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Ein ganz gewöhnlicher Jude

Ein ganz gewöhnlicher Jude

DRAMA: D 2005, 2005
Regie: Oliver Hirschbiegel
Darsteller: Ben Becker, Siegfried W. Kernen, Samuel Finzi

STORY:

Ein ganz gewöhnlicher Jude Ein Lehrer will seinen Schülern das Judentum näher bringen. Er wendet sich per Brief an die Hamburger Kultusgemeinde, um "einen jüdischen Mitbürger" einzuladen, an einer Unterrichtsstunde teilzunehmen. Die Gemeinde bittet den nach 1945 geborenen Emanuel Goldfarb, dieser Einladung nachzukommen. Doch der ist alles andere als begeistert. Sein Versuch, eine Absage zu formulieren, gerät zu einem Monolog über Identitätsfindung und den ganz und gar nicht normalen Umgang mit Juden im heutigen Deutschland.

KRITIK:

Ein ganz gewöhnlicher Jude Ein ganz gewöhnlicher Jude zeichnet eindrucksvoll eine packende Bilanz eines Lebens als jüdischer Deutscher nach, die stellvertretend für tausende andere, ähnlich verlaufene Schicksale in Deutschland, aber auch Österreich steht. In den Vordergrund hat Autor Charles Lewinsky dabei nicht, wie vielleicht erwartet, das Thema Antisemitismus gestellt.

Er macht vielmehr klar: auch plakativ zur Schau gestellte Toleranz und erdrückender Philosemitismus (Starke Sympathien für das Judentum, das Gegenteil von Antisemitismus, Anm. d. Red) tragen nicht zu einem ungezwungenen Umgang von Juden und Nichtjuden bei. Dabei will der Protagonist Goldfarb nur eines: eben Ein ganz gewöhnlicher Jude sein.

Das mag vielen vielleicht trocken oder gar akademisch vorkommen. Ist es aber nicht. Denn der Drehbuchautor Charles Lewinsky schafft es, das komplexe Thema Identitätsfindung, das bei heute in Mitteleuropa lebenden Juden eine wichtige Rolle spielt, dem Publikum in prägnanten und spannenden Sätzen näher zu bringen.

Klar wird: Juden und Nichtjuden haben zwar eine gemeinsame Geschichte, aber dennoch nicht die gleichen Geschichten. "Es ist nun mal so, dass die Leute auf meinen Familienfotos auf ganz andere Weise tot sind als die Leute auf ihren. Umgebracht ist nun mal nicht dasselbe wie gestorben. Vergasung ist nicht dasselbe wie Lungenentzündung. Ich kann's nicht ändern", erklärt Goldfarb dem Lehrer.

Juden werden bei diesem Film von einem Aha-Erlebnis zum nächsten gleiten, Nichtjuden die Empfindungen heute in Deutschland oder Österreich lebenden Juden vielleicht etwas besser verstehen.

Regisseur Oliver Hirschbiegel, dessen Film Der Untergang, eine Darstellung der letzten Tage im Führer-Bunker, erst dieser Tage im TV zu sehen war, hat hier in wohltuender Weise auf das Zeichnen gängiger Klischees verzichtet, was sich schon allein in der Besetzung des Juden Goldfarb mit dem hellhäutigen und -haarigen Ben Becker zeigt. Ja, nicht alle Juden haben dunkle Haare und lange Nasen.

Und Ben Becker verkörpert die Rolle authentisch - von der ersten bis zur letzten Minute. Auf ihm lastet fast der gesamte Wortanteil des Films, ein innerer Monolog, den Becker mit faszinierender Mimik und Gestik sowie dem Betrachten von Relikten aus der Vergangenheit untermauert. Eine grandiose Darstellung.

FAZIT:

Ein beeindruckender Film, der Interessierten das komplexe Thema jüdische Identitätsfindung in eineinhalb Stunden klar und ohne unnötige Abschweifungen näher bringt. Schade, dass dieser Streifen trotz spannender Inszenierung (Regie: Oliver "Der Untergang" Hirschbiegel) wohl dennoch ein Minderheitenprogramm bleiben und wieder nur von jenen angesehen werden wird, die sich ohnehin mit der Thematik befassen.

WERTUNG: 9 von 10 vergilbten Familienfotos
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