Weißes Rauschen | FILMTIPPS.at 

FILMTIPPS.at - Die Fundgrube für außergewöhnliche Filme

www.filmtipps.at
GOOD MOVIES FOR BAD PEOPLE
Weißes Rauschen

Weißes Rauschen

OT: White Noise
DRAMA: USA, 2022
Regie: Noah Baumbach
Darsteller: Adam Driver, Greta Gerwig, Raffey Cassidy, Don Cheadle, Lars Eidinger

STORY:

Jack Gladney (Adam Driver) ist Geschichteprofessor und Experte für "Hitlerstudien". Auf dem Campus ist er ein Star. Zu Hause bekommt er deutlich weniger Beifall. Seine Patchworkfamilie - vier Kinder aus vier Ehen - tanzt ihm auf der Nase herum, und die Gespräche mit seiner Frau Babette (Greta Gerwig) drehen sich hauptsächlich um Sterben und Todesängste. Die werden sehr real, als sich in unmittelbarer Nähe ein Chemie-Unfall ereignet. Die Familie wird evakuiert und steuert einer ungewissen Zukunft entgegen.

KRITIK:

Es ist immer spannend, wenn erfolgreiche Regisseure kleiner Indie-Filme plötzlich Riesensummen in die Hand gedrückt bekommen. Oft ist das Geld dann zwar unrettbar verloren. Robert Eggers wird ein Lied davon singen können, aber THE NORTHMAN war ein richtig irrer Spektakelfilm, den man nicht für ein Butterbrot drehen kann. Dass das brachiale Wikingerepos im Multiplex kein Publikum finden konnte, weil: zu verstörend, zu sperrig, zu kompromisslos gegen den Strich gebürstet, ja mei, das fällt da wohl unter kaufmännisches Risiko.

Auch Ruben Östlund hatte sichtlich Spaß daran, in TRIANGLE OF SADNESS für europäische Verhältnisse astronomische 17 Millionen Dollar Budget zu versenken. Wobei "versenken" in diesem Fall nicht stimmt. Das Publikum liebt es offensichtlich, Superreiche leiden zu sehen, und der diesbezüglich bemerkenswert sadistische Film triumphiert an den Kinokassen.

Nun hat Netflix Oscar-Preisträger Noah Baumbach nicht weniger als 80 Millionen Dollar anvertraut, um einen angeblich unverfilmbaren Roman aus den Achtzigern für die Leinwand zu adaptieren.

Und was soll man sagen: Das Geld wurde grundvernünftig investiert. In eine unglaubliche Ausstattungsorgie, in bizarre Massenszenen, in verblüffend virtuos inszenierte Stunts und Spezialeffekte. Aber der Reihe nach.

Erst einmal lernen wir die Familie Gladney besser kennen. Im Achtziger-Jahre-Suburbia-Eigenheim hängt der Haussegen chronisch schief. Man redet nicht miteinander, sondern aneinander vorbei. Das Geschnatter der vielköpfigen Patchworkfamilie verbindet sich mit dem Dröhnen des unablässig laufenden Fernsehers und des Radios zum titelgebenden weißen Rauschen.

Hört sich das anstrengend an? Ist es auch. Aber überraschenderweise nur für das dysfunktionale Personal des Films, nicht für die Zuseher. Was am Geschick Noah Baumbachs liegt, den Film trotz enormer Themenvielfalt - Mittelklasse-Neurosen, Paranoia, Konsum-Exzess, und immer wieder: Todesangst, die Konfrontation mit der eigenen Vergänglichkeit - stets spannend und überraschend zu halten.

"Es ist ein Porträt eines Landes, aber es ist auch die Geschichte einer Familie, des Chaos, das sie zu verbergen versuchen, der Katastrophen, die ihnen widerfahren, der Art und Weise, wie sie zusammenkommen und überleben", so der Regisseur über den Stoff.

Der Film unterscheidet sich extrem von Noah Baumbachs bisherigen Filmen. Ein weirder und stets unberechenbarer Bastard aus Mystery-Komödie mit Eighties-Frisuren, Endzeit-Drama und American-Dream-Demontage, bei dem in jeder Sekunde mit allem zu rechnen ist: Warum nicht einfach mal so einen Güterzug mit einem Tanklaster kollidieren lassen und ein Katastrophenszenario heraufbeschwören, auf das auch Steven Spielberg stolz wäre? Kein Problem, wird gemacht. Krasse Autostunts? Klar, was Vin Diesel kann, kann Adam Driver schon lange. Er hat ja den Fahrer schon im Namen. Warum nicht Menschen in einem Supermarkt zu LCD Soundsystem tanzen lassen? James Murphy hat extra einen neuen Song für den Film geschrieben. Wer soll das alles bezahlen? Kein Problem, bei Netflix sitzt das Geld gerade locker.

Ebendort ist WHITE NOISE zu sehen. Empfehlung, no na.

Weißes Rauschen Bild 1
Weißes Rauschen Bild 2
Weißes Rauschen Bild 3
Weißes Rauschen Bild 4
Weißes Rauschen Bild 5
FAZIT:

Noah Baumbach, gefeierter Regisseur von kleinen Indie-Filmen wie Greenberg oder Marriage Story, hat mit 80 Millionen Netflix-Dollars einen der weirdesten Filme des Jahres abgeliefert: Mystery-Komödie mit Eighties-Frisuren, Endzeit-Drama und American-Dream-Demontage. Arg.

WERTUNG: 8 von 10 mysteriöse Pillen
Dein Kommentar >>