OT: I Quattro dell'apocalisse / Four of the Apocalypse
ITALOWESTERN: Italien, 1975
Regie: Lucio Fulci
Darsteller: Fabio Testi, Lynne Frederick, Michael J. Pollard, Tomas Milian
Ein Spieler, eine schwangere Hure, ein Säufer und ein liebenswerter, aber geistig zurückgebliebener Schwarzer, der eine merkwürdige Affinität zu Toten und Friedhöfen hat, auf einem Roadtrip durch die Einöde des Westens. Das sind die FOUR OF THE APOCALYPSE. Und jeder von ihnen wird während dieser Reise seinem Schicksal gegenübertreten werden müssen ...
Folgte Fulcis erster Western MASSACRE TIME (aka DJANGO - SEIN GESANGBUCH WAR DER COLT) noch treu den gängigen Genre-Regularien, verlässt er mit seinem merkwürdigen, fast schon (alp)-traumwandlerischen FOUR OF THE APOCALYPSE (dt. Titel: VERDAMMT ZU LEBEN - VERDAMMT ZU STERBEN) die gewohnten Pfade.
In der Rezeption wurde Fulcis zweiter Western gerne als Erlösungsdrama aufgefasst. Da ein Erlösungsdrama per definitionem allerdings stets ein gutes Ende anstrebt, will der Begriff nicht so richtig zu dem seltsam melancholischen, öfters gar gnadenlos nihilistischen FOUR OF THE APOCALYPSE passen. Tatsächlich repräsentiert dieser Film recht treffend das bekannt düstere Weltbild seines Regisseurs. Jeder Hoffnungsschimmer wird von unsäglichem Leid begleitet; jede Freude, jedes Erfolgserlebnis ist bestenfalls flüchtig.
Der Westen ist hier nicht die Straße ins Glück. Sondern durch und durch menschenfeindliches Gebiet.
So lernen sich unsere Hauptprotagonisten in einer Gefängniszelle kennen. In einer Nacht, wo namenlose Maskierte ein grausames Massaker in der Stadt anrichten. Wo in anderen Western selbst noch in den fortgeschrittenen Siebzigern ohne Einschusslöcher im Hemd "gestorben" wird, holt Fulci im Vorgriff auf seine späteren Blood & Guts-Eskapaden im Zombiefilm-Metier die Kutteln hier schon raus: Schrotflintensalven reißen basketballgroße Löcher in die Leiber der Cowboys; in die Pferdetränken wird mit heraushängenden Eingeweiden gestürzt.
Auch unsere vier Hauptfiguren werden im weiteren Verlauf vor allem in Gestalt des einmal mehr sehr wandlungsfähigen Tomas (DER GEHETZTE DER SIERRA MADRE, DJANGO KILL!) Milian, der diesmal einen blutrünstigen, brutalen Desperado namens Chaco spielen darf, noch häufiger mit wüsten Gewaltausbrüchen konfrontiert - oder selbst zu Opfern.
In einem Interview, in welchem der Hauptdarsteller Fabio Testi ansonsten sehr respektvolle Erinnerungen an den unvergessenen Fulci hegt, sieht der Schauspieler in einer recht garstig inszenierten Vergewaltigungsszene gar Fulcis Weg hin zu seinen umstrittenen, exzessive Gewalt betreibenden Werken der frühen 80er Jahre vorgezeichnet. Eine These, deren Wahreitsgehalt noch durch eine weitere recht barbarische Szene (nämlich einer Häutung bei lebendigem Leib) unterstrichen wird.
Wobei manche unbequeme Szenarien nicht einmal den Einsatz von Kunstblut erfordern. Irgendwie geht das demütigende Spiel Chacos mit der Alkoholsucht der von Michael J. Pollard übrigens superb gespielten Figur des "Clam" ebenso beunruhigend schmerzhaft unter die Haut wie zuvor Chacos Messer unter die des Sheriffs.
Trotz seiner sadistischen Ausfälligkeiten, die dem Film in einigen Ländern heftige Probleme mit der Zensur eingehandelt haben, ist das Tempo über weite Strecken überraschend ruhig. Für manche -nicht für mich- eventuell zu ruhig. Außerdem hat die episodenhafte Erzählweise bei vielen Rezipienten -darunter auch (ganz prominent) bei Tomas Milian himself- den Eindruck von Unfertigkeit erweckt; allerdings sagt Milian in demselben Interview, dass er FOUR OF THE APOCALYPSE für einen guten Film und Fulci für einen hochbegabten Regisseur hält.
Tatsächlich verweigert sich Fulcis Erzählweise in diesem Film des Öfteren den Gepflogenheiten des Spannungskinos. Im letzten Drittel, wo in anderen Italowestern der Bleigehalt in der Luft signifikant erhöht wird und man sich langsam für das allesentscheidende Duell warmschießt, verweilt Fulci genüßlich lange in Altaville, einer unwirklich wirkenden Männer(!)-Enklave irgendwo im Nirgendwo und besiegelt dort ein Schicksal, während er einem anderen in einem selten Anflug von Menschlichkeit Hoffnung gewährt.
Der Showdown mit Chaco wiederum findet eher beiläufig statt. Und auffallend unspektakulär. Doch gerade dieses kurz montierte, aber grausame Sterben in einer Scheune am Ende des Films passt auch recht gut zum Grundton von FOUR OF THE APOCALYPSE; zumal der Höhepunkt des Films schon zuvor in der grandiosen "Geisterstadt"-Episode gefeiert wurde. Diese längere Sequenz, die in einem verlassenen, aus Ruinen und einem verwitterten Friedhof bestehenden, fast im Regen ertrinkenden Set spielt, glänzt durch bedrohliche Kamerawinkel, einer seltsam entrückten gespenstischen Atmosphäre sowie einer verdammt unappetitlichen Überraschung. Hier geht nicht nur der farbige "Geisterflüsterer" ganz in seiner Abseitigkeit auf.
Zuguterletzt sei noch erwähnt, dass FOUR OF THE APOCALYPSE, der in Deutschland unter seinem Alternativtitel VERDAMMT ZU LEBEN, VERDAMMT ZU STERBEN bekannter ist, außerordentlich von seiner hervorragenden Besetzung profitiert. Auf Pollard und Milian bin ich schon eingegangen, aber auch die Rollen des Spielers und der Prostituierten sind wie maßgeschneidert für Fabio (NACHTBLENDE, KNIE NIEDER UND FRISS STAUB) Testi, bzw. der aus den Horrorfilmen CIRCUS DER VAMPIRE sowie PHASE IV bekannten Lynne Frederick.
Einzig und allein der Soundtrack des renommierten Komponistentrios Frizzi, Bixio und Tempera kann diesmal nicht auf ganzer Linie überzeugen. Manche Stücke - insbesondere die gesungenen - klingen dann doch etwas zu schnulzig und treffen nicht den (abgründigen) Ton der Bilder.
Trotzdem ist FOUR OF THE APOCALYPSE nicht nur der Fulci-Western, in welchem man die Handschrift des Maestros am deutlichsten erkennen kann, sondern gleichzeitig auch sein bester.
Mit seinem zweiten Genrebeitrag verlässt Lucio Fulci endlich die üblichen Pfade, die er mit seinem ersten (nicht immer überzeugenden) Western MASSACRE TIME noch selbst kräftig ausgetreten hat. In FOUR OF THE APOCALYPSE zeichnet er ein düsteres, hoffnungklammes Bild des Westens und die hierfür benutzten Farben heißen unter anderem Nihilismus und brutale Gewalt. In diesem Kontext überrascht, dass der episodenhaft erzählte Film ein eher ruhiges Tempo pflegt und es darüber hinaus versteht, eine außerordentlich dichte melancholische Stimmung zu erzeugen. Fulcis FOUR OF THE APOCALYPSE ist ein besonderer Italowestern - einerseits, weil die ureigene Handschrift des Maestros deutlich erkennbar ist und andererseits weil er sich erfolgreich aus seinem starren Genre-Korsett befreien konnte.