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Müllers Büro

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KRIMI-MUSICAL MADE IN AUSTRIA: A, 1986
Regie: Niki List
Darsteller: Christian Schmidt, Andreas Vitasek, Barbara Rudnik, Sue Tauber, Maxi Sukopp, Jochen Brockmann, I Stangl, Niki List, Johnny Belinda

STORY:

Privatdetektiv Müller und sein Partner Lipinsky sollen für eine Klientin deren Freund suchen. Bald stellt sich heraus, dass der scheinbar simple Auftrag in die Abgründe sowohl der Wiener Unterwelt als auch der High Society vorstößt. Die Leichen stapeln sich immer höher, in Wien tobt ein Gangster-Krieg. Im Rotlichtmilieu geht ein Mörder um, die Klientin ist schön, aber sicher nicht harmlos und selbst während des Sexes wird gesungen. "Noir" auf Wienerisch.

KRITIK:

Was muss dieser Film 1986 für ein Erstaunen bei der Berlinale hervorgerufen haben, als er dort Weltpremiere feierte. Ob das damalige Publikum schon ahnte, dass hier ein Kultfilm seine Geburtsstunde erlebt? Dreißig Jahre danach weiß man zumindest, dass der Film einer der erfolgreichsten österreichischen Filme ever ist. In Österreich 64 Wochen en bloc in den Kinos, eine Zeitlang neben DINNER FOR ONE Silvester-Pflicht-Programm im österreichischen Fernsehen, in der Schweiz zeitverzögert ebenfalls zum Kult geworden und auch in Deutschland hatte und hat er seine treuen Fans.

Niki List, 2009 relativ jung verstorben, galt/gilt als eines der größten Multi-Talente des österreichischen Films. Produktion, Regie, Schauspiel, Gesang, Schnitt - alles vereint in einer Person. Mit CAFE MALARIA hat er sein Debüt abgegeben und schon dieser Film war Festival-, Kritik- und Publikumsliebling, allerdings in wesentlich geringerem Maße, als es das Nachfolgeprojekt MÜLLERS BÜRO wurde.

Obwohl ihm seine guten Kontakte zur gesamten deutschsprachigen Film- und Musik-Szene Talente und Profis gleichermaßen in die Hände trieben, hat er wie viele seiner prominenten Regie-Kollegen gerne auf Stammpersonal zurückgegriffen. Das waren in diesem Film der Stuntman und Schauspieler Christian Schmidt, der schon Timothy Dalton als James Bond stuntdoubelte und bis heute aktiv ist, vor allem fürs Fernsehen, aber auch international als Stunt-Berater eingesetzt wird. Keine unwichtige Wahl, wie eine Stuntszene in diesem Film zeigt, wenn Müller im Hechtsprung eine Tür zerschießt und sie gleichzeitig durchspringt. Eines Jason Statham würdig. Wirklich!

Zweiter Hauptdarsteller ist der dieser Tage 60 Jahre gewordene Kabarettist Andreas Vitasek, der als phlegmatischer Larry der Partner/Assistent von Müller ist und schon mal gemeinsam mit Maxi Sukopp über oft aufeinander folgende Geschlechtsakte ein Liedchen namens "Ich will mehr" trällert. Überhaupt die Musik! Zwischen Neuer Deutscher Welle, Austropop und Filmschlager der 1950er/1960er angesiedelt, überzeichnet und schräg, ein wenig wie die Playback-Acts der Kultserie KOTTAN ERMITTELT, war das sicher ein nicht unwesentlicher Faktor, der die Bedeutung von MÜLLERS BÜRO unterstrich.

Das kannte man damals nicht und das wurde auch danach kaum gemacht, am ehesten noch in Niki Lists HELDEN IN TIROL, wobei dies sogar eine Art Quasi-Fortsetzung war. Aber das alleine hätte nicht gereicht. Trotz schräger Momente und komödiantischen Einsprengseln wird ein spannender Krimi serviert, welcher "Hard Boiled"- und Noir-Traditionen folgt. Die Besetzung ist eine gute Mischung, umfasst EDGAR WALLACE-Filmveteranen, Theaterschauspielerinnen und No-Names gleichermaßen.

Manch filmische Idee ist mehr als originell (Sterben in damals modernen Breakdance-Moves). Schon fast typisch österreichisch muss man mit Nacktheit im Film rechnen. Und der Zeitgeist der 1980er hat wohl auch was für sich. Des Weiteren gibt es einen Blick auf damals unverbrauchte, interessante Drehorte Wiens inklusive Nachtlokale mit großer Geschichte, die man nur mehr in diesem Film anschauen kann, denn sie gibt es mittlerweile nicht mehr.

Trotz "Kultfaktors" ist der Film kaum auf DVD erhältlich, einzig als Teil der DVD-Serie "Der Österreichische Film" (Nr. 30). Es wäre wünschenswert, wenn sich aufgrund des dreißigjährigen Jubiläums ein Verlag findet, der den Film ein würdiges Re-Release spendiert.

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FAZIT:

Nicht ganz zu Unrecht einer der wichtigsten österreichischen Filme überhaupt, auch wenn er nicht einmal in die Nähe der "Oscars" gelassen würde. Hübsche Mädchen, Harte Jungs, Böse Buben, Wilde Weiber, Schmissige Songs und jede Menge Leichen. Fähige Leute vor und hinter der Kamera haben einen originellen Vertreter des Genres Kriminalfilm geschaffen. Wenn man noch dazu bedenkt, dass Genre-Filme in deutschsprachigen Ländern damals wie heute nicht gerade über Geldüberfluss verfügen, kann man auch nur im Nachhinein gratulieren. Ein Highlight.

WERTUNG: 9 von 10 zeitlos modischen Jalousien-Tops
TEXT © Erich H.
Dein Kommentar >>
Hans-Christian | 05.05.2016 08:10
Hab ihn damals in irgendeinem Programmkino in Münster gesehen. Mann, das war was! Natürlich waren wir Herren alle hin und weg von Barbara Rudnik. Schade, das es den Film nicht auf DVD gibt, ich such ihn schon seit Jahren.
Erich H. | 07.05.2016 12:47
Hallo Hans-Christian,
es gibt es schon als DVD (Teil der DVD-Reihe "Der Österreichische Film" des Hoanzl-Verlags), wobei die DVDs aus dieser Reihe leider qualitativ etwas schlecht sind und auch keine irgendwie erläuternden Extras haben. Aber nur zum Wiederanschauen für nicht allzu viel Geld reicht es.
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