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Lost in La Mancha

Lost in La Mancha

DOKUMENTARFILM: E/GB, 2002
Regie: Keith Fulton, Louis Pepe
Darsteller: Terry Gilliam, Johnny Depp, Jean Rochefort, Vanessa Paradis

STORY:

Zehn Jahre lang hatte Terry Gilliam seinen Herzenswunsch, eine Don Quijote-Verfilmung, mit sich herumgetragen. Als er endlich alles zusammen hatte - 32 Millionen Dollar Budget, zugkräftige Stars (Johnny Depp, Vanessa Paradis, Jean Rochefort) und die Locations in der spanischen Wüste - geht alles schief, was nur schief gehen kann. Kampfflugzeuge stören die Aufnahmen, ein Unwetter verwandelt das Set in eine Schlammlandschaft, und zu allem Unglück kann Don Quijote-Darsteller Jean Rochefort krankheitsbedingt nicht mehr reiten. Terry Gilliam verliert allmählich die Nerven und wird seinem Alter Ego, dem "Ritter von der traurigen Gestalt" immer ähnlicher.

KRITIK:

Es ist ja nicht so, dass Terry Gilliam keine Erfahrungen mit desaströsen Dreharbeiten und gescheiterten Filmprojekten hätte. Lest mal seinen Wikipedia-Eintrag. Doch was sich am Set von THE MAN WHO KILLED DON QUIXOTE abspielte, sollte alle bisherigen Katastrophen in der Karriere des Ex-Monty Python in den Schatten stellen.

Dabei beginnt die Vorproduktion durchaus vielversprechend: Bauten werden gezimmert, Kostüme geschneidert, Storyboards gezeichnet, Szenen diskutiert, Effekte vorbereitet. Euphorie und kreatives Chaos liegen in der Luft, und Terry Gilliam freut sich wie ein kleines Kind. "Captain Chaos ist voll in seinem Element.", bringt ein Crew-Mitglied die Stimmung auf den Punkt.

Doch bald macht sich Ernüchterung breit: Die Stars haben leider keine Termine frei, die Investoren werden nervös, Verträge müssen neu aufgesetzt werden, das gebuchte "Filmstudio" ist in Wirklichkeit eine Lagerhalle mit unbrauchbarer Akustik, das Budget wird gekürzt etc. etc...

Im September 2000 beginnen schließlich die Dreharbeiten in der spanischen Wüste. Dass F16-Kampfflugzeuge immer wieder im Tiefflug über das Set donnern, nimmt Gilliam mit Humor. Man kann den Lärm ja nachträglich wegfiltern. Doch schon am zweiten Tag bricht ein sintflutartiges Unwetter über die Wüste herein und schwemmt das Set weg. Das Equipment ist weitgehend zerstört, die Location eine einzige braune Schlammlandschaft.

Tags darauf zwingt ein Bandscheibenvorfall Don Quijote-Darsteller Jean Rochefort in die Knie. Der damals 70-jährige französische Edelmime, der extra für diese Rolle Englisch gelernt hatte, muss ins Krankenhaus und wird nie wieder reiten können.

Es folgen hektische Diskussionen und Krisensitzungen. Spätestens an dieser Stelle wird klar, dass Filmemachen weniger mit künstlerischem Schaffen zu tun hat, als vielmehr mit beinharten Projektmanagement- und Controller-Jobs.

Und was machen Projektmanager - in diesem Falle die Produzenten - wenn die Kacke am Dampfen ist? Richtig: Sie suchen einen Sündenbock. Irgendwer muss ja am schlechten Wetter und am schlechten Gesundheitszustand des Hauptdarstellers Schuld sein. Also soll Terry Gillams rechte Hand, Regie-Assistent Phil Patterson, gefeuert und durch einen ominösen "Completion Guaranter" ersetzt werden.

Doch dazu kommt es nicht mehr. Terry Gilliam absolviert noch ein paar Alibi-Takes mit Johnny Depp, die die anwesenden Geldgeber besänftigen sollten. Doch die ziehen dem Don Quijote-Projekt ohne Hauptdarsteller schließlich den Stecker.

Es ist schmerzhaft und tragisch, Terry Gilliam bei seiner Niederlage zuzusehen. Die geplante Dokumentation über die Dreharbeiten wurde zum "Not-Making-Of" eines Wunschprojektes, zum Dokument eines Desasters.

Anders als bei handelsüblichen "Making Ofs" auf den DVD-Extras, die oft nicht mehr sind als verlogene PR-Filmchen, in denen die Stars erzählen, wie viel Spaß ihnen die Dreharbeiten gemacht haben, bekommen Interessierte hier wirklich ehrliche und ungeschminkte Einblicke in die erschreckend banale Realität des Filmemachens. Ein Knochenjob, der weniger mit künstlerischer Selbstverwirklichung, als vielmehr mit nervenaufreibenden Logistik-Aufgaben zu tun hat. Wenn man sich all die Katastrophen hier vor Augen führt, kommt einem jeder fertig gestellte Kinofilm wie ein kleines Wunder vor.

Die Doku zeigt auch einige Ausschnitte aus dem DON QUIXOTE-Rohmaterial. Es ist nicht viel, aber das, was man zu sehen bekommt, vermittelt einen Eindruck davon, was für ein potentiell toller Film hier im wahrsten Sinn hier in den Sand gesetzt wurde.

Terry Gilliam gibt indes nicht auf. Wie man aus der IMDB erfährt, nimmt er 2011 einen erneuten Anlauf, um Don Quijote zum Leben zu erwecken. Wir halten die Daumen …

Lost in La Mancha Bild 1Don Quijote, der Ritter von der traurigen Gestalt
Lost in La Mancha Bild 2und sein Alter Ego, Regisseur Terry Gilliam
Lost in La Mancha Bild 3bei der Arbeit
Lost in La Mancha Bild 4und beim Kampf gegen Windmühlen
Lost in La Mancha Bild 5Nicht nur Johnny Depp steckt in Schwierigkeiten
Lost in La Mancha Bild 6Und weil er so schön ist: Noch mal Johnny
FAZIT:

LOST IN LA MANCHA hätte eigentlich das Making Of für Terry Gilliams lange gehegten Wunschtraum, einer aufwändigen Don Quijote-Verfilmung werden sollen. Doch den angeheuerten Dokumentarfilmern Keith Fulton und Louis Pepe blieb nichts anderes übrig, als das tragische Scheitern eines filmischen Herzensprojektes festzuhalten.

Für Film-Interessierte, die einen ungeschönten Blick "behind the scenes" werfen wollen, ein Must-See.

WERTUNG: 8 von 10 Statisten, die nicht wissen, was sie tun
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