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Symphony in Blood Red

Symphony in Blood Red

OT: Come una crisalide
NEO-GIALLO: Italien, 2010
Regie: Luigi Pastore
Darsteller: Antonio Tentori, Sharon Alessandri, Simona Oliverio, Anna Morosetti

STORY:

Aus schlechtem Elternhaus und als Kind vom Pfaffen mißbraucht worden. Als ihn später auch noch die Freundin verlässt, sieht er blood red. Zum Serienmörder und Torture-Pornographen mutiert, sucht er sich zwischen Prostituierten, Jägern und Fernsehmoderatoren wahllos seine Opfer. Bis er sich eines Tages in eine süße Philosophiestudentin verliebt. Die Liebeserklärung kommt per Handcam, Knebel und Fleischermesser ...

KRITIK:

The Giallo will rise again. Momentan allerdings überwiegend im Independentbereich. Nach Belgiens AMER, Frankreichs BLACK ARIA und Deutschlands MASKS kommt nun SYMPHONY IN BLOOD RED direkt aus dem Mutterland. Der Debüt-Giallo des jungen Italiener Luigi Pastore hat dabei gleich mehrere namhafte Protégés: Den heuer schwächelnden, aber dank DEEP RED, SUSPIRIA, INFERNO oder - SETZE HIER DEINEN EIGENEN LIEBLINGSKLASSIKER- für immer unsterbliche Altmeister Dario Argento etwa. Dessen Ex-Frau Daria (PHENOMENA) Nicolodi. Lamberto (DEMONS) Bava und Luigi (THE KILLER MUST KILL AGAIN) Cozzi. Sie alle haben SYMPHONY IN BLOOD RED gesehen und sind nun voll des Lobes über diese weitere aus der stetig größer werdenden Phalanx aus Hommagen an Argento und dem italienischen Horrorthriller.

Für seine 80-minütige Ehrerbietung konnte Pastore auf weitere namhafte Schützenhilfe bauen. So haben Goblin-Mastermind Claudio Simonetti und der italienische FX-"Savini" Sergio Stivaletti nicht nur Promotion betrieben, sondern waren direkt am Film beteiligt. Von Stivaletti kamen die Bluteffekte; von Simonetti der wie zu seligen PHENOMENA-Tagen dudelnde Score. Noch mehr Herzblut und Kleingeld steckte der nicht mehr so junge Antonio Tentori in das Projekt. Vom Mann, der schon für Fulci und Argento Drehbücher geschrieben hat, kommt auch hier das Skript. Außerdem hat er mitproduziert und den Killer gleich selbst gespielt.

Dennoch sieht auch SYMPHONY IN BLOOD RED nicht nach seligem Cinecittà-Kino aus, sondern ebenso wie die vorgenannten AMER, BLACKARIA und MASKS nach ambitionierter Huldigung von altem Genre-Heldentum im kleinbudgetierten Independent-Filmformat.

Ich wäre der Letzte, der nicht begrüßen würde, wenn es einem dieser jungen Filmwilden, die derzeit fast schon inflationär, aber mit viel Herzblut und Fanliebe Tribute an den großen italienischen Psychothriller der 60er und 70er Jahre produzieren , tatsächlich gelänge, den Giallo wieder auf größerer Ebene salonfähig zu machen. Doch ich muss gestehen, dass sich in mir langsam eine gewisse Ernüchterung breitmacht. Mal besser, mal schlechter gemacht; aber viel mehr als blankes Epigonentum kommt dieser Tage nicht mehr herum.

Das Etikett "Neo-Giallo" trägt der vorliegende Film sicherlich zu recht; ungeachtet dessen, dass auch er den Zauber der alten Gialli kaum mehr ansatzweise heraufbeschwören kann. Vielleicht ist dies ohnehin ein Ding der Unmöglichkeit, gerade weil die klassischen italienischen Thriller ihrerzeit eine in Erfolg und Effektivität nicht wiederholbare Symbiose aus Morbidität, Style und damaligem Zeitgeist eingegangen sind.

Wenn dereinst die schönen Musen des Genres - Edwige Fenech, Barbara Bouchet, Susan Scott, Dagmar Lassander- die Hüllen fallen ließen, dann wirkte das lasziv, verrucht, knisternd erotisch. Wenn sich eine Frau in Pastores Neu-Giallo auszieht, dann hat das was von ordinärer, billiger Stripbar. Wenn in alten Gialli getötet wurde, waren dies meist bis ins Detail, bis zum letzten Schatten ausgeklügelte Mordopern und nicht der kleine Torture Porn von nebenan, der sich gleichzeitig auf SCHWEIGEN DER LÄMMER und HOSTEL einen von der Palme wedelt. Zumal in COME UNA CRISALIDE die willkürliche Zufällig- und Wahlosigkeit der Opfer ohnehin eher an die plumpe Simplizität eines alten Gore-Films a la VIOLENT SHIT erinnert. Es kristallisiert sich mehr und mehr heraus: Von all den gelb-inspirierten Independentproduktionen der letzten Zeit gelangte der belgische AMER am nähesten an die alte Magie.

Ist SYMPHONY IN BLOOD RED deshalb ein schlechter Film? Nein. Obgleich kein Geniestreich oder überdeutliches Ausrufezeichen - Pastores Debüt ist dennoch keineswegs uninteressant.

Es bedient sich beinahe durchwegs der Perspektive des Killers. Ein Stilmittel, das im kommenden MANIAC-Remake des Franzosen Khalfoun sicherlich um einiges perfektionierter dargeboten wird, aber auch hier nicht ohne Reiz ist. Seine intensivsten Momente hat die SYMPHONY IN BLOOD RED vielleicht dann, wenn sie mit den Augen des Killers sieht; oder mit seiner Stimme spricht.

Im Verbund mit den insbesondere in den Mordszenen bewußt an Argento angelehnte Kameraperspektiven und einigen kurzen Ausritten ins Surreale haben wir unter dem Strich einen gialloesken Serial Killer-Flick der Retro mit dem Modernen kreuzt - und letztendlich vielleicht deshalb etwas zwischen den Stühlen sitzt. Für Goblin- und Simonetti-Fans gibt es aber einen kleinen Konzertmitschnitt mit Simonettis jetztiger Band Daemonia; für den Gorehound einen leckeren Machete to the head-Freeze Frame.

Kalt lassen mich die vielen kleinen Anspielungen an das große, leider untergegangene italienische Genrekino nie. Und ich schätze ganz sicher das Herzblut, mit dem die Macher (vor allem wohl der junge Pastore) hier spürbar zu Werke gegangen sind. Allerdings wage ich dennoch zwei eher düstere Prognosen. 

Prognose 1: SYMPHONY IN BLOOD RED wird nicht der Film sein, der uns den Giallo zurückbringt. Prognose 2: Bei allem ehrenwerten Enthusiasmus werden wir Luigi Pastore wohl auch künftig nicht in der Galerie der großen italienischen Horror- und Thriller-Meister begrüßen dürfen. 

Aber ich bin nur ein kleiner, unbedeutender Cineast, der das Genre liebt und im Internet seine Eindrücke über die von ihm gesehenen Filme niederschreibt. Und lasse mich gerne eines Besseren belehren.

Symphony in Blood Red Bild 1
Symphony in Blood Red Bild 2
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Symphony in Blood Red Bild 6
Symphony in Blood Red Bild 7
FAZIT:

Überfällig war sie: die Giallo-Hommage aus dem Mutterland des Genres. Doch nun ist sie hier. Der junge Italienier Luigi Pastore verbeugt sich vor seinem großen Vorbild Dario Argento und vermengt in seinem strikt aus Serienkiller-Perspetive geschilderten COME UNA CRISALIDE gialloeske Mordsequenzen mit modernen Torture Porn-Einlagen. Stivaletti hat für das Blut, Antonio (NIGHTMARE CONCERT, DRACULA 3D) Tentori für das Drehbuch und Ex-Goblin-Mastermind Simonetti für die Musik gesorgt. Dennoch sieht auch die SYMPHONY IN BLOOD RED weniger nach seligem Cinecittà als viel mehr nach -siehe AMER oder MASKS- ambitionierter Huldigung von altem Genreheldentum im kleinbudgetierten Independentfilmformat aus. Da man sich aber längst nicht so wacker wie die vorgenannten Filme schlägt, fällt für den Giallo-Fan zwar die ganz große Reinkarnationsparty aus, aber verschenkt sind diese manchmal gar experimentielle Wege gehenden 80 Minuten auch nicht. Wegen spürbarem Herzblut gibt's einen halben Punkt dazu.

WERTUNG: 5 von 10 Blutspritzer neben einem Portrait vom Papst
TEXT © Christian Ade
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