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GOOD MOVIES FOR BAD PEOPLE
Wild

Wild

DRAMA: D, 2016
Regie: Nicolette Krebitz
Darsteller: Lilith Stangenberg, Georg Friedrich

STORY:

Der graue Alltag einer jungen Frau ändert sich grundlegend, als sie eines Tages einem Wolf über den Weg läuft und nichts unversucht lässt, um das Tier einzufangen.

KRITIK:

Nach so unterschiedlichen Filmen wie DER NACHTMAHR, TONI ERDMANN, DER BUNKER (eben beim renommierten Label BILDSTÖRUNG erschienen) und jetzt WILD lässt sich sagen: Es tut sich etwas im deutschen Kino. Plötzlich werden Jahrzehnte lang gültige Drehbuchkonventionen über Bord geworfen, Fesseln gesprengt und Neues ausprobiert. So unterschiedlich (auch qualitativ) diese Filme alle auch sein mögen, sie sind vor allem eines: Mutig.

Dabei war ich, was WILD, die dritte Regiearbeit der Berliner Schauspielerin und Filmemacherin Nicolette Krebitz angeht, eher skeptisch. Ich hatte eine deutsche Variante des gleichnamigen Reese Witherspoon-Films befürchtet: Frau auf Selbstfindungstrip in der Wildnis. Mit einer ranzigen Botschaft wie "Zurück zur Natur" als Heilmittel gegen Wohlstands- und Zivilisationswehwehchen. Vielleicht noch aufgepimpt mit naivem Natur-Mystizismus: Bitte, dachte ich mir, erspart mir um Himmels Willen Klischee-Bilder von heulenden Wölfen im romantischen Vollmondlicht!

Um es kurz zu machen: Meine diesbezüglichen Befürchtungen waren völlig unbegründet. Dazu gleich mehr.

WILD erzählt von einer jungen Frau (großartig: Lilith Stangenberg), die in ihrem eigenen Leben nur eine Nebendarstellerin ist. Ihre Familie ist ihr fremd, ihr Großvater liegt im Spital. Ihr Job besteht darin, in einer klinisch-kalten iMac-Büro-Hölle ihrem Boss (zum Fürchten: Georg Friedrich) Kaffee zu servieren. So etwas wie Privatleben, Hobbys, Neigungen und gar Sex scheinen für die junge Frau nicht zu existieren. Den einzigen Ausbruch aus dem grauen Alltag, den sich Ania leistet, sind Schießübungen mit einer Pistole.

Eines Tages entdeckt Ania am Rande ihrer Plattenbausiedlung einen herumstreunenden Wolf. Die Begegnung mit dem wilden Tier fasziniert sie, lässt ihr keine Ruhe mehr. Sie versucht das Tier einzufangen - was auch gelingt. Es kommt zu einer Annäherung zwischen Tier und Mensch, über die man im Vorfeld am besten möglichst wenig wissen sollte. Weshalb hier von der Handlung auch nicht mehr verraten wird.

Nur so viel: WILD ist tatsächlich ziemlich - man verzeihe mir das mäßig originelle Wortspiel - wild. Ein Film, der sich inhaltlich und formal bemerkenswert wenig scheißt (im Wortsinne, aber seht selbst ...) und der einen Mut zur Grenzüberschreitung, zum Tabubruch an den Tag legt, mit dem ich nicht gerechnet hätte. Wie so häufig bei Filmen, die einen überraschen, herausfordern, durchaus auch verstören, läuft natürlich das Assoziationskarussell im Kopf Amok. Zumal der Wolf als Motiv im Pop, im Film, in der Kunst omnipräsent ist. Cry Wolf, Hungry like the Wolf, She-Wolf, Wolfen, The Wolf of Wall Street usw., usf. ...

Aber vergesst alle Bilder, Songs und Klischees, die ihr mit diesem mythologisch so aufgeladenen Tier verbindet. WILD ist von einem anderen Kaliber. Der Wolf in diesem Film ist nämlich echt, es wurde kein CGI eingesetzt. Da steckt sehr viel Tierische Liebe (durchaus im Seidl'schen Sinne) und sogar ein Hauch von THEMROC drin. Aufmerksame Leser werden sich vielleicht erinnern, dass ich diese durchaus gewichtige Referenz gerade erst bei HIGH-RISE bemüht habe. Aber ja, ich denke, der Vergleich ist nicht zu hoch gegriffen.

Vieles könnte man noch schreiben über die Innen- und Gefühlswelten dieser Frau, für die Regisseurin Nicolette Krebitz faszinierende Bilder findet. Aber da der Autor dieser Zeilen eher ein Frauen-Nichtversteher ist, begibt er sich gar nicht erst auf dieses heikle Terrain und verweist auf eine diesbezüglich wesentlich kompetentere Film-Analyse auf ORF.at.

Wild Bild 1
Wild Bild 2
Wild Bild 3
Wild Bild 4
Wild Bild 5
Wild Bild 6
FAZIT:

Frau trifft auf Wolf. Und dann ist nichts mehr, wie es einmal war. Kompromissloser kann man eine weibliche Selbstfindungsgeschichte wohl kaum mehr inszenieren. Großes Verstörungs-Kino made in Germany.

WERTUNG: 8 von 10 Stück saftiges Rindfleisch
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Tim | 29.01.2017 22:29
Ich hatte mir von dem Film so einiges Versprochen, aber damit habe ich dann doch nicht gerechnet. Selten einen sexuell so aufgeladenen Film gesehen. Animalisch sexuell. Also nicht schön....Und die Haupdarstellerin, Lilith Stangenberg, spielt das Ganze dermaßen physisch. Der Wahnsinn.

8 von 10 schmutzigen Schreibtischen
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