HORROR: USA, 2010
Regie: Darren Lynn Bousman
Darsteller: Rebecca De Mornay, Jaime King, Patrick Flueger, Shawn Ashmore
Drei Brüder stürmen nach einem missglückten Bankraub die Einweihungsparty frisch gebackener Hauseigentümer. Sie nehmen alle Gäste als Geisel und rufen übers Handy Mommy an. Und wie jede gute Mutter ihren Söhnen in einer Notlage beistehen würde, kommt auch diese Mommy schnell zur Hilfe. Jetzt, wo die psychopathische Familie komplett ist, können die muttertäglichen Folterspiele beginnen ...
KRITIK:Nach Beatrice Dalle entdeckt nun auch Rebecca De Mornay (die einst mit Jon Voight und Eric Roberts im RUNAWAY TRAIN fuhr) die in ihr schlummernde psychopathische Ader im zweiten Frühling der Karriere.
Rebecca De Mornay schwingt sich hier zur Ma Dalton des Terrorfilms auf. Und sie lehrt uns das Fürchten. So wie die französische Kollegin Dalle in INSIDE. De Mornay spielt eine Geisteskranke. Eine pervertierte Muttergestalt. Die ihren vier (einst aus der Säuglingsstation geklauten) Kindern - die in der Inhaltsangabe angesprochenen Söhne plus einer tablettensüchtigen Tochter -, zur Gutenacht offensichtlich nicht aus "Weißt du eigentlich wie lieb ich dich hab?" vorgelesen hat, sondern aus den Tagebüchern von Charles Manson.
Doch Familienzusammenhalt wird trotzdem groß geschrieben; genauso wie bei der Kettensägen und Menschenhautmasken tragenden Familie Hewitt in Texas. Oder eben bei der allein erziehenden Mutter und ihren zwei verkommenen, mädchenfangenden Jungs aus Charles Kaufmans MUTTERTAG aus den 80ern, dessen Remake der hier vorliegende Film eigentlich sein soll.
Aber die beiden Filme sind wohl ungefähr so blutsverwandt wie hier Rebecca De Mornay mit ihren Filmkindern. Soll heißen: Viel Gemeinsamkeiten teilen Original und Remake im Grunde nicht. Den Titel eben und ein paar Mini- Querverweise wie den berüchtigten Rohrreiniger vielleicht. Ansonsten spielen das Original und sein "Eher-eigenständiger-Film-als-Remake" ohnehin zwei verschiedene Klaviaturen des Terrorgenres durch.
MUTTERTAG aus den 80ern war ein klassischer Backwood-Terrorist der Gruppe "Mädchen gefangen bei Psychopathen-Sippe" mit ironischen Untertönen und MOTHER'S DAY heute ist ein absolut zynischer und sadistischer Vertreter des "Psychopathen fallen ins traute Heim ein"-Subgenre. Die Kategorieteiler heißen in diesem Fall THE HOUSE ON THE EDGE OF THE PARK, VACANZE PER UN MASSACRO, FUNNY GAMES oder THE STRANGERS.
Während zumindest bei den italienischstämmigen "Psychopathen auf Hausbesuch"-Filmen die Gewalt sexualisiert war, bleiben sexuelle Erniedrigung und Vergewaltigung in dieser amerikanischen Produktion nur angedeutet. Wir bekommen nicht einmal eine blanke Brust zu sehen. Dennoch geht es in diesem neuesten MOTHER'S DAY alles andere als zimperlich zu.
Regisseur ist der SAW-erprobte Darren Lynn Bousman und der macht hier die nächste Knochenmühle an psychologischer und körperlicher Folter auf. Und die mahlt fast die ganze Laufzeit von 108 Minuten nonstop durch und lässt dabei immer mal wieder einen saftigen Splatterballon platzen. Da werden Köpfe eingeschlagen, weggeschossen oder angezündet. Kochendes Wasser in Gehörgänge gekippt oder Eier angestochen.
Wenn Bousman nicht gerade auf äußerst zynische Weise ein entartetes Bild von Familienbande zeichnet, oder am Ende auch die Abgründe der Opfer offenbart, tanzt er recht unbeschwert den Gore-Tango. Und dabei kommt er so in Wallung, dass die Neuauflage des MUTTERTAG in Sachen Sadismus den alten Video-Nasty aus den 80ern, der (obwohl gar nicht soo schlimm) bei uns in Deutschland ja immer noch auf dem Index weilt, eher wie ein altes Mütterchen, das keiner Fliege was zuleide tun könnte, aussehen lässt.
Doch Wunder o Wunder! Die FSK ließ ihre Schere im Halfter, heftete Mutti einen roten Flatschen an die Bluse und gewährte freies Foltergeleit. Klartext: Die FSK 18 ist uncut, Freunde! Wenn auch nicht frei von einigen Logikfehlern, unvernünftigen Protagonisten und plötzlich wieder (buchstäblich) bumsfidelen Sterbenden. Aber die kleinen und großen Ungereimtheiten fallen eigentlich kaum auf, weil Bousman die Gewaltspirale ständig (wirklich ständig!) kreiseln lässt und man auch als Zuschauer - ob man will oder nicht- immer tiefer hinein in diesen Strudel gerissen wird. Am Ende - nach viel Schweiß, Blut und Tränen - türmt sich der Leichenberg und darunter kriecht ein hundsgemeiner, aber etwas bemühter Schlusstwist hervor; der leider nicht so herrlich wie der im Original ausgefallen ist.
Nach 1980 ist endlich wieder MUTTERTAG. Mit dem beschlagnahmten Original von Charles Kaufman hat das Remake vom Darren Lynn Bousman eher weniger zu tun; Fans des alten MUTTERTAG werden hier einen völlig neuen Film zu Gesicht bekommen. Nicht weiter tragisch: Rebecca De Mornay ist die neue Ma Dalton des Terrorkinos. Bousman kennt kein Erbarmen mit seinen Protagonisten. Die SAW- Fraktion wird frohlocken; angesichts der psychischen und physischen Folterparcours, die sich fast über die gesamten ungeschnittenen 108 Minuten erstrecken und für einen sehr hohen Body Count sorgen. Hier habt ihr euren neuen Torture Porn, aber von einem Fachmann, der sein Handwerk versteht.