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There Will Be Blood

There Will Be Blood

DRAMA: USA, 2007
Regie: Paul Thomas Anderson
Darsteller: Daniel Day-Lewis, Paul Dano

STORY:

Die Geschichte von Daniel Plainview, eines misanthropischen, rücksichtslosen Ölbarons, der auf seiner gierigen Suche nach Reichtum in Form des schwarzen Goldes seine Menschlichkeit immer mehr verliert...

KRITIK:

Der Regisseur Paul Thomas Anderson (PTA) ist für viele eine der schillerndsten Figuren des amerikanischen Kinos. Er ist ein richtiger "Auteur", wie die damaligen Filmtheoretiker der französischen Nouvelle Vague es ausdrücken würden, denn dieser Mann nimmt nicht einfach Regieaufträge an, sondern schreibt und inszeniert seine Filme selbst. Dabei legt er eine Kompromisslosigkeit und eine Ambition an den Tag, die vielen anderen, sicher nicht minder begabten, jungen Filmemachern gut zu Gesicht stehen würde.

Paul Thomas Andersons Regiestil muss einem außerdem geradezu revolutionär vorkommen, wenn man in der Filmgeschichte einiges übersprungen hat. Das sag ich jetzt nicht um seine Leistung zu schmälern, im Gegenteil: Paul Thomas Anderson ist hoch innovativ, sondern viel eher um dem heutigen Publikum den Mut zu machen, sich auch mal ältere Filme anzusehen, denn es gibt einige Regisseure, die ähnliches geleistet haben, die eine so radikal eigene Filmsprache entwickelt haben, dass ihre Werke einfach nur hochspannend sind, und die sich alle gegenseitig beeinflusst haben. Orson Welles, Jean-Luc Godard, Tarkovsky, Fellini, oder der deutsche Wolfgang Staude (besondere Empfehlung: 'Der Untertan', die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Heinrich Mann. Der Film ist von 1951 und hat einen ungeheuren, visuellen Schwung, sieht praktisch genau (!) so aus wie ein PTA Film).

Spezifisch für Anderson ist aber sein Wille und seine Fähigkeit, seinen Bildern und Geschichten, egal wie klein sie zu sein scheinen, die schiere Größe zu verleihen, indem er sie geradezu mystisch auflädt. Es ist für jeden Dramafreund eine wahre Genugtuung, den Menschen so gewürdigt zu wissen. PTA ist ein wahres Genie darin dem Publikum klarzumachen, dass einfache zwischenmenschliche Aktion spannender als jedes Lichtschwertmodell, der Alltag epischer als jede Befreiung der Mittelerde, das tägliche Leben wundersamer als jeden Zauberspruch Harry Potters zu gestalten.

Unvergesslich die ganz normale Alltagshorrorszene aus 'Punch Drunk Love', in der Adam Sandler im Büro versucht mit unangenehmen Anrufen einer Betrügerin, seiner nervigen Schwester und seinen unfähigen Arbeitern fertig zu werden ohne dabei das Gesicht vor seiner neuen Angebeteten zu verlieren. Das ist wahrer Horror, da kann jeder Scream-Mörder scheißen gehen (Entschuldigung ;-).

Auch die Musik in seinen Werken ist dazu passend gewählt. Passend, obwohl für unsere Sehgewohnheiten befremdlich, Liebes- und Gefühlsszenen mit düsteren, immer leicht atonalen Klangflächen zu unterlegen. Dabei sollte man den grandiosen Score loben, der wieder in diese Richtung zielt. Musikalischer Höhepunkt ist aber ein Stück des zeitgenössischen Komponisten Arvo Pärt, der übrigens Wahlwiener ist. Mein Musiklehrer hat mir damals in der Schule einmal ein Stück namens "Fratres" von ihm gegeben und zu mir gesagt: Das ist das Beste, das im zwanzigsten Jahrhundert komponiert wurde. Sperr dich ein, mach alles dunkel und höre zu. Habe ich getan und zwar regelmäßig.

Jetzt dürft ihr raten welches Stück in diesem Film vorgekommen ist. Genau.

Es ist für mich immer schon die Musik gewesen, die den inneren Kampf gegen die Außenwelt repräsentiert. Hier begleitet sie den Kampf der Liebe eines Sohnes zu seinem Vater, der nur die Suche nach dem Öl liebt, sodass diese junge Liebe schließlich erstirbt und die Tragödie ihren Lauf nimmt...

Pärts Musik hört man nur selten in Filmen. Godard hat seine Stücke verwendet, in Malicks 'Thin Red Line' ist auch eines von ihm und Gus van Sant untermalte die letzte Reise seiner Helden im schrägen Film 'Gerry' damit. Nur so am Rande.

Mit 'There Will Be Blood' verfilmt PTA also erstmals das Werk eines anderen, den Roman "Oil!" von Upton Sinclair, den ich nicht kenne, aber dem man nachsagt, dass er eine Parabel über die Gesellschaft Amerikas darstellt.

PTA weicht jedenfalls nicht von seiner Perspektive ab, er interessiert sich zuallererst für die Menschen in seiner Geschichte, wodurch sein neuestes Werk aber keinesfalls an Kraft verliert, denn dieser Film stellt wohl eine Tragödie antiken Ausmaßes dar, ein rettender Deus Ex Machina ist nirgends in Sicht.

Der Protagonist Daniel Plainview, dargestellt von einem grandiosen Daniel Day- Lewis, wird von Anfang an als sehr zielstrebiger, gar nicht mal unsympathischer Mensch dargestellt, der aber zunächst in einer sehr subtilen, später dann umso drastischeren Art über Leichen geht um seine Ziele zu erreichen. Schon die über weite Strecken schweigsame Einführung am Anfang des Films charakterisiert sein Streben ganz deutlich in einer ersten Schlüsselszene. In der Ölgrube stehend, hustend ob der Dämpfe und dennoch nicht nachgebend. Anstatt sich in die frische Luft zu begeben, atmet er verbissen, sich selbst beweisend und konditionierend, den Duft des Öls ein, ein erster Schritt seiner inneren Verelendung.

Sein Gegenspieler ist der junge (falsche) Prediger Eli Sunday, vordergründig ein Mann des Glaubens, aber im Endeffekt das genaue Ebenbild Plainviews, weil nur an Macht und Ansehen interessiert, obwohl der junge Sunday sicherlich besser damit umgehen konnte.

Das Protagonistenpaar Dabiel Plainview und Eli Sunday erinnern nicht zufällig an ein weiteres solches Pärchen aus einem anderen Film, der sich meiner Ansicht nach über weite Strecken ähnlich angefühlt hat, wenn auch im Endeffekt ein klein wenig gelungener war. Die Rede ist von 'The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford'. Es mögen verschiedene Milieus sein, die diese Filme inhaltlich trennen, aber die alltäglichen Riten und Gesten, das reduzierte Innenleben ihrer Figuren eingebettet in solch karge Landschaften stellen bedeutende Parallelen dar.

Wir erfahren in beiden Fällen ein erschreckend rohes Menschenbild der Bewohner des Wilden Westens, wodurch wir uns ja doch wieder Gedanken machen über die Gründungsväter der amerikanischen Gesellschaft. So gesehen könnte man 'There Will Be Blood' ruhig auch als Spätwestern bezeichnen.

Dritte Figur ist Planviews bereits erwähnter Sohn, ein Findelkind, der letztlich nur von diesem benutzt wird, um seinen Geschäftspartnern den Schein der Normalität vorzugaukeln. In einer weiteren Schlüsselszene des Films (grandios inszeniert und vermutlich auch der heimliche Höhepunkt) , in der Sekunde, in der man endlich auf Öl stößt kommt es zur ganz furchtbaren Tragödie, die des Vaters wahres Gesicht zeigt und des Sohnes Schicksal auf unangenehme Weise besiegelt...

Großartig, dieser Film, viel mehr muss man dazu nicht sagen. Er kriegt aber in hundert Jahren keinen Oscar (als bester Film), dafür lege ich meine Hand ins Feuer. Die Oscarjury kann das nicht riskieren, denn dieser Film ist viel zu gut dafür. Bester Beweis: Leute, die während des Films den Saal verlassen. Leute deren erster Satz nach dem Film lautet: Kannst du mir erzählen, was passiert ist, während ich geschlafen habe. Obwohl man eigentlich offenen Mundes staunen sollte ob diesem Meisterwerk, dessen man gerade ansichtig wurde. Leute halt, die Saving Private Ryan (und 'Rambo' *g* - Anm. d. Red.) besser finden als 'The Thin Red Line'. Die Mehrheit. Oscars müssen aber mehrheitsfähig sein, denn sonst würden sie ihren Status verlieren...

There Will Be Blood Bild 1
There Will Be Blood Bild 2
There Will Be Blood Bild 3
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There Will Be Blood Bild 5
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There Will Be Blood Bild 7
There Will Be Blood Bild 8
There Will Be Blood Bild 9
FAZIT:

Eigentlich wollte ich nur ein ganz kurze Kritik schreiben, aber der Film lässt es, wie man sieht, nicht zu. Über weite Strecken ist er einfach atemberaubend, zieht mit, verdient alle Lobpreisungen, verdient jeden Podestplatz, hält jedem Vergleich stand (Giganten oder Citizen Kane!!!!). Auch wenn er zugegebenermaßen kurz vor dem schlichten aber grandiosen Finale ein wenig an Zugkraft verliert. Das macht nichts. Es ist die richtige Stelle des Films, den alle Charaktere liegen zerstört am Boden, die Welt ist nicht die selbe wie zuvor.Ich vergebe nur nicht die Höchstwertung, weil ich wissen möchte ob die Zeit diesem Film etwas anhaben kann. Jetzt muss er einmal zwanzig Jahre reifen. Aber um ehrlich zu sein, denke ich, dass er immer besser werden wird ;-)

WERTUNG: 9 von 10 Öltaufen
TEXT © Ralph Zlabinger
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Dein Kommentar >>
Bernhard | 16.02.2008 13:11
Sehr schönes Review, vor allem der Teil über PTA gefällt mir besonders. Sehr treffend beschrieben. Bin echt begeistert von dem Mann, alles, was er angreift, wird zu Gold - pardon, Öl ;-) ... mit 38 Jahren und nur 5 Filmen bereits 3 Klassiker geschaffen (und die zwei "kleinen" Filme sind ja auch Prachtstücke). Wahnsinn. Traurig allerdinngs zu sehen, dass so ein Mann in Hollywood zwei Jahre um die Finanzierung eines Films kämpfen muss.
Ralph | 16.02.2008 14:53
Vielen Dank, ich hatte aber auch einen sehr inspirativen Vorschreiber;-)

Und Paul Thomas Anderson verdient sowieso jede Anerkennung, die er nur kriegen kann:-)
>> antworten
Ralph | 16.02.2008 11:28
Übrigens Schande über mich, hab einen Film vergessen, der auch mit Arvo Pärts Musik untermalt war: "Heaven" von Tom Tykwer.
>> antworten
Nic | 16.02.2008 09:23
was hör ich da über Scream? :-)

also ich halte ihn für zeitlos, also + 0,5 :)

naja gegen "no country..." hat er eher wenig chancen auf den filmoscar. daniel day-lewis kriegt ihn aber bestimmt!

wer hätte gedacht das 2007 das jahr der "western" wird...bin begeistert ;)
Ralph | 16.02.2008 11:25
Ich geb dir ganz recht. Bin zwar grundsätzlich kein Westernfan aber werde immer mehr eines besseren belehrt;-). Der Western hat echt hochkonjunktur. Hab jedoch leider den Todeszug von Yuma noch nicht gesehen.

Aber kennst du "Seraphim Falls". Auch ein Western aus 2007 mit Pierce Brosnan und Liam Neeson, leider ziemlich unbekannt bei uns aber wirklich ein toller Film. Lohnt den Gang in die Videothek, das garantiere ich!!!!
Nic | 18.02.2008 22:57
kenn ich vom "cover in der hand halten und zurückstellen" :) aber da du ihn empfiehlst werd ich ihn mir ansehen...
Nic | 28.02.2008 08:32
gut, gesehen. schauspielerisch überzeugt er, storymäßig naja - klassische rachestory. insgesamt nicht auf dem niveau von anderen hier rezensierten western imho
Ralph | 28.02.2008 19:51
Ich fand ihn toll, weil er so schön ruhig war, ein kleiner Bruder von Jesse James, rein formal. Nachdem ich auch noch nicht sehr viele Western gesehen hab, fand ich die Story auch ganz okay. Ich würde ihm 8/10 geben, aber an die anderen großen Meisterwerke dieses Jahres kommt er natürlich nicht heran, das ist klar...
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