DRAMA: USA, 2025
Regie: Lynne Ramsay
Darsteller: Jennifer Lawrence, Robert Pattinson, Nick Nolte, Sissy Spacek
Trautes Heim, Glück allein? Nicht für Grace (Jennifer Lawrence) und Jackson (Robert Pattinson), die von New York auf eine Farm in Montana ziehen. Der Onkel hat sich hier das Leben genommen. Und auch Grace, die die meiste Zeit mit dem Baby allein zu Hause ist, geht es zunehmend schlechter. "Postpartale Depression", heißt es. "Nur Geduld, das wird schon wieder", heißt es. Schön wär's ...
Pia Reiser und Christian Fuchs haben in ihrem FM4 Film Podcast einmal den schönen Begriff "Arghouse" erfunden. Gemeint ist arges Arthouse-Kino. So wie DIE MY LOVE, dem neuen Film von Lynne Ramsey, deren Name man eigentlich als Triggerwarnung verwenden kann: Habt ihr WE NEED TO TALK ABOUT KEVIN gesehen? Eben. Die schottische Regisseurin dreht Filme, die an die Substanz gehen. Arghouse eben. Aber nicht im Sinne von sprödem, verkopften, trostlosem "Feel Bad"-Cinema, ganz im Gegenteil. Formal, visuell, auch musikalisch sind ihre Filme eine Wucht. Ein Ereignis.
DIE MY LOVE ist wunderschön, fast hypnotisch anzusehen: Die Farben leuchten grell, die Kamera ist immer in Bewegung, hektische Montage, eindringliche Rocksongs auf der Tonspur, und das alles in einem höchst ungewöhnlichen, quadratischen Bildformat. Auch wenn wir es nicht mit einem Horrorfilm im engeren Sinn zu tun haben, setzt Ramsey gerne auf heftige und vollkommen unerwartete Schockeffekte. Bei zwei - erraten: argen - Szenen gab es tatsächlich Schreie im Kinosaal. Ich habe den Film an einem Freitag Abend im Votivkino gesehen, der Saal war sehr gut gefüllt, mit ziemlich jungem Publikum, tendenziell Gen Z.
Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, sich vorzustellen, dass die meisten dieser Leute wohl mit Katniss Everdeen und Edward Cullen aufgewachsen sind. Und nun von einem Film erschreckt, aufgewühlt und durchgeschüttelt werden, in dem sich Jennifer Lawrence und Robert Pattinson als Liebespaar voneinander entfremden und durch die Psychosen-Hölle gehen.
Viel wurde schon geschrieben über Jennifer Lawrence' entgrenzte Performance in diesem Film. Ich halte sie ja für die mutigste und furchtloseste A-List-Schauspielerin überhaupt. Wir kennen ihre Lust an der Entgrenzung aus MOTHER!, wir haben ehrfürchtig gestaunt, wie sleazy und exploitation-mäßig sie ihre Rolle im Spionage-Thriller RED SPARROW angelegt hat, und selbst in einer harmlosen Komödie wie NO HARD FEELINGS legt sie eine Full-Frontal-Nacktszene hin, und zwar ohne Body-Double. Ja, super-coole Frau. Ich bin ein Riesenfan, wie ihr vielleicht merkt. Und auch ein Fan von Lynne Ramsey. Love will tear us apart. Mit einer Coverversion dieses Über-Klassiker von Joy Division klingt der Film aus - gesungen von Lynne Ramsey selbst. Auch eine super-coole Frau.
Eine Art Liebesfilm - im Stil von Lynne Ramsay. Erwartet also eher nicht, in Hochstimmung aus dem Kinosaal zu tänzeln. Euphorisierend aber: Die Bilder, der Sound. Und die unglaubliche, entgrenzte Performance von Jennifer Lawrence.