OT: The Glimmer Man
ACTION: USA, 1996
Regie: John Gray
Darsteller: Steven Seagal, Keenen Ivory Wayans, Bob Gunton, Brian Cox
Steven Seagal ist Jack Cole - ein Polizist. Aber nicht irgendeiner - nein, er ist ehemaliger CIA-Agent, hat einen sehr schlechten Modegeschmack und kann Brustimplantate aus größten Entfernungen aufspüren. Als eine Mordserie sein Revier erschüttert, rauft er sich mit seinem neuen Partner Jim Campbell zusammen um den Serienkiller zu stoppen.
Doch es steckt noch viel mehr dahinter als zunächst gedacht ...
Willkommen am Anfang vom Ende. Dem Anfang vom Ende Steven Seagals Kinokarriere zumindest. Obwohl sein absoluter Karrierehöhepunkt bereits 1992 ALARMSTUFE: ROT war, ging es jedoch erst mit GLIMMER MAN so richtig bergab in Richtung Osteuropa-DTV-Klopper. Die Frage die sich mir nur stellt ist, wieso? Gut, in Zahlen ausgedrückt, ist die Frage nicht schwierig zu beantworten. Nur schlappe 20 Millionen Dollar (und ein paar Zerquetschte) nahm der von John Grey inszenierte Buddy-Actionthriller am US-Kinomarkt ein. Im Grunde sind das sind gute 2 Millionen mehr als Seagals Debutfilm NICO. Der kostet aber auch bloß knappe 8 Millionen Dollar und lief in über 1000 Kinos weniger. Zum Vergleich: ALARMSTUFE: ROT spielte alleine in Amerika ca. 84 Millionen Dollar ein, gar 160 Millionen weltweit.
Der Name Seagal stand also mit einem Mal nicht mehr für garantierte Gewinne an den Kinokassen. Der Beweis für die These "Never change a running system"? Denn mit GLIMMER MAN versuchte sich Seagal das erste Mal an einem etwas neueren Konzept. Zum einen der Wechsel vom reinen Actionfilm hin zum Actionthriller - der bereits besprochene Film EINSAME ENTSCHEIDUNG zählt nicht, schließlich ist das kein echter Steven Seagal-Film. Zum anderen ist GLIMMER MAN keine Ein-Mann-Schau mehr, sondern ein waschechter Kumpel-Film, da Seagal nun einen - fast - ebenbürtigen Partner an seiner Seite hat. ALARMSTUFE: ROT 1 und 2 zählen da ebenfalls nicht, schließlich waren das Playmate und der Gepäckträger eher Handlanger, denn Partner.
Hinzu kommt, dass eine ausgeprägte komödiantische Komponente hinzugefügt wurde. Zwar sind auch die frühen Seagal-Filme nicht humorbefreit, setzen aber in der Regel eher auf sehr dezente Späße, vor allem knackige Oneliner. In GLIMMER MAN sollte Seagal nun mal richtig auf die Kacke hauen. Weshalb man ihm als Partner vermutlich auch Keenen Ivory Wayans an die Seite gestellt hatte, der durchaus ein gutes Timing und Gespür für Pointen hat und auch dezenten Slapstick beherrscht.
Große Änderungen also im Steven Seagal-Konzept, die dazu geführt haben könnten, dass GLIMMER MAN ein recht großer Flop wurde. Für mich ist das allerdings nicht wirklich nachvollziehbar. Klar, auf den ersten Blick mag die niedrige Altersfreigabe abschrecken, schließlich stand Seagal bisher für ultrabrutale, unreflektierte Gewalt und die wurde in Deutschland von der FSK immer mit FSK-18 Freigaben oder gar einer Freigabeverweigerung belohnt - DEADLY REVENGE zum Beispiel ist ungeschnitten nur in einer SPIO/JK-Fassung erhältlich. Aber, trotz der niedrigen Freigabe ist GLIMMER MAN ungeahnt brutal geworden. Zum einen sind die Mordszenen relativ grafisch und detailliert in Szene gesetzt und zum anderen teilt Steven Seagal ordentlich aus. Das Resultat: Gebrochene Handgelenke, zermatschte Gesichter und geschlitzte Kehlen. Vor allem die Szene in der Seagal in einem Auto zwei Russen mit dem Griff seiner Waffe windelweich prügelt ist pures Gold. Hinzu kommen durch Scheiben fliegende Verbrecher und kräftige Griffe in diverse Genitalbereiche - die neben dem berühmten Handgelenksbruch™ schon seit geraumer Zeit zum Repertoire des Meisters gehören.
Auch ansonsten ist GLIMMER MAN eine mordsmäßige Gaudi, freiwillig wie unfreiwillig. Zum einen ist der durchaus etwas flapsigere Ton des Films eine ganz angenehme Abwechslung und auch wenn Seagal absolut nicht schauspielern kann, so schafft er es erstaunlicherweise doch immer wieder die ein oder andere Pointe treffsicher zu platzieren. Natürlich ist es Wayans der wirklich überzeugt und einige flotte Sprüche lässig raushaut und es schafft sogar aus flachen Witzchen wie getrocknetem Hirschpenis zumindest einen Schmunzler rauszuholen. Und wenn sich diverse Figuren im Film über Seagals Indianerschmuck lustig machen, dann entwickelt sich das zu einem netten Running Gag - und deckt sich mit den Kommentaren meiner Freundin, die dem Filmerlebnis gnädigerweise beiwohnte.
Der Spaß hört damit aber nicht auf, denn GLIMMER MAN funktioniert auf so vielen Ebenen und dazu gehört auch die des unfreiwilligen Humors. Das fängt schon mit dem Setting an. Schamlos an SIEBEN angelehnt, der kurz vorher in den Kinos lief, mordet sich hier ein religiös motivierter Serienmörder durch die Stadt. Kommt immer gut sowas. Vor allem, wenn es dann so düster ist wie in David Finchers Meisterwerk. Diesen Stil wollte Regisseur Grey auch für seinen Film nutzen. Dumm nur, wenn der Regen nicht so kommt wie er soll. Anstelle einer düsteren, bedrückenden Atmosphäre herrscht so blauer Himmel vor und mit dem Gartenschlauch vorgetäuschter Regen, der permanent an Scheiben hinunterläuft, als wären es Zimmerspringbrunnen.
Hinzu kommt Coles Erklärung, warum er an einen Nachahmungstäter glaubt, der ihn auf Grund seiner ultrakrassen Militär-Geheimdienst-Vergangenheit ausschalten soll. Wer dem wirren Geschwafel noch folgen kann, hat wohl selbst eine Geheimdienstausbildung. Neben diesen vor allem auf Drehbuch und Regie zurückzuführenden Albernheiten sorgen zusätzlich zahlreiche Seagalismen für gute Laune. So trägt Seagal nicht nur - oben erwähnten - Indianerschmuck, sondern auch diverse Sofabezüge als Jacke. Auch seine tiefe Verbindung zum Zen-Buddismus wird in GLIMMER MAN das erste Mal direkt thematisiert. Natürlich auf gewohnt Seagal'sche Art. So verkündet er selig, er könne nicht kämpfen, weil sein Glaube es ihm verbiete, nur um dann jede Menge Kerle zu verkrüppeln und zu töten. Von seinem schwerkraftverachtenden Fenstersprung von einem in ein anderes Gebäude will ich lieber gar nicht erst anfangen.
Wayans agiert wie bereits gesprochen sehr anständig und legt ein gutes Gespür für Timing an den Tag – dank ihm gelingen die meisten Witze. Seagal ist wie gewohnt Seagal. Der Mann mag zwar partout nicht schauspielern können, aber man darf ihm nicht absprechen, einen gewissen Sinn für Humor zu haben, der seine Filme dezent aufwertet. In GLIMMER MAN darf er mal so richtig aus den Vollen schöpfen. Der Nebencast bietet alles auf, von brauchbar bis Trainingsgerät für Seagal, alles in allem ist aber niemand dabei, dem man für seinen Ausfall die Ohren langziehen müsste.
In diesem Sinne: „Du bist ein verdammter Psychopath!“ - sprach Seagals Ex-Frau Kelly LeBrock vor dem Scheidungsrichter...
GLIMMER MAN bietet also jede Menge – von komischen Einlagen, über recht heftige Action bis hin zum gewohnt unfreiwilligen Humor und natürlich einen gut aufgelegten Seagal, der mit allerlei Unsinn, wie seinem penetranten Zen-Buddhismus um die Ecke kommt. Die Inszenierung ist zwar nicht fehlerfrei und etwas holprig, was vor allem in den etwas langweilig gefilmten Kampfszenen deutlich wird. Allerdings hat Seagal als Martial Artist und Kampfchoreograph einiges drauf, so dass er die dezent schlampige Inszenierung wieder wettmacht. Der ungelenke Wechsel in der Ausrichtung des Films – es ist nie ganz sicher, ob GLIMMER MAN jetzt Action, Thriller, Komödie oder Horror sein soll – wird locker Vergessen gemacht, wenn es mal wieder ordentlich kracht und die Knochen splittern. Natürlich gibt es bessere Filme in Seagals Filmographie, aber der Flop, der er an den Kinokassen war, ist GLIMMER MAN auf keinen Fall. Eher recht gemütliche, kurzweilige Unterhaltung mit dem Meister aller Gewichtsklassen; mit seinem ganz eigenen Charme.