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Femme Fatale

Femme Fatale

EROTIKTHRILLER: Frankreich/USA, 2002
Regie: Brian De Palma
Darsteller: Rebecca Romijin, Antonio Banderas, Peter Cojote, Rie Rasmussen

STORY:

Während der Filmfestspiele in Cannes macht sich eine perfekt organisierte Diebesbande daran, ein mit Diamanten besetztes Schmuckstück im Wert von Millionen zu entwenden. Hierbei kommt der als Fotografin getarnten Laure Ash (Rebecca Romijn) eine Schlüsselrolle zu. Sie sorgt unter ganzem Körpereinsatz dafür, dass das Model Veronica (Rie Rasmussen) den wertvollen Schmuck in der Damentoilette nach und nach ablegt, während der Bandenchef Black Tie (Eriq Ebouaney) die einzelnen Teile durch Fälschungen ersetzt. Doch scheinbar scheitert der Plan und Laure macht sich mit der Beute davon. Durch eine glückliche Fügung kann sie in Paris die Identität einer anderen Frau annehmen und lernt anschließend im Flugzeug auch noch den amerikanischen Botschafter Watts (Peter Coyote) kennen. Sieben Jahre später kehrt sie als dessen Frau nach Paris zurück. Da bisher noch niemand ein Foto der Frau des amerikanischen Botschafters machen konnte, wird der schmierige Paparazzo Nicholas Bardo (Antonio Banderas) mit einem entsprechenden Auftrag betraut. Tatsächlich gelingt es ihm ein Foto von Laure zu machen, dass prompt veröffentlicht wird. So kommen der gerade aus dem Gefängnis entlassene Black Tie (Eriq Ebouaney) und sein Kumpane Racine (Edouard Montoute) schließlich auf ihre Spur. Sie wollen nur zwei Dinge: Rache und ihr Geld...

KRITIK:

Der aus dem Jahre 2002 stammende Erotikthriller FEMME FATALE markiert Brian De Palmas künstlerisches Comeback nach einer eher schwachen Dekade und fasst zugleich sein gesamtes vorheriges Schaffen in einem einzigen Film zusammen. Wie bereits zuvor bei DRESSED TO KILL (1980) und BODY DOUBLE (1984) und wie auch bei De Palmas neuem Geniestreich PASSION (2013) zeigten sich viele Kritiker alles andere, als begeistert. So schrieb damals epd Film: "... ausgemalt von einem, den nichts mehr zu interessieren scheint als der eigene Voyeurismus, auch wenn der kaum inspirierter daher kommt als die Aufmachung eines handelsüblichen Männermagazins. (...) Und so ist FEMME FATALE trotz aller visuellen und narrativen Rackerei nicht mehr als ein Gichtknicks vor dem Altar der heiligen Hure." Man warf De Palma also mal wieder den künstlerischen Bankrott und die alleinige Konzentration auf seine niederen Instinkte vor. Doch diese Art der Kritik war der Regisseur nicht nur spätestens seit dem fast 20 Jahre zuvor entstandenen BODY DOUBLE bereits gewohnt. Tatsächlich war bereits BODY DOUBLE De Palmas Antwort auf entsprechende Kritiken zu Filmen wie DRESSED TO KILL oder SCARFACE (1983). Und bereits damals lautete seine Antwort: "Jetzt erst recht!"

Wie bei De Palma üblich haben die Frauen in FEMME FATALE in erster Linie die Funktion gut auszusehen. Diese Aufgabe erfüllen die Hauptdarstellerin und "Femme fatale" Laure (Rebecca Romijin) und ihre Komplizin und Gespielin Veronica (Rie Rasmussen) einwandfrei und besonders gut in Kombination beim heißen Lesbensex im Damenklo. Die betreffende Szene steht im Mittelpunkt der schier endlosen und weitestgehend wortlosen Einführung, die den Juwelenraub bei den Filmfestspielen in Cannes zeigt. Das Ganze ist nicht nur eine der besten Heist-Movie-Sequenzen der jüngeren Filmgeschichte, sondern auch eine Übung in reinem Kino nach allerbester De-Palma-Art. Die Bilder zeigen alles, was man sehen muss. Was Gesprochen wird zeigt hingegen nur, dass gerade jemand spricht. Wir beobachten das Geschehen auf Beobachtungsmonitoren und sind Zuschauer bei einer Filmvorführung, bei welcher der real existierende Film EST-OUEST (1999) von Régis Wargnier gezeigt wird, den sich der Regisseur und seine Hauptdarstellerin Sandrine Bonnaire gerade als Teil des Premierenpublikums in Cannes ansehen. Ekkehard Knörer hatte zuerst darauf hingewiesen, dass zudem Bonnaires Name in den Credits zu FEMME FATALE in noch größeren Lettern erscheint, als der Name von Rebecca Romijin.

Dies kann man wie fast alles bei De Palma, als leere und selbstverliebte Spielerei abtun. In Wirklichkeit ist dies jedoch ein für den Regisseur typischer Hinweis auf die wahre Identität der Femme fatale in FEMME FATALE als die eines abstrakten Referenzsystems. Dies macht De Palma bereits mit der allerersten Einstellung des Films deutlich. In einem Fernseher läuft Billy Wilders Klassiker des Film noir DOUBLE INDEMNITY (1944), in dem Barbara Stanwyck eine der bekanntesten Femme fatales der Filmgeschichte verkörpert. Das Fernsehbild hat französische Untertitel, womit bereits angedeutet ist, dass FEMME FATALE in Frankreich spielt. Zugleich spiegelt sich farbig ein Frauenkopf in dem schwarzweißen Billy-Wilder-Film. Während die Kamera langsam zurückzoomed wird immer deutlicher, dass diese Einstellung ein Hotelzimmer zeigt, in dem eine fast nackte Frau mit kurzen Haaren rauchend auf ihrem Bett liegt und Billy Wilders FRAU OHNE GEWISSEN im Fernsehen ansieht. Wir ahnen bereits, dass diese Frau, die einen Film mit einer Femme fatale anschaut ebenfalls eine Femme fatale zu sein scheint.

Dieser Verdacht wird zu einer Gewissheit, wenn man Velázquez´ Gemälde "Venus vor dem Spiegel" kennt. Tatsächlich erscheint De Palmas erstmalige Ins-Bild-Setzung der Femme fatale in FEMME FATALE als eine gespiegelte Nachstellung des berühmten Bildes des spanischen Malers. Nur wurde der bei Velázquez von einem Engel gehaltene Spiegel durch den Fernseher ersetzt, in dem sich die Hauptdarstellerin spiegelt. Rebecca Romijin spiegelt sich in dem einen Spiegel ersetzenden Fernseher gleich auf doppelte Weise: Zum einen spiegelt sich ihr Abbild optisch auf der glatten Oberfläche der Bildröhre. Darüber hinaus spiegelt Barbara Stanwyck in dem Film, den Rebecca Romijin in De Palmas Film ansieht auch deren Funktion als Femme fatale in FEMME FATALE. So sagt das Bild in diesem Film bereits ungemein viel, bevor überhaupt das erste Wort gesprochen wurde. Als dann Black Tie (Eriq Ebouaney) das Zimmer betritt und Laure Anweisungen für den Ablauf der bevorstehenden Operation gibt, entnehmen wir der comicartig überzogenen Sprache gerade einmal die Tatsache, dass es hier anscheinend um einen sorgfältig geplanten Diebstahl geht. Dann reißt Black Tie in einer äußerst theatralischen Geste den Vorhang des Hotelzimmers zur Seite, was wie das Öffnen eines Theatervorhangs wirkt. In dem Bild, das jetzt an Stelle eines Bühnenbilds sichtbar wird, zeigt sich eine Menschentraube auf dem roten Teppich am Eingang zu den Filmfestspielen in Cannes. Dazu blendet sich der Hinweis ein, dass dies ein Film von Brian De Palma ist. Göttlich!

Dies alles geschieht bereits ganz am Anfang bzw. im ersten Akt des Films. Dabei ist es insbesondere der zweite Akt, der FEMME FATALE auch innerhalb des Werks De Palmas so besonders macht. Ohne zu viel verraten zu wollen kann nur gesagt werden, dass der Regisseur seine Obsessionen mit Dopplungen, Überlagerungen und Wiederholungen hier auf eine einzigartige Spitze treibt, die zugleich vollkommen dem damaligen Zeitgeist entspricht. De Palma führt den Zuschauer klammheimlich hinters Licht und zugleich zeigt sich im Rückblick, dass der hier angewandte Kniff ganz klar markiert ist. Aber wer soll schon einem Regisseur auf die Schlichte kommen, der direkt vor unseren Augen ein ausgeklügeltes Täuschungsmanöver beim zentralen Diebstahl zeigt, ohne, dass man es mitbekommt. Viel zu sehr ist man abgelenkt durch den Anblick zweier bildschöner Lesben beim Liebesspiel hinter Milchglasscheiben. Kein Wunder also, wenn sich manch ein Kritiker am Ende seiner eigenen Geilheit schämt und diese auf den Regisseur projiziert.

In diesem Zusammenhang erscheint das anfängliche Zitat: "... ausgemalt von einem, den nichts mehr zu interessieren scheint als der eigene Voyeurismus, (...)" auf einmal in einem ganz anderen Licht. Es zeigt sich somit auch, dass selbst bei einer Rezension eines De-Palma-Films die Dopplung keine reine Wiederholung sein muss, sondern durchaus eine neue Lesart mit sich bringen kann. Wer bei diesem Regisseur trotzdem von reiner Banalität spricht, der zeigt bloß, dass er nichts von De Palma verstanden hat. Dieser Regisseur ist vorrangig ein meisterhafter Bildermanipulator, für den die Schauspieler zumeist nicht viel mehr als reines Rohmaterial sind. Aber wieso sollte man eine Figur in einem De-Palma-Film auch einen Deut ernster nehmen, als dies De Palma selbst tut? Wichtiger als die Entwicklung komplexer Charaktere sind De Palma stets die komplexen Resonanzen auf der visuellen (Bedeutungs-)Ebene. Und in dieser Beziehung ist FEMME FATALE ein ganz klares Meisterstück!

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FAZIT:

FEMME FATALE ist ein typischer Brian-De-Palma-Meta-Film, der in diesem Falle nicht nur bekannte Werke Alfred Hitchcocks und De Palmas selbst, sondern auch klassische Motive des Film noirs zu einem einmalig prickelnden visuellen Cocktail verrührt. Hochkultur à la Cannes trifft auf heißen Lesbensex. Chapeau!

WERTUNG: 10 von 10 überlaufende Wassergläser
TEXT © Gregor Torinus
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Dein Kommentar >>
Erich H. | 04.06.2013 21:01
Wunderbare Kritik zu einem hervorragenden, wie so oft bei De Palma schwer unterschätzten Film.
Auch ich hab seinerzeit im Kino empfunden, dass er mit diesem Film einen neuen Level erreicht. Nicht ganz stimme ich zu, wenn du sagst , bei de Palma haben die Frauen in erster Linie gut auszusehen. Zugegeben, schaden tut es nicht, aber ich finde De Palmas Filmfrauen früher wie heute allesamt als Femme Fatales (einzige Ausnahme CARRIE)und die Rolle der Femme Fatale an und für sich ist nicht nur schön, sondern auch klug und stark zu sein - ein seltenes Gut in Millionen von Filmen aller Genres
Gregor | 04.06.2013 22:00
Ich danke Dir. Das mit den Frauen ist natürlich ein wenig flapsig formuliert. Richtiger wäre wahrscheinlich einfach zu sagen, dass Charakterzeichnung nicht zu De Palmas größten Stärken gehört. Aber natürlich kommt Antonio Banderas hier wesentlich schlechter weg.
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