OT: Mannekäng i Rött
GIALLO & FRIENDS: SWE, 1958
Regie: Arne Mattsson
Darsteller: Anita Björk, Karl-Arne Holmsten, Annalisa Ericson, Anita Lindblom
Im Modesalon "La Femme" schießt die Sterblichkeitsrate nach oben, als sich diverse Erbschleicher und Erpresser das florierende Geschäft unter den Nagel reißen wollen. Das verheiratete Detektivpärchen John und Kajsa Hillman ermittelt ...
KRITIK:Arne Mattsson hat das selten gesehene, aber nicht weltbewegende Erotikdrama ANN OCH EVE gedreht, welches ich vor geraumer Zeit in diesen Hallen vorgestellt habe. Bei den Recherchen über diesen mir seinerzeit völlig unbekannten schwedischen Regisseur bin ich in dessen Filmographie über den Titel MANNEKÄNG I RÖTT gestolpert.
Viel gab es im Internet über diesen Titel nicht zu lesen, aber das Wenige hat mich dann doch in Erstaunen versetzt. MANNEKÄNG I RÖTT, dieser schwedische Kriminalfilm aus den - Aufgepasst!- 50ern soll der Sage nach Inspirationsquelle für kein geringeres Werk als Mario Bavas BLUTIGE SEIDE gewesen sein. Klingt unglaublich, denken gerade die Giallo-Fans unter unseren Lesern? Klingt unglaublich, waren auch meine Gedanken damals.
Schließlich kennt man als getreuer Knappe der italienischen Murder Mystery- Tafelrunde den Stellenwert dieses Klassikers ganz genau. Gilt dieser doch als der Ur-Giallo, als der Genre-Prototyp schlechthin. Die Vorstellung, dass die erhaben stylischen stiefelländischen Thriller ihre Vorbilder ausgerechnet im hohen Norden haben sollten - nämlich Schweden, wo MANNEKÄNG I RÖTT gedreht wurde - war auch für mich eine abenteuerliche. Aber warum der Sache nicht einmal auf den Grund gehen?
Glück gehabt. In Skandinavien hat man dem mittlerweile 53-jährigen Streifen vor ein paar Jahren ein offizielles DVD-Release im schwedischen O-Ton mit englischen Untertiteln (und nebenbei gesagt in perfekter Bildqualität) spendiert; so war es ein Leichtes, dem Objekt meiner filmsammelleidenschaftlichen Begierde habhaft zu werden.
Wie eingangs erwähnt erblickte MANNEKÄNG I RÖTT 1958 das Licht der Kinoprojektoren. Damit ist der Film ein Jahr älter als der erste deutsche Edgar Wallace-Krimi, fünf Jahre älter als der erste Quasi-Giallo THE GIRL WHO KNEW TOO MUCH und sogar sechs Jahre älter als BLUTIGE SEIDE, dem ersten hochoffiziellen Giallo.
MANNEKÄNG I RÖTT ist der zweite Output einer Filmreihe um das verheiratete Detektivpärchen Hillman und tatsächlich viel mehr Giallo als man erwartet hätte. Morde in der Haute coture. Tote Models. Schaufensterpuppen. Erpressung. Handschuhe. Red Herings. Whodunit. Doch die Parallelen zu Bavas Klassiker sind nicht nur inhaltlicher Natur. Auch Kameraführung, Szenenausstattung, Szenenausleuchtung, die Spiele mit Licht und Schatten und Morde mit genüsslichem Vorspiel unterstreichen die stellenweise verblüffenden Gemeinsamkeiten zwischen diesen beiden Filmen.
Ein kleines bisschen ist MANNEKÄNG I RÖTT wie BLUTIGE SEIDE sechs Jahre vor BLUTIGE SEIDE. Allerdings fehlen diesem schwedischen Kriminalfilm dann doch einige bedeutende Trademarks des klassischen Giallo, die Bavas Genrepräger eingeführt hat. Die Morde in MANNEKÄNG I RÖTT werden nie graphisch und blutig zelebriert und sie sind auch bar diesem düsteren sexuellen Unterton, welcher die Ableben in den italienischen Murder Mysteries üblicherweise kennzeichnet.
Und natürlich kann MANNEKÄNG I RÖTT trotz unbestreitbaren Spannungs- und Unterhaltungswert - der italienischen BLUTIGE SEIDE nicht das Wasser reichen. Bava hat in seinem Film aus dem Jahr 1964 alle Ansätze, die Mattson in seinem Krimi auf den Bildschirm gebracht hat, perfektioniert; mit Hitchcock-Einflüssen, inszenatorischer Meisterschaft und stilvoller Mordlust ergänzt und somit tatsächlich erst das Genre Giallo definiert.
Was jedoch nichts daran ändert, dass Mattsons Hillman-Thriller für sein Entstehungsjahr bereits mit bemerkenswert gialloesken Szenen aufwartet und somit eine lohnenswerte Entdeckung für Filmfreunde darstellt, die sich in Sachen Genrefrühgeschichte weiterbilden wollen. Allerdings müssen die dann etwas in Kauf nehmen, was man in herkömmlichen Gialli dankenswerterweise eher selten findet. Alle zehn Minuten konnten sich Mattson & co nicht verkneifen, humoristische Einlagen ins Mörderspiel zu bringen. Für die sorgt der Sidekick der Detektive Hillman, welcher für diese Serie das Pendant zu Eddi Arent aus der Edgar Wallace-Reihe darstellt.
Gut möglich, dass die Witze des Herrn damals in den Fünfzigern die Mundwinkel der Zuschauer nach oben gezogen haben; aber heute tun sie dies ob ihrer Albernheit allerhöchstens mit Fußnägeln. Egal, mit Mr und Mrs Hillman haben wir trotzdem ein so sympathisches Ermittlerduo am Start, dass ich mir deren ersten Fall - DAMEN I SVART (aka WENN DIE NEBEL FALLEN) - schon geordert habe.
Ende der 50er startete in Schweden eine recht erfolgreiche Filmreihe um das verheiratete Detektivpärchen Hillman. Deren zweiter Fall MANNEKÄN I RÖTT dreht sich um eine Mordserie in einem Modesalon und hat nicht nur inhaltlich erstaunliche Parallelen zu Bavas Klassiker THE GIRL WHO KNEW TOO MUCH. Sicherlich ist dieser schwedische Kriminalfilm aus dem Jahre 1958 nicht wirklich der ungekrönte Proto-Giallo, aber er besitzt schon einige verblüffend gialloeske Sequenzen. Was den Film letztendlich schon ein bisschen zur blutigen Seide vor der BLUTIGE SEIDE macht ...