OT: La conquista de la tierra perdida
FANTASY: I, 1983
Regie: Lucio Fulci
Darsteller: Andrea Occhipinti, George Rivero, Sabrina Siani
Häuptlingssohn Ilias zieht mit einem magischen Elfenbeinbogen bewaffnet aus, um seine Männlichkeit zu erproben. Dabei verschlägt es ihn in ein unzivilisiertes Land, das von der skrupellosen Hexe Ocron mit ihrer Horde langschnäuziger Wookies beherrscht wird. Zusammen mit dem Outlaw Mace macht er sich auf, deren Herrschaft zu stürzen.
Vom Pantheon der italienischen Genre-Meister um Mario Bava und Dario Argento war Lucio Fulci eindeutig einer der vielseitigsten. Egal ob Action, Giallo, Poliziottesco, Western, Komödie, Science Fiction oder natürlich Horror, es gab kaum ein Genre, das er als Regisseur nicht bedient hätte. Insbesondere im Giallo und Horror lieferte Fulci einige zentrale Klassiker mit nachhaltiger Wirkung, auf denen sein Ruf bis heute fußt. So gesehen eigentlich erstaunlich, dass die Fantasy in dieser Aufzählung fehlt. Dachte ich zumindest lange Zeit, bis mir unlängst CONQUEST von 1983 in die Hände fiel. Am derivativen, aber dennoch ansprechend illustrierten Cover findet sich neben dem opulenten Titel fast schon versteckt der Name Lucio Fulci.
Nachdem John Milius dem Sandalenfilm der 50er und 60er Jahre mit CONAN ein genrestiftendes Update verpasste, folgte ein breites Echo zweit-, dritt- wie letztklassiger Barbarenfilme aus verschiedenen Ecken der Welt. Insbesondere die italienischen Produzenten fanden Gefallen an Abenteuern in archaischen Welten, magisch-mystischen Zuschnitts.
CONQUEST nimmt in dieser Trash-Schwemme allerdings in mehrfacher Hinsicht eine Ausnahmestellung ein. Gerade auch weil sich Fulcis große Schwäche hier kaum auswirkt. Dem Regisseur wird nämlich gemeinhin nachgesagt, keine stringente Geschichte erzählen zu können. Zu episodenhaft wirken seine Filme mitunter, regelrecht zusammengeschraubt. Wie praktisch, dass das Drehbuch zu CONQUEST ohnehin keine nennenswerte Handlung voraussetzte.
Von narrativen Zwängen weitgehend befreit, konnte sich Fulci somit ganz auf die visuelle Gestaltung konzentrieren. Und die fiel durchaus ambitioniert aus. Über den Bildern liegt eine Art milchiger Schleier, der den Film in eine impressionistische Stimmung taucht. Wie die Nebel von Avalon legt er sich über die Gebirgs-, Sumpf und Küstenlandschaften. Ob tatsächlich als bewusster künstlerischer Ausdruck gedacht oder bloß ein handwerklicher Kniff, um die allzu karge Ausstattung zu übertünchen, sei dahingestellt. Man fühlt sich dadurch an einen Fiebertraum erinnert, was dem Setting eines vorzeitlichen Fantasyreiches jedenfalls entgegenkommt.
Ähnlich verspielt agierte Fulci mit den Wechselbeziehungen von Licht und Schatten. Besonders die Szene, in der sich Mace durch eine dunkle Höhle kämpfen muss, sticht dabei hervor. Nur spärlich blau beleuchtet bewegen sich die Figuren durch die ansonsten stockfinstere Kulisse. Die Bedrohung bleibt dabei nur angedeutet, mehr als diffuse Schemen und groteske Formen lassen sich nicht ausmachen. Weit weniger zurückhaltend gibt man sich bei der obligatorischen Fleischbeschau und den Gewaltdarstellungen. Kaum überraschend, immerhin reden wir hier von einem diesbezüglich berühmt berüchtigsten Filmemacher. Schon in der Anfangssequenz wird skalpiert, geköpft und ein Frauenkörper bei lebendigem Leibe zerrissen. Im Laufe der folgenden 85 Minuten kommen noch Amputationen, etliche Fleischwunden oder eitrige Geschwülste hinzu. Alles mit Fulcis ureigener pathologischer Sorgfalt explizit ins Bild gerückt, worin sich vermutlich sein Medizinstudium bemerkbar macht. Der Grund besagter Verletzungen sind selbstverständlich Bewährungsproben, in Form von Kämpfen gegen menschliche wie absonderliche Ungeheuer. Diese sind recht ordentlich choreographiert und mit gelegentlichen Slow-Motion-Elementen versehen.
Vergleichsweise ungewöhnlich wirkt die Wahl des Hauptdarstellers. In der Regel regieren im Genre ja kantige Muskelpakete. Andrea Occhipinti als Ilias hingegen verkörpert nicht mehr als einen halben Bestrich. Glücklicherweise wurde ihm zur Kompensation George (eigentlich Jorge) Rivero zur Seite gestellt. Rivero, mexikanisches Sexsymbol der 60er und 70er, mimt den wortkargen Einzelgänger Mace und reißt den Film mit starker Performance an sich. Eine Figur, die allemal Potential zu eigenständiger Vermarktung gehabt hätte. Den Score besorgte Argento-Intimus Claudio Simonetti. Seines Zeichens Keyboarder von Goblin. Entsprechend darf man nicht mit pompöser Orchestermusik, sondern muss mit gediegenen Synthie-Sounds rechnen. Für einen Fantasyfilm gewöhnungsbedürftig, der leicht entrückten Stimmung erweist sich der Sound aber als äußerst dienlich.
Bereits ein Jahr nach CONAN lotete Lucio Fulci die Grenzen des noch jungen Barbarenfilms aus. Dank höchst eigenwilliger, fiebriger Atmosphäre auch abseits blutiger Schauwerte visuell überzeugender Low-Budget-Streifen.