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Töte, Django

Töte, Django

OT: Se sei vivo, spara
ITALOWESTERN: I/E, 1967
Regie: Giulio Questi
Darsteller: Tomas Milian, Ray Lovelock, Piero Lulli, Marilù Tolo

STORY:

Ein Fremder ist auf der Suche nach den Männern, die zuerst seine Hilfe bei einem Überfall auf einen Goldtransport in Anspruch genommen haben und ihn anschließend in der Wüste elend verrecken lassen wollen. Durch die Hilfe und Pflege von zwei Indianern, die ihn für einen von den Toten Wiederauferstandenen halten und begierig sind zu erfahren, wie es denn nun "auf der anderen Seite" ist, findet er rasch zu seiner alten Kraft.

Schon bald erreichen die drei Gefährten einen kleinen Ort in der Wüste, der von den Indianern als "Unhappy Place" bezeichnet wird. Dort haben sich die Goldräuber niedergelassen. Die Dorfbewohner sind im Gegensatz zu ihrer eigenen Einschätzung alles andere als sympathische zivilisierte Bürger und empfangen den Fremden und seine indianischen Begleiter nicht gerade freundlich. Allerdings spricht sich schnell herum, dass er ein begnadeter Schütze ist, weswegen er vorerst nicht befürchten muss, wie andere Neuankömmlinge am nächsten Baum aufgehängt zu werden.

Auf der Suche nach dem gestohlenen Gold würde jeder Dorfbewohner den Fremden gerne an seiner Seite sehen. Schon bald gerät er zwischen die Fronten und ein Kampf um Leben und Tod beginnt ...

KRITIK:

"Töte, Django" ist natürlich keine Fortsetzung von Sergio Corbuccis DJANGO, sondern ein eigenständiger Film mit dem Originaltitel "Se sei vivo spara", alternativ auch "Oro hondo".

Der deutsche Titel entstand wie viele andere "Djangos" ausschließlich aus vermarktungstechnischen Gründen. Tomas Milian hatte anfänglich Bedenken bezüglich einer Zusammenarbeit mit Giulio Questi, der für Drehbuch und Regie verantwortlich war. Schließlich hielt er ihn für einen "Intellektuellen" und Milian war nicht an der Art von Filmen, die er mit dem Namen Questi verband, interessiert.Glücklicherweise hatte er es sich doch noch einmal anders überlegt und so dürfen wir ihn (und seinen wohlgeformten Körper) in der Rolle des "Fremden" bewundern.

"Töte, Django" wird häufig als der gewalttätigste aller Italowestern bezeichnet. Es wäre aber sehr schade, ihn ausschließlich auf einige explizite Szenen zu reduzieren. Es handelt sich um einen außergewöhnlichen und absolut eigenständigen "western all' italiana", der die üblichen Genre-Konventionen sprengt.

Weniger die Handlung an sich, sondern vielmehr das, was gezeigt wird und wie (u.a. mithilfe von Stakkato-Schnitten und Überblendungen) es gezeigt wird, verstörten das provinzielle italienische Kinopublikum in den Sechzigern. Angeblich sollen bei manchen Szenen sogar Menschen im Kinosessel in Ohnmacht gefallen sein. Andere wiederum waren wohl empört über die Unverfrorenheit Questis, auch Homosexualität und Fetischismus in den Film einzubauen...

Wer also dachte, Brokeback Mountain wäre revolutionär und der allererste Western, in dem homosexuelle Cowboys vorkommen, hat sich getäuscht. Trotz einigen skurrilen und nicht ganz ernst zu nehmenden Szenen ist "Töte, Django" ein Film mit einem rauen und realistischen Unterton. Ein Film über die Unmenschlichkeit der Menschen. Über die Auswirkungen des Goldrauschs und darüber, dass sich jeder selbst der Nächste ist. Und er beinhaltet jegliche Form von Gewalt - gegen Kinder, Frauen, Männer und Tiere.

Im weiteren Sinn geht es auch um Xenophobie und die generelle Angst der Menschen vor allem Unbekannten. Ebenfalls interessant ist die Darstellung einer schwarzgewandeten knallharten Elitetruppe - die Assoziation mit den "camicie nere" der Zwischenkriegszeit war natürlich vom Regisseur beabsichtigt.

Die Doppelmoral der "Dörfler", die nach ihren eigenen hausgemachten Regeln bzw. Moralvorstellungen Legislative und Exekutive zugleich sind, stinkt zum Himmel. "Der Fremde" scheint die Vorgänge in diesem verruchten Ort aus der Position eines Außenstehenden zu beobachten und wie ein Getriebener von Schauplatz zu Schauplatz zu stolpern. Dennoch ist er bei fast allen Ereignissen im Ort auf irgendeine Art und Weise selbst involviert.

Der damals noch minderjährige Ray Lovelock (dürfte zum Zeitpunkt der Dreharbeiten 16 oder 17 gewesen sein) hat zwar nur eine kleine, aber sehr wichtige Rolle. Als naiver blonder Jüngling mit großen blauen Augen, der von seinem Vater vernachlässigt und von seiner Stiefmutter gehasst wird, wirkt er wie die personifizierte Unschuld in diesem Ort voller zwielichtiger Gestalten.

Ein für viele Italo-FreundInnen ebenfalls "alter Bekannter" namens Piero Lulli fasziniert in der Rolle des Bösewichts Oaks.

Lieblingszitat (Die Indianer zum namenlosen Fremden): "Hier, dein Gold. Dein Gold, für das du gestorben bist. Wir haben Patronen daraus gemacht. Die töten besser als Blei (...) Nachdem dir das Feuer des Todes geleuchtet hat, wird dir das Gold nur noch so von Nutzen sein."

Töte, Django Bild 1
Töte, Django Bild 2
Töte, Django Bild 3
Töte, Django Bild 4
Töte, Django Bild 5
Töte, Django Bild 6
Töte, Django Bild 7
FAZIT:

Ein atypischer Italowestern mit eingängigem variantenreichem Score, teils surreal anmutenden Szenen und gewagten/experimentellen Ansätzen. Irgendwo zwischen bitterem Realismus und comic-hafter Überzeichnung angesiedelt. Hart, schräg, tragisch, lustig und zynisch. Wer bei Bild, Ton und Dialogen keine Abstriche machen will und den Film sehen möchte, wie der Regisseur ihn vorgesehen hat, greift zur DVD von Blue Underground.

WERTUNG: 8 von 10 goldenen Revolverkugeln
TEXT © Mauritia Mayer
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Dein Kommentar >>
Chris | 12.02.2013 12:48
@ Mauritia Die Ohnmachtsanfälle kann ich nachvollziehen. Als am
Anfang diese Stakkato-Ãœberblenden von dunkler Nacht zu greller
Wüstensonne und wieder zurück gemacht wurden, hatte ich echt
Befürchtung, gleich einen epileptischen Anfall zu erleiden. War echt
heftig und dass obwohl ich in dieser Hinsicht eigentlich nie
Probleme hatte... Aber nun zum Film, der ja Faszination pur ist.
Wenn du nicht schon dieses tolles Review geschrieben hättest (und
das viel fundierter als es mir gelungen wäre), hätte ich auch eine
verdiente Laudatio dazu geschrieben. Die Szenen, als die weißen
Desperados in diese unheimliche, surreale Alptraumwesternstadt
reiten, sind einfach grandios. Da ist Questi sogar ganz nahe an
einem Jodorowski oder Zulawski, finde ich.
Mauritia M. | 25.02.2013 12:49
Schön, dass er dir gefällt. So bewegen wir uns filmtechnisch doch mal wieder in ähnlichen Gefielden.
Empfehle übrigens, ihn spätestens bei der zweiten Sichtung mit englischer Synchro anzuschauen, da er dadurch noch mehr an Intensität gewinnt.
Chris | 02.03.2013 17:03
Hab ihn auf englisch gesehen. Hab mir die Blu-Ray von Blue
Underground gegönnt. : )
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