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Martyrium

Martyrium

OT: Calvaire / The Ordeal
THRILLER/HORROR: B, 2004
Regie: Fabrice Du Welz
Darsteller: Laurent Lucas, Jackie Berroyer, Philippe Nahon, Jean-Luc Couchard, Brigitte Lahaie

STORY:

Marc Stevens (Laurent Lucas) ist ein Sänger, dessen chansons d'amour die Frauenherzen reihenweise dahinschmelzen lassen. Auch an willigen Groupies (u.a. Ex-Hardcore-Actrice Brigitte Lahaie) herrscht kein Mangel - das Problem ist nur, dass das Gros seiner Anhängerschaft eher der Altersgruppe 70plus zuzurechnen ist - Marc tritt nämlich in Altersheimen und auf Pensionisten-Kaffeekränzchen auf. Auf dem Weg zum nächsten Auftritt verirrt sich Marc im belgischen Niemandsland. Dort trifft er auf Einheimische, deren sexuelle Vorlieben ihm noch wesentlich unangenehmer sein werden als die Annäherungsversuche seiner greisen Fans ...

KRITIK:

Als einen "Mischmasch aus Texas Chainsaw Massacre, Das Leben des Brian und Psycho" hat die übrigens höchst lesenswerte Seite mitternachtskino.de diesen belgischen Psychothriller bezeichnet. Nicht gerade ungewichtig, diese Vergleiche. Auch wenn sie nicht 100%ig stimmen.

Mit dem Texas Chainsaw Massacre hat der Film eigentlich nur das Backwood-Grundmotiv gemein: Der urbane Protagonist verirrt sich in unwirtlicher Gegend und trifft auf degenerierte Hinterwäldler mit wenig freundlichen Absichten. Doch die Einheimischen werden hier nicht von Mordlust angetrieben, sondern von unerfüllter Liebe und sexueller Frustration. Die muss in der belgischen Einöde grenzenlos sein - mangels Frauen reagieren sich die Dorfbewohner nämlich an ihren armen Schweinen im Stall ab.

"Andere Länder, andere Sitten", würde der - natürlich nur Anfangs! - freundliche, stets zu einem Scherzchen aufgelegte Quartiergeber Paul Bartel diese Begegnung kommentieren. Wir abseitige Cineasten-Nerds haben natürlich die Hommage an den belgischen Underground-Kultfilm VASE DE NOCES - auch bekannt und berüchtigt als 'Pig Fucking Movie' - gleich erkannt.

A propos: Regisseur Fabrice Du Welz ('Vinyan') hat seinen Erstling, der bereits 2004 unter dem Titel CALVAIRE auf DVD erschien, mit Hommagen an Gott und die Welt gespickt. Beginnend beim französischen Filmtitel mit seiner religiösen Bedeutung, den filmhistorischen Anspielungen, und dem Film-Namen des mörderischen Gaststättenbesitzers: Paul Bartel (1938-2000) war der Mann, der für Roger Corman die Kultfilme DEATH RACE 2000 und ROCK'N' ROLL HIGHSCHOOL gedreht hat.

Auch wenn der eingangs erwähnte Komödienvergleich einen humoristischen Einschlag nahelegt, ist mir das Lachen weitestgehend im Hals stecken geblieben. Aber wahrscheinlich gelten im Heimatland der real existierenden sexuell gestörten Massenmörder Marc Dutroux und Michel Fourniret längst andere Humor-Standards.

Mir war jedenfalls der Leidensweg (= Calvaire) des Protagonisten schlicht zu bizarr, zu hoffnungslos, zu verstörend, als dass Heiterkeit hätte aufkommen können. Was die unerbittliche Konsequenz und Radikalität von MARTYRIUM betrifft, drängen sich eher Vergleiche mit dem Frühwerk von Gaspar "Menschenfeind" Noé auf. Noés kranker Fleischer Philippe Nahon ist hier auch als Anführer der derangierten Dorfgemeinschaft zu sehen.

Ein großes Lob gebührt dem Kameramann: Die ländliche Einöde wurde in beklemmenden, an gespenstischer Wirkung kaum noch zu überbietenden Bildern eingefangen. Diese nasskalte, nebelverhangene Waldlandschaft, die buchstäblich in Regen, Schnee und Schlamm versinkt, ist fast schon zuviel des eiskalten Realismus.

Wir haben es hier mit einem ungewöhnlichen, schwer verstörenden Monstrum von europäischem Psychothriller zu tun. Seit seiner DVD-Erstauswertung hat der Film die Horror-Fans gespalten: Wie auch in den Kommentaren hier ersichlich, pendelten die Reaktionen zwischen Begeisterung und komplettem Unverständnis - und nichts dazwischen.
Ein gutes Zeichen, würde ich mal sagen ...

Im Rahmen der Störkanal-Edition hat MARTYRIUM (oder Calvaire - mir gefällt der Originaltitel einfach besser) eine adäquate Neu-Veröffentlichung erfahren. Zu den üblichen Extras (Audiokommentar des Regisseurs, Making Of) gesellt sich auch ein informatives Booklet. Kaufpflicht? Natürlich!

Martyrium Bild 1
Martyrium Bild 2
Martyrium Bild 3
Martyrium Bild 4
Martyrium Bild 5
Martyrium Bild 6
FAZIT:

MARTYRIUM ist die Störkanal-Neuauflage des verstörenden belgischen Psycho-Horrortrips CALVAIRE. Wie an den Kommentaren ersichtlich, gilt das alte Fazit immer noch: Nichts für Zartbesaitete und Mainstream-Horror-Gucker ;-).

WERTUNG: 9 von 10 armen Schweinen
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Bartel von der Multiplen Filmstörung | 15.02.2013 02:17
Endlich!!! Endlich wieder, eine von der Masse nicht gern gesehene, cineastische Liebesperle, die einem, Kraft ihrer Kunst, das "Hosentürle" sprengt ohne das man selbst noch Hand anlegen braucht!
Der Film handelt von einem Franzosen der seinem prolligen Heten-Dasein ein für allemal den Rücken kehren muss!
ER (Name v.d.Red. geändert) sehnt sich nach bäuerlicher Nächstenliebe a lá Hansi Hinterseher die er durch auf ARTE laufenden TV-Serien deutscher Herkunft zu kennen glaubt.
Da er kein CSU-Mitglied (im engeren Sinne) ist und Bayern strenge Einwanderungsgesetze & -auflagen auf Ausländer ausübt, sucht ER sein Glück samt seinem besten Stück, in der jungfräulich-perversen französischen Backwood-Cómmúnité. Angekommen machen IHM die allesamt aktiv männlichen Dorfproleten inklusive ihrer tierischen Leidensgenossen schnell klar, daß Sie offen für alles sind.
Aufnahmerituale a lá "Frühschoppen mit Penis im Kalbe", Sportarten wie "Saustall! Hosenstall! Überfall!", und hinterländisch-kulinarische Spezialitäten wie das "Sodom Bléu" begeistern und gefallen (nicht nur dem liberalen Rezensenten und Zuschauer) und lassen sogar allen Schauspielern (frz.:actéurs) Raum für denkwürdige, merkwürdige ja sogar menschliche Interpretationen ihrer Rollen, wie man sie seit Transforners nicht mehr gesehen hat.
Die Musikauswahl dieses (trau mich es gar nicht laut zu sagen) '"Klassikers" reicht von
"Muuuhh, steck in mir rein!" bis "Määähh, zieh in wieder raus!".
Nach dem unsittlichen Finale jedoch nimmt der Film ein jähes tragisches Ende,....da er aus ist!!!
Da hilft dem geneigten Sodomist während des Abspanns nur noch der Griff in die Hose um dieses "warme, gute Gefühl" welches bei Sichtung dieses St(r)eifen allgegenwärtig war, für noch wenigstens 5 minutés zu erhalten:

5 Minuten die für alle Liebhaber des französischen-Schwulenfilms zur Ewigkeit werden können....
>> antworten
Pat Bateman | 14.09.2012 00:48

Sehr feiner Film. Genreperle, die handwerklich wie scripttechnisch mal zeigt, das man auch ohne großes budget ein referenzwerk schaffen kann.
>> antworten
Hoermi | 30.11.2011 18:27
muss gh hier absolut beipflichten - der film hat alles was vielen
Horrorfilmen fehlt - nämlich: atmosphäre, Irrsinn (nämlich
wirklichen, absurden Irrsinn und nicht diese lächerliche "Wir sind ja
alle so crazy & schlachten alle ab" Attitüde) und geht in eine
schmerzhafte Tiefe, weil er sich Zeit nimmt Charaktäre vorzustellen
& sie aufeinander loslässt. scheinbar aber müssen horrorfilme nach
genauen schablonen funkionieren, sonst wird gleich alles als dreck
beschimpft - konservativer gehts nimmer
>> antworten
gh | 19.06.2011 14:36
man muss den film unter ganz anderen blickwinkeln betrachten und bewerten, als einen durchschnittlichen horrorfilm, wobei horror hier vielleicht sogar der falsche begriff ist. einerseits wird uns gewalt hier sehr realistisch dargestellt, so, wie es in hinterhöfen wohl ist, wo menschen jahrelang gehalten und missbraucht werden. das mögen die durchschnittshorrorfans nicht, wie man an dem gefasel sieht, das auf dieser leserseite steht. sobald es zu real wird, geht es ihnen zu nahe und dann maulen sie (haneke, noé, von trier), weil sie das nicht vertragen. meist liegt es aber den regisseuren genau daran, nämlich vor den kopf zu stoßen, um "gewalt" wie in splatterstreifen nicht als alltäglichkeit ins bewusstsein fließen zu lassen. auf der anderen seite gleitet der regisseur absichtlich ins absurde, teils auch in hommagen an andere, großartige filmwerke, was dem durchschnittsfilmtrottel gar nicht auffällt. diese absurdität überzeichnet nun zusätzlich die reale gewalt im film, macht uns nachdenklich, eröffnet erst überhaupt diese diskussion (die es ja bei einem schwachsinnsfilm gar nicht gäbe). ein großartiger film, als kunstfilm betrachtet.
Harald | 19.06.2011 14:56
Bitte hier einen gedrückten Facebook-Like-Button vostellen.
>> antworten
Federico | 23.04.2011 07:36
Übrigens mit einem grandiosen Trailer, der mich letztendlich davon überzeugt hat einen Blindkauf zu wagen (außerdem war Vynian schon mal nicht schlecht). Mal schaun.
Ralph | 14.06.2011 01:47
Tolle Kritik, erbitterte Diskussionen, polarisierende Stimmen. Nur leider absolut nicht mein Genre. Der Trailer gibt mir gar nix. Schade ;-)
>> antworten
Birgit | 07.11.2010 18:48
Ich liebe Horrorfilme, aber einen größeren Mist wie diesen Film habe ich in meinem ganzen noch nie gesehen. Ich möchte den Regisseur nicht zu nahe treten, aber ganz richtig kann er nicht im Kopf sein. Das es überhaupt den Regisseur erlaubt wurde diesen "Dreck" freizugeben, entzieht sich meinen Glauben an die Filmindustrie. Herr Du Welz, tun sie mir einen gefallen und drehen sie nie wieder einen Film!!!!!
Harald | 07.11.2010 19:20
Bitte hör auf, Filme als Dreck zu bezeichnen. Was deinen Wunsch an den Regisseur angeht: Er hat dir den Gefallen leider - bzw. glücklicherweise -nicht getan.
>> antworten
Matze | 20.10.2009 23:46
Wahnsinnsfilm! Hab mich, trotz der langatmigen ersten Hälfte, kein bisschen gelangweilt. Die Tristesse und die Atmosphäre liegen mir immer noch schwer im Magen.....
9 von 10 Kreuzen im Schlamm
>> antworten
Dingdong | 09.12.2008 01:19
mir gefällt die Absurde hälfte besonders gut.. find den Film nicht überragend.. aber gut!

uuuuund, vielleicht weiss ja jemand wie das Klavierstück im film heisst? BITTE! Ich such schon seit dem erscheinen des Films danach..

danke
Harald | 14.06.2011 00:05
Wie das Stück heißt, weiß ich leider auch nicht. Laut Film-Booklet wurde es von Vincet Cahay, der im Film auch den Pianospieler darstellt, komponiert.
>> antworten
mavro | 19.04.2007 22:19
also, für mich war das ganz großes verstörungskino. traurig, grindig, gewalttätig, einfach schön. wollt ich nur gesagt haben. damit es da auch einen pos.comment gibt, ne.
>> antworten
Cupe | 27.12.2006 12:06
Gut, ebenso gibt es auf www.ofdb.de negative lokale Reviews über den Film. Einmal 3/10, zweimal 4/10, einmal 5/10. Insgesamt kommt er dort auf 6,41.
Der Film polarisiert mich außerdem keineswegs. Die erste halbe Stunde passiert ja wohl rein gar nichts. Danach schweift alles einfach nur ins Absurde ab. Tut mir leid ist halt meine Meinung.
Oldboy | 16.01.2009 15:59
Der Film polarisiert DICH also nicht, aha... wenn ich im Fremdwörterlexikon nachschlage, gehören zum polarisieren doch mindestens zwei Personen, nicht wahr?!

Jedenfalls handelt es sich bei Calvaire um ein verstörendes Kunstwerk mit großem Unterhaltungswert. Für mich zweifellos einer der genialsten Genrefilme aller Zeiten. Grotesk, brutal und intelligent! Beinahe ein literarischer Terrorfilm - und damit einzigartig. Jedem Genrefan dringendst zu empfehlen!!!
>> antworten
Cupe | 26.12.2006 02:16
mein Tipp: füllt eine große Schüssel mit Langeweile und esst viel mit einem großen Löffel davon.

Dies ist dann nämlich um einiges interessanter, als dieser grottenschlechte, psychopatische, überaus langweilige, ins groteske abschweifende Film. Bitte tut ihn euch nicht an. Wirklich Mist hoch drei!! Also Prost Mahlzeit!
harald | 26.12.2006 19:43
wie schon gesagt, polarisiert der film enorm. auf www.ofdb.de gibt es zu calvaire 12 lokale reviews, davon 1 mal die höchstnote, 1mal 9/10 und 4 mal 8/10. das relativiert dein urteil "mist hoch drei" ein wenig, meinst du nicht?
Erhard | 12.07.2011 14:08
Ein Film, der polarisiert, kann schon mal per se kein schlechter Fiolm sein. Mir hat er gefallen, denn hier spiegelt sich ein Stück Waqhnsinn wider, das verstörender ist als 1000 Liter Kunstblut.
Alleine die tanzende Männergesellschaft ist so was von irrwitzig.
CALVAIRE ist ein Klasse Film, auf den man sich einlassen muß und für den man evtl. auch in der richtigen Stimmung sein sollte.
>> antworten