OT: Storm
THRILLER/DRAMA: D, 2010
Regie: Hans-Christian Schmid
Darsteller: Kerry Fox, Anamaria Marinca, Stephen Dillane, Rolf Lassgård
Er ist ein liebevoller Familienvater - und ein Mörder, Folterknecht und Massenvergewaltiger. Nach ein paar Monaten auf der Flucht wird der serbische General Duric in Spanien verhaftet und nach Den Haag überstellt. Die engagierte Anklägerin Hannah (Kerry Fox) hat ein Problem: Nach einer Falschaussage hat sich ein Belastungszeuge umgebracht; das Verfahren könnte platzen, der Schlächtergeneral freikommen. Die Anklägerin macht eine Schwester des toten Zeugen ausfindig, eine in Berlin lebende junge Mutter, die im Krieg Furchtbares durchgemacht hat, aber über das Erlebte nicht sprechen kann ...
KRITIK:Wie kann man ein so sperriges und gleichzeitig so grauenhaftes Thema wie die Arbeit des Den Haager Kriegsverbrechertribunals für einen Spielfilm aufbereiten?
Hans-Christian Schmid, dem nach Erfolgen wie CRAZY oder REQUIEM der Ruf eines Wunderknaben anhaftet, hat darauf eine filmische Antwort gefunden: STURM ist glücklicherweise kein reißerisches Gerichtsdrama, in dem pathetische Phrasen gedroschen und streberhaft geschliffene, drehbuchgerechte Wortduelle ausgefochten werden.
Der Großteil der Geschichte spielt auch außerhalb des Gerichtssaals.
Die Kamera von Bogumil Godfrejow folgt den Figuren unauffällig, hält sich mit visuellen Experimenten zurück und konzentriert sich auf kleine, aber wichtige Details. Wie schon in LICHTER, einem früheren, politisch bewegten Film von Schmid, liefert die Band The Notwist den stimmigen Score.
STURM ist Schmids bislang ambitioniertestes Projekt - internationaler Cast, englische Sprache, quer über Europa verteilte Drehorte, politisch brisantes Thema - und sein erster Film, dem nicht nur uneingeschränkte Bewunderung von Publikum und Kritik entgegengebracht wurde.
Zugegeben, die beklemmende Intensität von REQUIEM erreicht der Film nicht. Dennoch haben wir es mit einem packenden und emotional aufwühlenden Thriller-Drama zu tun.
Es ist erschütternd und beklemmend zuzusehen, wie die Gerechtigkeit zwischen Intrigenspielen und fragwürdigen politischen Deals auf der Strecke bleibt, wie das Leben von Zeugen ebenso bedroht wird wie die Existenz der mutigen Anklägerin, wie machtlos die staatlichen Institutionen gegenüber Kriegsverbrechern und mafiösen Oligarchen letztlich sind.
"Als ob das etwas Neues wäre", höre ich die Front der abgeklärten Zyniker und unpolitischen Achselzucker maulen. Und vielleicht haben sie damit sogar recht.
Hans-Christian Schmid ist natürlich kein Zyniker. Im Gegenteil, er lässt - nein, kein Happy End, das wäre absurd gewesen - aber zumindest eine kleine Utopie zu. Ohne etwas spoilern zu wollen, gelingt dem Film eine vermutlich unrealistische, aber Hoffnung machende Wendung.
Man wird ja noch ein bisschen träumen dürfen, auch in politischen Kategorien. Wo, wenn nicht im Kino?
Eine Frau kämpft gegen einen Kriegsverbrecher - und muss erkennen, dass Gerechtigkeit nur ein Wort ist.
Ein leiser, aber nichtsdestotrotz packender und aufwühlender Polit-Thriller von Deutschlands Regie-Wunderkind Hans-Christian Schmid.
Kinostart in A: 11.6.2010