteln das größtmögliche Splatter-Drecksau-Fest zu veranstalten. Dabei ist der Film fast ein Sololauf seines allround-talentierten Regisseurs, der nicht nur den titelgebenden Totschläger spielt, sondern auch Regie sowie die Kamera geführt, die mechanischen Prothesen entwickelt, den Gore gebraut, die Musik komponiert und das Ganze auch noch eigenproduziert hat. Nur die CGI-Effekte, die im Gefecht Hand in Hand mit handgemachtem Extremgekröse gehen, hat er seinem Bruder Giulio überlassen.
Mangels Masse sieht natürlich nicht jeder Effekt aus wie von der KNB-Group gemacht. Und mangels Masse findet das Schlachtfest nur an kostengünstigen Drehorten statt. Die Sets sind dementsprechend: Stillgelegte Fabrikgelände, Abbruchhäuser, urbane Einöden. Allen budgetbedingten Widrigkeiten zum Trotz gelingt es ADAM CHAPLIN dennoch ein räudiges Bild einer pechschwarzen Zukunftsvision heraufzubeschwören und uns in eine chaotische, grausame Welt zu stürzen, in welcher entstellte Mafiosi mit umgedrehten Kreuzen auf der Fratzenbedeckung, faschistische Cops und gesichtsverheerte Straßenschläger im finsteren Verein blutige Ränke schmieden.
Sicher schwingt da manchmal ein Hauch von Laienhaftigkeit mit; aber noch viel öfters eine schön düstere Atmosphäre. Aus den Drehorten hat man das Beste herausgeholt: So spielen beispielsweise die Szenen unter der Stadt (die übrigens den trügerischen Namen Heaven's Valley trägt) zwar zwischen kargem Mauerwerk, doch hat man diese so geschickt klaustrophobisch angeordnet, dass man fast ein Revival der tsukamotorischen Bedrückung eines HAZE erlebt.
Dann der Gore. Der spritzt hier nicht nur aus einem Schlauch, sondern gleich aus mehreren. Keine Fontänen, das sind Tsunamis roter Suppe. Und doch ist dieses Blutbad nicht plump, sondern trägt doch tatsächlich so etwas wie eine eigene, individuelle Handschrift. Selbst bei den etwas weniger gelungenen Computereffekten obsiegt die krude Idee dahinter. Lange Rede, kurzer Sinn: ADAM CHAPLIN ist 100 % Bluthundfutter; allerdings nur ungeschnitten genießbar.
In Deutschland mit über 20 Minuten an Gewaltschnitten übelst kastriert; im hier besprochenen Original ein knochenzerschmetternder, Blutgeysire hervorbringender Splatter-Overkill, der die Geschichte von THE CROW im Geiste alter postapokalyptischer Gewalt-Anime wie FIST OF THE NORTHSTAR und im Stile der gelungeneren Frühwerke eines Chandon, Bookwalter oder Ittenbach erzählt. Dabei schafft es Allroundtalent de Santi (Regie, Musik, Kamera, Produktion, Gore und Hauptrolle) doch tatsächlich eine prächtig düstere Atmosphäre und die Ahnung eines eigenen Style zu entwickeln. ADAM CHAPLIN spaltet nicht nur Schädel, sondern auch Meinungen. Das ist klar. Wertungsdiskussionen könnt ihr trotzdem alleine führen. Von mir gibt's (inklusive Kutteln- und Herzblutbonus)